# taz.de -- Merkel-Besuchsland Nigeria: Afrikas Megamarkt ist nicht blöd | |
> Angela Merkel wagt sich nach Nigeria – in ein Land mit miserablem Image | |
> und hervorragenden Zukunftsaussichten. Das eröffnet Chancen für deutsche | |
> Exporteure. | |
Bild: Die fetten Jahre kommen erst noch: Eine Nigerianerin aus Lagos schminkt s… | |
ABUJA taz | Ein größeres Negativimage als Nigeria hat wohl kaum ein | |
afrikanisches Land. Nigeria, das steht für Korruption, für Entführungen | |
ausländischer Mitarbeiter der großen Öl-Multis im Nigerdelta sowie für | |
massive Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen im Norden des | |
Landes, die gerne als "Kampf der Religionen" dargestellt werden. | |
Zusammengenommen also ziemlich abschreckend. | |
Dagegen will Bundeskanzlerin Angela Merkel nun etwas tun und fleißig die | |
Werbetrommel rühren. Zum ersten Mal besucht sie ab Mittwochabend den | |
westafrikanischen Riesen und hält am Tag darauf mit Präsident Goodluck | |
Jonathan (Peoples Democratic Party, PDP) eine Rede zum Auftakt des | |
deutsch-nigerianischen Wirtschaftsforums. Die Veranstaltung, die | |
abwechselnd in Deutschland und Nigeria stattfindet, soll zeigen: In Nigeria | |
ist für deutsche Unternehmen viel drin. | |
Davon sind Wirtschaftsexperten schon lange überzeugt. Der erste Grund ist | |
ziemlich banal, denn bereits jetzt lebt statistisch gesehen jeder sechste | |
Afrikaner in Nigeria, Tendenz steigend: Die Vereinten Nationen schätzen, | |
dass sich die derzeit 150 Millionen Einwohner Nigerias in den kommenden | |
Jahrzehnten vervielfachen und bis 2100 daraus 730 Millionen Menschen | |
werden. | |
Nigeria ist damit ein riesiger Markt, der durch die wachsende Mittelschicht | |
in der Megastadt Lagos, in der Hauptstadt Abuja und in weiteren | |
Millionenstädten für den Export von Konsumgütern noch attraktiver werden | |
dürfte. | |
## 8 Prozent Wirtschaftswachstum | |
Auf das steigende Wirtschaftswachstum nach Jahrzehnten der Krise ist man | |
auch in Nigeria selbst mächtig stolz. Gerade verkündete das statistische | |
Amt erste Prognosen für das Jahr 2011: Nach einem Anstieg des | |
Bruttoinlandsproduktes von 7,85 Prozent im vergangenen Jahr soll nun eine | |
Steigerung von 7,98 Prozent erreicht werden. In erster Linie dafür | |
verantwortlich sind die Preissteigerungen auf den Ölmärkten. An Bedeutung | |
gewinnen mittlerweile aber auch der Banken- und der | |
Telekommunikationssektor. | |
Trotzdem bleibt Nigeria unberechenbar. Positive Zahlen auf dem Papier sind | |
das eine, die politische Entwicklung in den einzelnen Bundesstaaten, in | |
denen viel Korruption herrscht und Gouverneure mit viel Macht ausgestattet | |
sind, das andere. Da diese erst vor knapp drei Monaten gewählt wurden, ist | |
eine Prognose derzeit so gut wie unmöglich. | |
Dass sie einen großen Einfluss haben, davon ist Bernhard Vester, | |
Unternehmensberater und Vorstandsmitglied im Bund der Katholischen | |
Unternehmer (BKU), überzeugt. "In Lagos sehen wir eine positive | |
Entwicklung, für die Gouverneur Babatunde Fashola viel getan hat", sagt | |
Vester, der mehrmals pro Jahr nach Nigeria reist und Mikrofinanzunternehmen | |
berät. | |
## Lagos blüht auf | |
Afrikas größte Mega-City Lagos, einst als Moloch verschrien, wird heute von | |
jedem Taxifahrer gelobt. Kilometerlange Staus und ständige Stromausfälle | |
gibt es zwar immer noch, aber innerhalb der vergangenen vier Jahre ist | |
Lagos freundlicher und grüner geworden. Die einst so gefürchteten | |
Area-Boys, jugendliche Wegelagerer, die an jeder Straßenecke lauerten, | |
haben in verschiedenen staatlichen Programmen eine Ausbildung erhalten. Die | |
Beruhigung der Sicherheitslage tut auch dem wirtschaftlichen Klima gut. | |
Als positiv könnte sich auch die Arbeit der Economic and Financial Crimes | |
Commission (EFCC) herausstellen. Nach den Wahlen im April scheint die | |
staatliche Antikorruptionskommission, die vergangenes Jahr sehr zahm | |
wirkte, nun verstärkt durchzugreifen und ermittelte unter anderem gegen | |
führende Politiker und Banken-Bosse. | |
Die Frage, ob Schmiergelder gezahlt werden müssen, um überhaupt auf dem | |
nigerianischen Markt Fuß fassen zu können, ist wohl für ausländische | |
Unternehmer eine der dringlichsten. "Das ist nicht notwendig, wenn man | |
direkt an der Basis aktiv ist", schätzt Vester ein. Unter Umständen müsse | |
man dann aber auch das ein oder andere Projekt sausen lassen. | |
13 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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