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# taz.de -- Rüstungsgeschäfte mit Angola: Tausche Kriegsschiffe gegen Erdöl
> Seit Jahren verkauft Deutschland Kriegsmaterial an Angola. Jetzt will
> Präsident dos Santos eine bessere Kriegsmarine. Da kann Bundeskanzlerin
> Merkel helfen.
Bild: Angolas Präsident dos Santos (l.) und Kanzlerin Merkel in Luanda.
BERLIN taz | Hohe Militärs bestaunten eine Parade; der Kommandeur der
sechsten US-Flotte, Vizeadmiral Harry B. Harris Jr., beförderte symbolisch
einen angolanischen Marinesoldaten zum Oberst. Angolas Kriegsmarine feierte
am Sonntag ihren 35. Geburtstag. In seiner Festansprache sagte Marinechef
Admiral Augusto da Silva Cunha: "Wer die See beherrscht, beherrscht die
Welt."
Drei Tage später machte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in
Angola Station. In der Hauptstadt Luanda machte sie Staatschef Eduardo dos
Santos ein weitreichendes Angebot: "Wir würden Ihnen auch gern helfen bei
Ihren Verteidigungsanstrengungen, zum Beispiel bei der Ertüchtigung der
Marine."
Konkret gemeint war damit das Angebot der Bremer Werft Lürßen, einer der
wichtigsten militärischen Schiffsbauer Deutschlands. Im Rahmen einer
angolanischen Ausschreibung hat Lürßen sechs bis acht Patrouillenboote
angeboten. Es wäre Deutschlands bisher größtes Rüstungsgeschäft mit der am
stärksten aufstrebenden Regionalmacht Afrikas. Firmenchef Friedrich Lürßen
gehört zur Kanzlerdelegation.
Angola schwimmt im Geld und hat ehrgeizige Ziele. Seit Ende eines
jahrzehntelangen Bürgerkrieges 2002 genießt das Land das höchste
Wirtschaftswachstum Afrikas, kein Land des Kontinents außer Nigeria fördert
mehr Öl, die Milliarden sprudeln. Die Quelle des Reichtums liegt im Meer:
gigantische Offshore-Förderanlagen vor allem von US-Ölmultis, die teils aus
mehreren Tausend Meter Tiefe das Öl unter dem Meeresboden fördern, derzeit
rund 1,6 Millionen Barrel täglich. Angola ist Chinas wichtigster
Öllieferant und einer der größten der USA.
## Umorientierung auf Küstenverteidigung
So sind Angolas Gewässer strategisch zentral. Als der Bürgerkriegs 2002
endete, führt der US-Militärfachdienst "Jane's Defense" aus, hatte Angola
kein einziges seetaugliches Schiff. Jetzt erfordere der Schutz von 1600
Kilometern Küste in einer Breite von 200 Seemeilen (370 Kilometer) mit
wertvollen Öl- und Fischvorkommen "Umorientierung auf Küstenverteidigung".
Früher "lag unser Fokus auf dem Land und in der Luft", sagte Vizeadmiral
Mendes Caralho auf der Jubiläumsfeier der Marine: "Jetzt liegt unser Fokus
auf Sicherheit im Meer."
Die USA vereinbarten 2010 eine strategische Partnerschaft mit Angola.
Rüstungsgeschäfte mit Angola sind allerdings heikel, wie eine ganze Riege
französischer Politiker erfahren hat, die deswegen vor Gericht gewandert
sind. Angola war jahrzehntelang Frontstaat gegen Apartheid-Südafrika und
seine Verbündeten. Deutsche Waffen, von der DDR abgesehen, erreichten
Angola erst nach Kriegsende.
Laut Bundesregierung hat Deutschland zwischen 2004 und 2008
Rüstungsmaterial im Wert von über 10 Millionen Euro nach Angola geliefert,
darunter Militärlastwagen und Panzerungen im Zusammenhang mit Minenräumung,
aber auch Handfeuerwaffen. Ein Posten aus dem Jahr 2008 im Wert von 19.580
Euro umfasst Güter unter der Rubrik "Biologische Agenzien und radioaktive
Stoffe für den Kriegsgebrauch" sowie "chemische Kampfstoffe". Nach Auskunft
des Auswärtigen Amtes gegenüber dem Linken-Abgeordneten Paul Schäfer, der
2010 nachfragte, handelte es sich um "zwei Hochdruckdampfreiniger zur
Dekontamination von militärischen Fahrzeugen".
## Korvetten und Patrouillenboote für 800 Millionen Euro
Im gleichen Schreiben vom 22. Oktober 2010 wird auch das geplante
Flottengeschäft erläutert: "Hintergrund ist der Küstenschutz und der Schutz
der Offshore-Erdölförderanlagen. Dem Auswärtigen Amt ist ferner bekannt,
dass sich deutsche Firmen um einen Teilauftrag aus der Flottenerneuerung
bemühen. Hierbei geht es um die Lieferung von Korvetten und
Patrouillenbooten". Mit einem Gesamtvolumen von schätzungsweise mindestens
800 Millionen Euro würde dieses Marinegeschäft, über das bereits seit
Jahren Gespräche laufen, alle anderen in den Schatten stellen; groß wäre es
selbst gemessen an Angolas Verteidigungshaushalt, rund 3,7 Milliarden
Dollar 2010.
Kritiker bezweifeln, dass ein solches Geschäft genehmigungsfähig ist, und
verweisen auf schwere Menschenrechtsverletzungen im Kampf gegen
Separatisten in der Exklave Cabinda. Zu nennen wären auch Übergriffe gegen
Immigranten aus dem Kongo, die regelmäßig unter massiver Gewaltanwendung
verjagt werden, vor allem aus den Diamantenminen. Die UN-Mission im Kongo
sprach Anfang dieses Jahres von 600 Vergewaltigungen an Kongolesinnen, die
angolanische Soldaten bei der letzten Massendeportation im November 2010
begangen hätten. Wenige Monate zuvor hatte Angolas Militärführung erstmals
ein in Angola gebautes Panzerfahrzeug für Truppenbewegungen vorgestellt.
Die Motoren dafür kamen nach angolanischen Angaben aus Deutschland.
Der Großteil von Angolas Ölvorkommen liegt vor der Küste der Exklave
Cabinda, mit dem Rest Angolas nur auf dem Luft- oder Seeweg verbunden. Ein
Großteil des Cabinda-Öls aber liegt in Gewässern, die die Demokratische
Republik Kongo beansprucht. Deren Territorialgewässer, ausgehend von einem
20 Kilometer breitem Küstenstreifen am Nordufer der Kongo-Flussmündung,
enden bislang 45 Kilometer vor der Küste in einem spitz zulaufenden
Meeresdreieck; danach kommt nur noch Angola. Kongo beansprucht seit einigen
Jahren die Hoheit über das Meer bis zu 200 Seemeilen (370 Kilometer) vor
der Küste, womit bis zu 500.000 Barrel angolanisches Öl pro Tag an den
Kongo gehen würden. Ein Angebot Angolas einer "gemeinsamen Wirtschaftszone"
lehnte der Kongo 2010 ab und zog vor den Internationalen Gerichtshof in Den
Haag.
## Piraterie und Fischräuber
Moderne Kriegsschiffe könnten in diesem Seestreit noch wichtig werden.
Offiziell aber steht die Modernisierung der angolanischen Marine im
Zusammenhang mit der internationalen Debatte über Piraterie und Fischräuber
im Golf von Guinea, der von Angola bis nach Nigeria reicht. Kein Wunder,
dass es über Angola breiten Konsens in der deutschen Politik gibt. Fast
alle bisherigen Rüstungsexporte erfolgten in der Amtszeit der Großen
Koalition (2005-09), darunter die erste Befassung des Bundessicherheitsrats
mit der geplanten Flottenmodernisierung.
Während die schwarz-gelbe Koalition in Angola einfach gute Geschäftschancen
wittert, ist die SPD auch noch Schwesterpartei der einst marxistischen
angolanischen Regierungspartei MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung)
in der Sozialistischen Internationale. Nicht immer mögen es SPD-Politiker,
wenn die Welt von ihren guten Beziehungen zu Angola erfährt. So
recherchierte die Bonner "Informationsstelle Südliches Afrika" (ISSA) im
Rahmen einer Studie zu deutsch-angolanischen Wirtschaftsbeziehungen, die
Ende Juni in Berlin vorgestellt wurde, auch das Wirken des ehemaligen
Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke (SPD).
Welteke ist heute Präsident der angolanischen Bank "Banco Quantum", zu
deren Besitzern ein Sohn des angolanischen Präsidenten gehört. Das
entsprechende Kapitel in der ISSA-Studie wurde kurz vor der
Veröffentlichung wieder entfernt, nachdem Welteke über seine Anwältin eine
Unterlassungserklärung gefordert und mit rechtlichen Schritten wegen
Verletzung der Persönlichkeitsrechte gedroht hatte.
14 Jul 2011
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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