# taz.de -- Ermittlungen online: Wo virtuelle V-Männer schnüffeln | |
> Facebook gehört zum Alltag von Millionen Deutschen – und wird damit für | |
> Polizeibehörden interessant. Auch das BKA setzt virtuelle Ermittler ein. | |
Bild: Auch das BKA hat ein Facebook-Profil. | |
Wer-kennt-wen, StudiVZ und Facebook gehören längst zum Alltag von Millionen | |
Deutschen – und somit auch zum Ermittlungsalltag der Polizeibehörden. Auch | |
das BKA setzt virtuelle Ermittler ein, wie eine [1][Kleine Anfrage der | |
Fraktion Die Linke] im Bundestag ergeben hat. | |
"Virtuelle verdeckte Ermittler haben in Sozialen Netzwerken nichts | |
verloren. Ihr Einsatz verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle | |
Selbstbestimmung", erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die | |
Linke Ulla Jelpke zur Antwort der Bundesregierung. Darin hatte die | |
Bundesregierung sechs Einsätze von virtuellen Ermittlern zugegeben. | |
Großen Stellenwert will die Bundesregierung den neuen | |
Ermittlungsinstrumenten in Sozialen Netzwerken aber nicht zugestehen. Die | |
Bundesbehörden griffen "fallbezogen" auf Informationen in sozialen | |
Netzwerken zu. Eine systematische anlassunabhängige Recherche in sozialen | |
Netzwerken finde nicht statt, heißt es in der offiziellen Antwort. Solange | |
es bei oberflächlichen Kontakten im Netz bleibe, könnten Polizisten | |
problemlos unter falscher Identität in den Netzwerken tätig werden. | |
"Keinen Eingriff in die Grundrechte stellt es nach der Rechtsprechung des | |
Bundesverfassungsgerichts regelmäßig dar, wenn Beamte des BKA unter einer | |
Legende an offener Kommunikation in sozialen Netzwerken teilnehmen, solange | |
der Betroffene nicht schutzwürdig in die Identität des | |
Kommunikationspartner ist." Wie oft das geschieht, wird nicht erfasst. Die | |
Bundesregierung wandelt damit eine alte Online-Weisheit ab: "Im Internet | |
weiß niemand, dass Du ein Hund bist." Oder eben ein Polizist. | |
## "Virtuelle Verdeckte Ermittler" | |
Doch es gibt auch Fälle, in denen Polizisten die Grenze zur vertraulichen | |
Kommunikation überschreiten. In den vergangenen zwei Jahren seien insgesamt | |
sechs Mal "Virtuelle Verdeckte Ermittler" eingesetzt worden, heißt es in | |
der Antwort der Bundesregierung. Betroffen davon seien Ermittlungen im | |
Bereich des Paragraphen 110a der Strafprozessordnung, also: Straftaten von | |
"erheblicher Bedeutung": Bandenkriminalität, organisierter Drogenhandel, | |
Vergehen gegen den Staatsschutz. | |
Weitere Details möchte das BKA nicht öffentlich machen. "Die | |
Veröffentlichung dieser internen Vorgänge würde die Offenlegung sensibler | |
polizeilicher Vorgehensweisen und Taktiken bedeuten." Nur Abgeordnete | |
dürfen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages nachlesen, mit | |
welchen Methoden Polizisten online den Kontakt zu Kriminellen suchen. | |
"Ob die Ermittler jemals zu Straftaten aufgerufen oder Texte mit strafbarem | |
Inhalt verfasst oder Dateien mit strafbarem Inhalt weitergegeben haben, | |
kann die Bundesregierung offenbar nicht mit Sicherheit ausschließen", | |
kommentiert Jelpke. Der Einsatz der virtuellen V-Männer verstößt nach | |
Auffassung von Jelpke gegen das so genannte IT-Grundrecht: "Der verdeckte | |
Einsatz von Ermittlern verletzt das Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger | |
auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, das das | |
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu Online-Durchsuchungen | |
konstatiert hatte. Wer Informationen über sich selbst in einem sozialen | |
Netzwerk offenlegt, muss darauf vertrauen können, dass der Staat nicht | |
mitliest." | |
## "AG KaRIN" | |
Die niedrige Zahl der bekanntgegebenen virtuellen V-Mann-Einsätze liegt | |
auch darin begründet, dass die Polizei Ländersache ist – der Großteil der | |
Ermittlungen in Online-Netzwerken findet also außerhalb des Zuständigkeit | |
der Bundesregierung statt. Dass die Landesbehörden aber auch an virtuellen | |
Ermittlungen interessiert sind, zeigt die Einrichtung einer Arbeitsgruppe | |
namens "AG KaRIN", an der BKA, Zollkriminalamt und sieben | |
Landeskriminalämter regelmäßig neue Erkenntnisse zu Sozialen Netzwerken | |
austauschen. | |
Die Bundesregierung möchte die Ermittlungen in den Netzwerken offenbar | |
niedrig hängen. "Es ist kein Fall bekannt, in dem ausschließlich die | |
Ermittlungen in diesen Netzwerken für die Aufklärung maßgeblich waren", | |
heißt es in der Erklärung der Bundesregierung. Bedarf für neue gesetzliche | |
Regelungen gebe es nicht. Um den Einsatz der virtuellen V-Männer zu regeln, | |
genügten die allgemeinen Vorschriften, die auch für Ermittlungen in anderen | |
Bereichen gälten. | |
Ein übergreifendes Data-Mining, mit dem die Aktivitäten von Tausenden von | |
Nutzerprofilen systematisch ausgewertet werden, um beispielsweise | |
Gruppenzugehörigkeiten und Bewegungsprofile zu ermitteln, fände zumindest | |
bei BKA und Bundespolizei nicht statt. Wie es bei Geheimdiensten aussieht, | |
verrät die Bundesregierung nicht: "Die Nachrichtendienste sind hingegen | |
keine Ermittlungsbehörden. Mit Ermittlungen sind daher weder Mitarbeiter | |
betraut, noch bestehen diesbezüglich Kooperationen." | |
15 Jul 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.google.de/url?sa=t&source=web&cd=1&ved=0CBgQFjAA&… | |
## AUTOREN | |
Torsten Kleinz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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