# taz.de -- Getöteter Globalisierungsgegner: Carlo Giuliani, ein Junge | |
> Es war eine spontane Entscheidung, als Carlo Giuliani am 20. Juli 2001 zu | |
> den Anti-G-8-Protesten in Genua ging. Am späten Nachmittag war er tot. | |
Bild: Carlo Guiliani wurde nur 23 Jahre alt. | |
Als Carlo Giuliani sich mittags am 20. Juli 2001 mit einem Freund | |
verabredet, ist er noch unschlüssig über die weitere Tagesgestaltung. Unter | |
die Hose zieht er eine Badehose; das Wetter lädt zu einer Fahrt zum Strand | |
ein. Doch in Genua laufen gerade die Anti-G-8-Proteste. Carlo ist nicht | |
organisiert, kein politischer Aktivist, aber er sympathisiert mit den | |
Globalisierungskritikern. Am 18. Juli war er beim großen Konzert von Manu | |
Chao, am 19. bei der Demo der Migranten. Carlo und sein Freund beschließen, | |
einen Blick auf die Proteste zu werfen. Schockiert erleben sie, wie die | |
Polizei anlasslos katholische Pazifisten verprügelt. | |
Danach begibt Giuliani (23) sich zur Demonstration der "Ungehorsamen" von | |
den Autonomen Zentren. Auch hier: Gewaltorgien der Carabinieri gegen | |
friedliche Demonstranten, die zu einer stundenlangen Straßenschlacht | |
führen. Auf der Piazza Alimonda wird ein Carabinieri-Jeep von Demonstranten | |
eingekreist, ein Beamter zückt die Pistole, der schmächtige Giuliani hebt | |
einen Feuerlöscher, läuft auf den Wagen zu, womöglich, um den Carabiniere | |
zu entwaffnen. Ein Schuss ins Gesicht, dann der Wagen, der zweimal über | |
seinen Körper fährt. 17.27 Uhr: Giuliani erliegt binnen Minuten seinen | |
Verletzungen. | |
Ein entgleister, obdachloser Punk sei Opfer seiner eigenen Gewalttätigkeit | |
geworden, hetzten Polizei und regierungsnahe Medien. "Ich glaube, mein Sohn | |
hat so wie andere Jungs damals Widerstand geleistet", sagt seine Mutter. | |
Widerstand gegen eine entfesselte Polizei, die in Genua jeden Protest mit | |
Reizgas, Wasserwerfern, Schlagstöcken blutig zerschlug. Und der Vater | |
ergänzt, "kein Märtyrer, kein Held, sondern bloß ein Junge, der gegen eine | |
tiefe Ungerechtigkeit reagierte", sei Carlo gewesen. Er schrieb gern | |
Gedichte. Auch die lateinischen Verse "Sententia": "Der Angeklagte wird zum | |
Tode verurteilt - und zur öffentlichen Zurschaustellung seines Körpers." | |
Dieses Schicksal widerfuhr ihm am 20. Juli; die Bilder des Jungen in der | |
Blutlache gingen um die Welt. "Carlo Giuliani, ragazzo" schrieben | |
Demonstranten auf das Schild der Piazza Alimonda: "Carlo Giuliani, ein | |
Junge". | |
17 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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