# taz.de -- Reeperbahn-Überwachung: Videoaugen abgeschaltet | |
> Die Polizei stellt die ständige Videoüberwachung der Reeperbahn ein. Die | |
> Auflagen der Gerichte waren so hoch, dass sich der Aufwand nicht mehr | |
> gelohnt hätte. | |
Bild: Fünf Jahre Videoüberwachung der Reeperbahn sind genug: Die Kameras werd… | |
Die Videoüberwachung der Reeperbahn ist beendet. Am Freitagmittag um 14 Uhr | |
schalteten Beamte im Polizeipräsidium die Bildschirmwand ab, die von zwölf | |
Kameras mit Bildern beliefert und von 14 Beamten rund um die Uhr beobachtet | |
wurde. Auf dem Kiez neigten sich die Videoaugen in Richtung Fußboden, um | |
die Funktionslosigkeit zu demonstrieren: "Aufwand und Nutzen hielten sich | |
nicht mehr die Waage", sagt Polizeisprecherin Ulrike Sweden. "Da hat der | |
Senator die Abschaltung angeordnet." Es sei durch die gerichtliche Vorgaben | |
notwendig geworden "technische Veränderungen vorzunehmen", so Sweden, die | |
sich als "nicht effizient" erwiesen hätten. | |
In der Tat ist der Rückzug aus der umstrittenen Videoüberwachung vor allem | |
dem Urteil des Hanseatischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 22. Juni | |
vorigen Jahres geschuldet, dem ein jahrelanger Rechtsstreit voranging. Die | |
Reeperbahn-Bewohnerin Alja R. hatte gegen die Installierung der Videoaugen | |
im April 2006 geklagt, die der damalige Innensenator Udo Nagel (parteilos) | |
zur Gefahrenabwehr angeordnet hatte. Denn ein Videoauge konnte direkt in | |
Alja R.s Wohnzimmer im 2. Stock gucken. | |
Während das Verwaltungsgericht der Polizei nur das Filmen ins Wohnzimmer | |
untersagte, was durch eine digitale und mechanische Sichtblende vermieden | |
werden konnte, hatte das OVG entschieden, dass außer Wohnhausfassaden auch | |
sämtliche Kneipen- und Ladentüren sowie Treppenhaus-Eingänge nicht | |
beobachtet werden dürfen. | |
"Gerade in Hauseingängen lassen sich Bewegungs- und Kontaktprofile | |
erstellen", hatte der Vorsitzende Richter Joachim Pradel das Verbot | |
begründet - und generelle Zweifel an der Maßnahme angemeldet. "Die | |
Hoffnung, dass durch Videoüberwachung die Zahl der Straftaten sinkt, hat | |
sich nicht bewahrheitet", so sein Resümee. Dennoch gestattete das OVG der | |
Polizei grundsätzlich die Observation der "sündigen Meile". | |
Obwohl gegen das Urteil keine Revision zugelassen war, hatte Alja R.s | |
Anwalt Dirk Audörsch Rechtsmittel beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig | |
eingelegt: Die Videoüberwachung sei ein direkter Eingriff in die | |
Grundrechte aller BesucherInnen, die sich frei im öffentlichen Raum | |
Reeperbahn bewegten. | |
Das Gericht ließ im April dieses Jahres die Revision zu, da das Verfahren | |
von "grundsätzlicher Bedeutung" für die Fragen sein könne, "ob die offene | |
Bildaufzeichnung im öffentlichen Raum zum Zwecke der | |
Strafverfolgungsvorsorge" auf ein Landespolizeigesetz gestützt werden dürfe | |
und "welche verfassungsrechtlichen Anforderungen zu stellen" seien. | |
Während der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Kai Voet van Vormizeele die | |
Weisung von Innensenator Michael Neumann (SPD) zur Abschaltung des | |
Videosystems kritisiert, weil nun "ohne Not ein wichtiger Baustein der | |
erfolgreichen Kriminalitätsbekämpfung fehlt", begrüßten der | |
FDP-Datenschutz-Experte Finn Ole Richter und der SPD-Abgeordnete Arno | |
Münster die Entscheidung. "Polizisten müssten dort eingesetzt werden, wo | |
sie am besten die innere Sicherheit stärken könnten", sagte Münster, "vor | |
verpixelten Bildschirmen ist das nicht der Fall." | |
Die innenpolitische Expertin der GAL-Fraktion, Antje Möller, freut sich, | |
dass nun der "Eingriff in die Bürgerrechte" beendet sei. Die Überwachung | |
habe "präventiv ohnehin nichts bewirkt". | |
Die Linkspartei-Abgeordnete Christiane Schneider zollte Neumann für den | |
"überraschenden Schritt" Respekt. "Die Videoüberwachung hatte präventiv | |
keinen praktischen Effekt", so Schneider, und für Strafverfolgungsmaßnahmen | |
habe der Senat "keine Gesetzeskompetenz". | |
15 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil zu Videoüberwachung: Die Öffentlichkeit im Visier | |
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet heute, inwieweit die | |
Videoüberwachung öffentlicher Plätze rechtens ist. Kriminalität hat sie | |
jedenfalls nicht verhindert. | |
Kommentar Videokameras: Die Einsicht des Senators | |
Die Videokameras haben vor Straftaten nicht abgeschreckt und stellen einen | |
Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung dar. |