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# taz.de -- Tierschutz-Bürgerinitiativen: Das Klima ist entscheidend
> Immer mehr Initiativen wehren sich gegen die Industrialisierung der
> Landwirtschaft, ein Multi-Milliarden-Euro-Geschäft. Neue Serie der taz
> nord.
Bild: Kunsthandwerk: plastischer Protest gegen die Massentierhaltung.
BREMEN taz | Zum rustikalen Gegenangriff gegen Kritiker bläst jetzt der
Bauernverband, der in Niedersachsen Landvolk heißt. So wirft dessen Land &
Forst-Magazin jetzt den zahlreichen norddeutschen Bürgerinitiativen gegen
industrielle Mastanlagen vor, sie nähmen "das demokratische Recht der
Mitsprache und des Protestes überzogen in Anspruch".
Wo genau und wie - mit solchen Feinheiten hält sich der Autor nicht auf:
Tatsächlich ist ja auch die Zahl der Initiativen längst unüberschaubar
geworden. Allein in Niedersachsen geht sie in die Hunderte. Bunt sind ihre
Protestformen, vielfältig ist die Herkunft der Akteure. Die
Gründungsanlässe sind fast immer Bauprojekte: riesige Ziegenställe,
Schweine-, Rinder-, Puten-Fabriken und am häufigsten die standardisierten
Anlagen für Fleischhähnchenaufzucht, à 40-, 80-, oder 120-tausend Stück
Geflügel. Letztere gibts nur in Mecklenburg-Vorpommern.
Aber drauf gepfiffen! - Für den Landvolk-Autoren sind sie alle gleich. Und
alle verantwortlich für den Brand einer im Bau befindlichen Mastanlage in
Vechelde bei Salzgitter am 15. Juli. Denn, so seine Begründung,
"entscheidend ist das Klima".
Das ist kein Ausreißer: Zwar hatte Verbandspräsident Werner Hilse im selben
Heft davor gewarnt, "aus dem Fall politisches Kapital schlagen" zu wollen.
Doch zugleich warf er dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft, Eckehard Niemann, vor, "sich mit den Brandstiftern auf eine
Stufe" zu stellen. Niemann berät zahlreiche Initiativen. Und tatsächlich
hatte er sich per Pressemitteilung zum Fall Vechelde geäußert: Es sei
falsch, vorschnell von Brandstiftung zu reden. Oft komme es wegen
"technischer Defekte" zu Bränden, nicht selten zum Schaden der Tiere.
Gerade deshalb hatte Niemann angemahnt, die Landes-Bauordnungen umzusetzen,
nach denen im Brandfall auch die Rettung von Tieren möglich sein muss.
Geltendes Recht umsetzen - ein Politikum? In der Tat, die Frage sorgt für
Nervosität. Denn seit der Emsland-Kreis auch auf die Einhaltung dieses
Gesetzes achtet, konnte er keine Anlage mehr genehmigen. Aufs Problem
hingewiesen hatte die Verwaltung - eine Bürgerinitiative.
Das Klima ist entscheidend - der Satz bleibt richtig: Das Aufblühen der
Initiativen zeigt, dass sich das Klima für die Agrarindustrialisierung
verschlechtert. Misslich für den Bauernverband, der diese seit den 1970ern
betreibt - zum Profit seiner Funktionäre. So verdient Verbandspräsident
Hilse auch als Aufsichtsrat des Fleischkonzerns Vion, der Softwareschmiede
Land-Data und der Tierversicherung Geld. Zugleich ist er
Vize-Vorstandsvorsitzender des Stärkeherstellers Avebe, der gentechnisch
veränderte Kartoffeln anbietet.
"Es handelt sich hier um kein Milliardenprojekt wie Stuttgart 21", hatte
Hilse den Inis noch ins Stammbuch geschrieben. Doch das Gegenteil ist wahr:
Es geht um deutlich mehr als viereinhalb Milliarden Euro. Der Protest
stellt genau das Geschäftsmodell infrage, das Hilse bislang Gewinn machen
lässt. Der Widerstand erweitert sich. Er zielt, mehr und mehr, aufs Ganze.
Die taz nord versucht in den kommenden Wochen mit einer Serie seine Umrisse
zu zeichnen.
25 Jul 2011
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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