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# taz.de -- DIE AGRAR-INITIATIVEN (2): Synopse des Grauens
> Norddeutschland ist das Lieblingsspielfeld der Agrarindustrie. Immer
> größere neue Stallanlagen sind geplant. Aber die BürgerInnen spielen
> nicht mehr mit: taz nord stellt Bündnisse, Initiativen und Vereine vor,
> die sich wehren. Heute: Schwarm-Intelligenz aus Springe.
Bild: Überwuchert: proMUT zeichnet ein treues Bild des Stallbau-Booms.
Ohne sie hätte niemand den Überblick. "Wir wissen", sagt Ulrich Schulze vom
Pro Mut-Verein in Springe, "dass auch Landmaschinen-Vertreter unsere Karte
benutzen." Das war so nicht geplant. Es lässt sich aber nicht verhindern.
Denn was den Einen Synopse des Grauens, ist den Anderen eine
Marktübersicht. Und die Karte auf der Website des Vereins zeichnet,
Googlemaps basiert, ein treues Bild des Stallbau-Booms: Ganz überwuchert
von blauen, roten und gelben Markierungen - Legehennen, Broiler, Mastputen
- sind Westniedersachsen und nördliches Mecklenburg-Vorpommern. Dass es da
auch so etwas wie Landschaften gibt, lässt sich im Zoom erkennen: Sieh an,
Brockum, wo mit 258.000 Plätzen Niedersachsens größte Mastanlage entsteht,
liegt mitten im Naturpark Dümmer!
"Vollständig wird die Karte wohl nie", sagt Schulze. Die Kreisverwaltungen
schweigen meist - obwohl sie ja die Anlagen genehmigen. Man ist auf
Hinweise angewiesen. Aber die Karte wächst. Wie der Verein - und sein Ruf:
Schon gehört er zum Koordinierungskreis des bundesweiten Bündnisses
"Bauernhöfe statt Agrarfabriken", neben altbewährten Organisationen wie dem
Evangelischen Entwicklungsdienst, dem Tierschutzbund, Pro Vieh oder dem
BUND. Dabei gibts den Verein für Menschen, Umwelt und Tiere - Pro Mut -
erst seit Herbst. Und die Bürgerinitiative (BI) Springe, aus der er
hervorging, hatte sich auch erst gegründet, nach einem Bericht der
Lokalzeitung über eine geplante Mastanlage im Ortsteil Boitzum am 30. April
2010. Deren Genehmigung versucht man nach wie vor zu verhindern, die BI
arbeitet weiter.
Aber die Stärke von Inis, die unmittelbare Betroffenheit ihrer Mitglieder,
das klar definierte, lokale Problem, ist oft auch ihre Schwäche: Sie neigen
zum Sankt-Florianismus. Und sie rennen gegen ihre kommunale Verwaltung an.
Oft lässt man sie da nur auflaufen. "So sind halt die Gesetze - das ist der
Standardspruch", sagt Schulz. In den flüchten sich alle, die ein Thema
nicht angehen wollen. Aber Gesetze sind nicht einfach so, sie sind nicht
starr. Und die Ignoranz von Anliegen fällt schwerer, wenn sich die
Organisationsform verfestigt, sich der Problemkreis erweitert, sich die
Gruppe vergrößert. "Wir haben schnell gemerkt, dass um uns herum das
Gleiche passiert", sagt Schulz, "und dann die anderen BIs aus unserer
Region hier eingeladen - damit man sich gegenseitig unterstützen kann." Aus
dem Treffen hervorgegangen ist das Bündnis der Calenberger Initiativen -
benannt nach der Gegend zwischen Deister und Leine, südwestlich von
Hannover. Für viele ist die Region Hannover die Genehmigungsbehörde. Auf
deren Gebiet ist noch kein industrieller Stall genehmigt. Demnächst
entscheidet die Verwaltung über eine beantragte Anlage für 84.000 Broiler
in Großmunzel. Ein Präzedenzfall, wichtig, weils vom Calenberger Land nur
ein Eierwurf ist bis Wietze.
Pro Mut verfolgt einen solidarischen Ansatz, also das Gegenteil des Sankt
Florians-Prinzips. Und viel effizienter. Denn die meisten Menschen sind
weder Agrarwissenschaftler noch Verwaltungsrechtler. Schulze etwa ist
Zahnarzt, in der Gruppe machen Rentner mit und junge Familien,
Selbstständige und Angestellte, "wirklich quer durch die Bevölkerung", so
Schulze.
Klar hat die Gegenseite einen Wissensvorsprung. Aber der schmilzt rapide,
wenn man Fachwissen, Gutachten, Einzelerfahrungen sammelt, aufbereitet und
zugänglich macht. Dann wird plötzlich, für jede neue BI zum
Allgemeinwissen, wie die Gesetze wirklich sind, welche bau- und
umweltrechtlichen Mängel bisherige Genehmigungen haben, und wo man
Gleichgesinnte findet. Und dann muss selbst die Gegenseite auf die
Online-Ressourcen des Widerstands zugreifen: Um sich den Überblick zu
verschaffen, über die Wucherungen des eigenen Gewerbes.
28 Jul 2011
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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