# taz.de -- Transparenzmangel bei Jobcenter: Nur nicht in die Karten schauen la… | |
> Einige Jobcenter in Baden-Württemberg und Bayern ignorieren das | |
> Informationsfreiheitsgesetz. Dagegen will der Erwerbslosenverein | |
> Wuppertal nun klagen. | |
Bild: Viele Jobcenter wollen ihre Daten nicht herausgeben. Diese zeigen, wie di… | |
BERLIN taz | Einigen Jobcentern in Baden-Württemberg und Bayern fällt der | |
transparente Umgang mit ihren Daten offensichtlich schwer. Harald Thomé, | |
Vorsitzender des Erwerbslosenvereins Tacheles in Wuppertal, wirft ihnen | |
deshalb "Rechtsbruch" vor. Thomé hatte Anfang Juni 135 Jobcenter aus beiden | |
Bundesländern dazu aufgefordert, ihre Verwaltungsanweisungen zu | |
unterschiedlichen kommunalen Leistungen bei Hartz IV zu veröffentlichen. | |
Die Daten zeigen, wie die Jobcenter ihre Spielräume beim Umgang mit den | |
Kosten nutzen, die für Heizung und Miete, beim Bildungspaket für Kinder, | |
bei der Erstausstattung für ein neugeborenes Kind oder eine neue Wohnung | |
anfallen. "Die eine Stadt gibt da höchstens 600 Euro, die andere 1.800 | |
Euro", sagt Thomé. | |
Doch etliche Jobcenter wollten ihre Daten nicht öffentlich machen. In | |
Bayern antworteten 58 von 88 angefragten Jobcentern erst gar nicht. Nur elf | |
gaben die Unterlagen vollständig heraus, der Rest tat es teilweise oder | |
erbat sich eine längere Frist. In Baden-Württemberg stellte Thomé 47 | |
Anfragen. 13 Jobcenter übten sich in voller Offenheit, 30 reagierten nicht, | |
der Rest verzögerte oder gab Teile der Daten heraus. Thomé beruft sich auf | |
das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) von 2006. Danach hat jeder | |
Bürger einen Anspruch darauf, dass öffentliche Stellen des Bundes ihm | |
Zugang zu Unterlagen gewähren. Egal ob er von einer Sache betroffen ist | |
oder nicht. | |
## 60 Jobcenter verweigern noch immer die Daten | |
Auch wenn unter dem Dach der Jobcenter Bund und Kommune zusammenarbeiten, | |
sind Städte und Kreise in die Informationspflicht ausdrücklich mit | |
eingeschlossen. So steht es im Zweiten Sozialgesetzbuch. Zurückhalten | |
dürfen die Behörden nur Dokumente mit Personal- und Geschäftsgeheimnissen | |
oder Daten, die die öffentliche Sicherheit gefährden könnten. | |
Für Thomé steht fest: "Betroffene haben ein Recht zu erfahren, wie ihr | |
Jobcenter unbestimmte Rechtsbegriffe aus den Hartz-IV-Gesetzen in der | |
Praxis auslegt." Thomé schickte eine zweite Aufforderung an die Behörden. | |
Daraufhin gaben zehn weitere Center die Daten heraus, andere reagierten zum | |
ersten Mal und erbaten eine Fristverlängerung. Doch noch immer ignorierten | |
mehr als 60 Ämter die Anfrage. | |
Am Anfang wollte auch das Jobcenter im bayerischen Landkreis Rottal-Inn | |
keine Daten bereit stellen. Geschäftsführer Rainer Blank warnte Thomé: | |
Sollte dieser mit den Informationen "unzulässige Rechtsberatung betreiben | |
wollen, müsste ich Sie bei der Rechtsanwaltskammer melden". Blank schreibt | |
weiter, alle nicht öffentlich einsehbaren Daten seien für Thomé "nicht | |
relevant", da es sich um "interne, lokale Verwaltungsvorschriften handelt | |
und Sie bei uns keinen Anspruch auf individuelle Leistungen erhoben haben". | |
Diese Argumentation jedoch widerspricht dem IFG. Mittlerweile lenkt das | |
Jobcenter ein: "Wir werden die Daten herausgeben", sagte Blank zur taz. Die | |
Jobcenter-Regionaldirektion in Nürnberg habe diese Weisung erteilt. | |
Gegen die unwilligen Jobcenter will Thomé klagen: "Das wird wohl ein | |
Drittel der angefragten Jobcenter betreffen." Bis Anfang August haben die | |
Behörden noch Zeit, zu handeln. Das IFG bestimmt, dass die Bürger nur einen | |
Monat auf ihre Daten warten sollen. | |
Die Chancen für den Erfolg einer Klage stehen nicht schlecht. Thomé und der | |
Tacheles-Verein bekamen schon einmal Recht: Mitte 2006 zwangen sie die | |
Bundesagentur für Arbeit vor Gericht dazu, alle ihre Dienstanweisungen im | |
Internet zu veröffentlichen. | |
28 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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