# taz.de -- Kommentar Arbeitslosenzahlen: Die Messlatte liegt woanders | |
> Eine individualisierte Gesellschaft braucht mehr Messlatten für | |
> Wohlbefinden als eine Durchschnittszahl aus Nürnberg, auch wenn diese | |
> erfreulich ist. | |
So viel Glück muss man als Politikerin erst mal haben: Im Juli ist die Zahl | |
der Arbeitslosen saisonbereinigt weiter gesunken, auf den niedrigsten | |
Juli-Wert seit der Wiedervereinigung. | |
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) profitiert vom positiven | |
Trend, und das, obwohl sie bei den Beschäftigungsmaßnahmen kürzte. Die | |
Erwerbslosenzahlen sinken wegen der guten Konjunktur, Deutschlands Position | |
in der Weltwirtschaft und des demografischen Rückgangs, der wiederum den | |
Rentenversicherern zu schaffen macht. | |
Die nationale Arbeitslosenzahl ist aber eine Durchschnittszahl. Sie | |
verbirgt, dass in fünf Bundesländern der Anteil der Hartz-IV-Empfänger | |
steigt und dass es etwa für Behinderte schwieriger geworden ist, einen Job | |
zu finden. | |
Zudem liegen die Messlatten für Wohlbefinden und Gerechtigkeit heute | |
vielleicht ganz woanders und nicht mehr in der monatlichen Statistik aus | |
Nürnberg, die zum politischen Fetisch geworden ist. | |
Auf dem Jobmarkt der alternden Gesellschaft tun sich nämlich neue soziale | |
Risse auf. Etwa in der Bezahlung: Die Löhne der mittleren und | |
Niedrigverdiener sinken, während die Hochverdiener zulegen. In Zeiten, wo | |
man immer mehr Gesundheitsleistungen und Altersvorsorge selbst bezahlen | |
muss, ist das Geld aber nicht nur für den Konsum wichtig, es sichert auch | |
medizinische Versorgung und die Würde im Alter. | |
Dann die Jobsicherheit: Als Zeitarbeiter kann ich Biografie und Familie | |
nicht so planen wie als Beamter. Und schließlich klafft ein Riss zwischen | |
jenen, die sich in Verschleißjobs verausgaben müssen und den anderen, die | |
Arbeit als Stärkung erleben dürfen. Diese Unterschiede spielen eine große | |
Rolle, wenn man auch mit 62 Jahren noch arbeiten muss. | |
Es ist Zeit, für diese Verhältnisse neue Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. | |
Eine individualisierte Gesellschaft braucht mehr Messlatten für | |
Wohlbefinden als eine Durchschnittszahl aus Nürnberg, auch wenn diese | |
erfreulich ist. | |
28 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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