# taz.de -- Bericht zum Informationsfreiheitsgesetz: Wenn die Bürger wissen wo… | |
> Die Zahl der Anfragen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes hat | |
> sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Doch die Behörden mauern | |
> oft. | |
Bild: Auf dem Amt gibt es keine Auskunft. | |
BERLIN taz | Vorbei die Zeit der reinen Journalistenanfragen: Während | |
früher nur Spezialisten nachhörten, fordern heute auch normale Bürger öfter | |
ihr Recht auf amtliche Informationen von Bundesbehörden ein. Das geht aus | |
dem aktuellen Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hervor, den der | |
Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, | |
am Dienstag in Berlin vorstellte. | |
Demnach haben sich die Anfragen im Rahmen des 2006 eingeführten | |
Informationsfreiheitsgesetzes innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Im | |
Jahr 2011 erhielten Bundesbehörden insgesamt 3.280 Anfragen zu ihrer | |
Tätigkeit, 2010 waren es noch 1.557 Anfragen. „Besonders interessieren die | |
Menschen die Hintergründe von Arzneimittelzulassungen und | |
Finanzdienstleistungen“, sagte Schaar. | |
Er kritisierte, dass sich im Bereich Finanzdienstleistungen „ein breites | |
Bündnis von Verwaltung und Banken gegen den Zugang zu Informationen“ | |
gebildet habe. Viele Bürger wollten wissen, ob Banken und Versicherungen | |
sie schlecht beraten haben und Risiken von Geschäften um das Crashjahr 2008 | |
besser abschätzen konnten, als sie zugeben. Die Bundesanstalt für | |
Finanzdienstleistungsaufsicht lehne jedoch viele der Anfragen ab und | |
verweise dabei pauschal auf die Wahrung von Betriebs- und | |
Geschäftsgeheimnissen der betreffenden Banken. | |
Diese stellt neben „Gefahr der öffentlichen Sicherheit“ oder | |
„unverhältnismäßigem Aufwand“ einen sogenannten Ausnahme-Tatbestand dar, | |
wegen der Behörden Auskünfte verweigern können. Seit 2010 erreichten Schaar | |
insgesamt 276 Beschwerden von Bürgern, die abgewiesen wurden, gegenüber der | |
Kassenärztlichen Vereinigung und dem Bundesinnenministerium sprach er auch | |
Beanstandungen aus, die jedoch nur den Charakter einer öffentlichen Rüge | |
haben. „Viele dieser Ausnahme-Tatbestände sind längst nicht mehr zeitgemäß | |
und müssen überprüft werden“, sagte Schaar. | |
Er sieht in der Bevölkerung einen Trend hin zu mehr Transparenz und | |
Beteiligung. „Dieser kristallisiert sich klar im Erfolg der Piratenpartei.“ | |
Die Regierung müsse darauf reagieren. Ihre Behörden sollten nicht nur auf | |
Antrag informieren, sondern „Open Government“ praktizieren. Etwa wie | |
Slowenien, wo die Regierung alle Verträge öffentlicher Einrichtungen ins | |
Internet stellt. | |
## Neues Transparenzgesetz | |
Und vielleicht auch bald in Hamburg. Dort haben die Bürger von den üblichen | |
Informationsfreiheitsgesetzen genug, in denen Formulierungen wie „die | |
Behörden sollen möglichst transparent arbeiten" stehen. „Die | |
Kostenexplosionen bei der Elbphilharmonie haben gezeigt, dass das nicht | |
reicht“, sagt Daniel Lentfer, Landesgeschäftsführer des Vereins Mehr | |
Demokratie. Zusammen mit Transparency International und dem Chaos Computer | |
Club haben sie deshalb den Entwurf für ein Transparenzgesetz auf den Weg | |
gebracht. | |
Er sieht vor, alle öffentlichen Verträge und Gutachten der Hamburger | |
Bürgerschaft in einem zentralen Informationsregister zu dokumentieren. Aber | |
interessiert das die Bürger überhaupt? „Natürlich ist das erstmal ein | |
unattraktiver Datenwust, den man aufbereiten muss“, sagt Lentfer. Doch der | |
Aufwand könne kein Vorwand der Politik sein, die Rohdaten nicht zu | |
veröffentlichen. „In der Zivilgesellschaft gibt es viele Gruppen, die Daten | |
liebend gern aufbereiten würden - hier besteht auch ein enormes | |
wirtschaftliches Potential für moderne Dienstleister“, sagt der Aktivist. | |
Was man mit Rohdaten alles anfangen könne, sehe man an Initiativen wie | |
offenerhaushalt.de. Die Gefahr, dass ein Informationsoverkill auch zu | |
Gleichgültigkeit führen könne, sieht Lentfer nicht: „Wenn ein Bürger die | |
Möglichkeit hat, politische Aktivitäten in seinen Interessenbereichen | |
genauer unter die Lupe zu nehmen, wird das neues Interesse an der Politik | |
insgesamt wecken.“ | |
24 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
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