# taz.de -- Straßenschlachten in britischen Städten: Cameron will härter dur… | |
> Gegen die Krawalle könnten jetzt auch Wasserwerfer eingesetzt werden, | |
> sagt Premierminister David Cameron. Es herrsche "vollkommene | |
> Verantwortungslosigkeit" in Teilen der Gesellschaft. | |
Bild: Eine von über 1.000 Verhaftungen: Croydon, Südlondon. | |
LONDON dapd/afp/dpa | Nach vier Nächten der Gewalt in Großbritannien hat | |
Premierminister David Cameron ein härteres Durchgreifen gegen Randalierer | |
angekündigt. Angesichts der landesweiten Krawalle müssten alle denkbaren | |
Schritte zur Wiederherstellung der Ordnung ergriffen werden, sagte er am | |
Mittwoch. | |
Erwogen werde auch der Einsatz von Wasserwerfern. Während in London etwa | |
16.000 Polizisten in der [1][Nacht zum Mittwoch] weitgehend für Ruhe | |
gesorgt hatten, war es stattdessen in Manchester und anderen Städten zu | |
Ausschreitungen gekommen. | |
In Teilen der britischen Gesellschaft herrsche vollkommene | |
Verantwortungslosigkeit, sagte Cameron bei einer Pressekonferenz am | |
Mittwoch weiter. Wenn man sehe, wie Jugendliche Geschäfte plündern und | |
dabei lachten, sei klar, dass in der Gesellschaft etwas nicht stimme. "Das | |
ist ein moralisches wie politisches Problem", sagte der Premierminister. | |
## Rache in Birmingham befürchtet | |
Während der schweren Ausschreitungen in Großbritannien sind in Birmingham | |
drei Männer auf einem Bürgersteig von einem Autofahrer überrollt und | |
getötet worden. Zeugen sagten dem britischen Fernsehsender BBC, das mit | |
vier Männern besetzte Auto sei mit hoher Geschwindigkeit direkt auf die | |
Einwanderer zugerast. Die Opfer, die nach Angaben der Zeugen Geschäfte | |
ihrer Wohngegend vor Plünderern schützen wollten, starben noch in der Nacht | |
im Krankenhaus. Die Polizei ermittelt wegen Mordes gegen einen 32-Jährigen, | |
zu dessen Identität zunächst keine näheren Angaben vorlagen. Ein Fahrzeug | |
sei beschlagnahmt worden, teilte ein Sprecher mit. | |
Beobachter befürchten nun mögliche Racheaktionen in der Stadt, die für ihre | |
rivalisierenden Gruppen von Jugendlichen verschiedener Herkunft bekannt | |
ist. Sozialarbeiter und Gemeindevertreter appellierten an die Bevölkerung, | |
das Gesetz nicht selbst in die Hand zu nehmen. | |
In der Nacht hatten sich 200 Menschen vor dem Krankenhaus versammelt. Ein | |
Geistlicher vor Ort erzählte der BBC, er habe an einem Treffen der lokalen | |
Parlamentsabgeordneten mit etwa 40 Muslimen der Gegend teilgenommen. "Es | |
gab verschiedene Stimmen, (...) manche sprachen von Vergeltung." | |
Die Polizei bestätigte zunächst keine direkte Verbindung zu den Krawallen | |
in der Stadt. Allerdings erwähnte Premierminister David Cameron die Opfer | |
in einem Statement zu den Ausschreitungen. | |
Zeugen hatten berichtet, Randalierer hätten kurz zuvor in der Nähe ein Auto | |
in Brand gesteckt. Dann seien mehrere Autos vorbeigefahren, aus denen | |
Männer geschrien hätten, bevor einer der Wagen umgekehrt sei und die Männer | |
im Alter von 21, 30 und 31 Jahren überfahren habe. "Es hat nicht länger als | |
sechs Sekunden gedauert", sagte ein Zeuge. | |
## Gespenstische Ruhe in den Straßen | |
Die Londoner Polizei erklärte, ihre massive Präsenz werde mindestens | |
während der kommenden 24 Stunden aufrechterhalten. In den Straßen herrschte | |
in der vierten Nacht seit Beginn der Unruhen gespenstige Ruhe. In | |
Manchester dagegen lieferten sich Hunderte Randalierer Straßenschlachten | |
mit der Polizei und setzten Geschäfte in Brand. Auch aus kleineren Städten | |
wie Leicester, Wolverhampton, West Bromwich und Nottingham wurden | |
Ausschreitungen gemeldet. | |
In Manchester wurden nach Angaben der Polizei rund 50 Personen | |
festgenommen. "Eines ist absolut klar: Sie haben nichts, wogegen sie | |
protestieren müssten", sagte der stellvertretende Polizeichef Garry Shewan. | |
"Es gibt keine Ungerechtigkeit und kein Ereignis, das das ausgelöst hat." | |
In London nahm die Polizei bisher 685 Menschen fest. Gegen mehr als Hundert | |
mutmaßliche Randalierer wurde Anklage erhoben. Unter den Beschuldigten ist | |
auch ein elfjähriges Kind. Seit Beginn der Ausschreitungen am Samstagabend | |
nach dem Tod eines vierfachen Familienvaters bei einem Polizeieinsatz | |
wurden landesweit mehr als 1.100 Menschen festgenommen. | |
## Viele Geschäfte vorzeitig geschlossen | |
In London hatten viele Geschäfte, Büros und Restaurants aus Sorge vor neuen | |
Unruhen am Mittwochabend vorzeitig geschlossen. In vielen normalerweise | |
belebten Straßen herrschte Stille. Einige Bewohner der Hauptstadt | |
bereiteten sich darauf vor, ihre Häuser und Geschäfte zu schützen. Im | |
Westen Londons formierten sich Anwohner vor einem Sikh-Tempel, um das | |
Gotteshaus gegen Randalierer zu verteidigen. | |
Unterdessen wurden in London Forderungen nach einem robusteren Auftreten | |
der Polizei laut. Der konservative Abgeordnete Patrick Mercer verlangte den | |
Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern. Die Öffentlichkeit wolle ein | |
entschlossenes Handeln sehen, sagte auch der Leiter der Fakultät für | |
Kriminologie an der Universität von Ostlondon, Andrew Silke. Der Chef der | |
rechtsextremen English Defense League (EDL) kündigte an, die Gruppe wolle | |
[2][Mitglieder auf die Straßen schicken], um die Unruhen in mehreren | |
britischen Städten zu ersticken. | |
10 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] /ber-1100-Festnahmen-nach-Krawallen/!75997/ | |
[2] /Strassenschlachten-in-britischen-Staedten/!76013/ | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sondersitzung des britischen Parlaments: Polizei bekommt mehr Spielraum | |
Premierminster David Cameron bekräftigte, dass gegen die Randalierer hart | |
durchgegriffen werde. Zudem werde geprüft, ob soziale Online-Netzwerke | |
eingeschränkt werden könnten. | |
Britische Indie-Musik durch Brand zerstört: When the music is over | |
Im Nord-Londoner Stadtteil Enfield ging während der aktuellen Krawalle in | |
Großbritannien ein Sony-Lagerhaus mit hunderttausenden von Indie-Tonträgern | |
in Flammen auf. | |
Schnellverfahren in London: "Er ist eine Gefahr" | |
Im Akkord werden in London festgenommene Randalierer Haftrichtern | |
vorgeführt. 15 Minuten nehmen die sich um zu entscheiden, ob der Betroffene | |
in Untersuchungshaft bleiben muss. | |
Kommentar Ausschreitungen Großbritannien: Königreich der Ungleichheit | |
David Cameron macht es sich zu einfach mit seiner Verurteilung der | |
"Vandalen und Plünderer". Die aktuellen Krawalle sind Proteste der Angst. | |
Londons Oberbürgermeister: Energisch und ironisch | |
Boris Johnson war früher Vizechef der konservativen Tageszeitung "Daily | |
Telegraph" - heute ist er der Oberbürgermeister der Hauptstadt Englands. | |
Straßenschlachten in britischen Städten: Rechtsextreme wollen eingreifen | |
Die rechtsextreme "English Defence League" kündigt an, gegen die | |
Randalierer vorgehen zu wollen. In Birmingham hat die Polizei Ermittlungen | |
wegen Mordes eingeleitet. | |
Blackberrys beim Aufruhr in Großbritannien: Die böse, böse Brombeere | |
Früher galt er als Pflicht für Manager, doch iPhone & Co. liefen ihm den | |
Rang ab. Nun wird ausgerechnet der Blackberry zum Werkzeug der britischen | |
Randalierer. | |
Auslöser für Londoner Krawalle: Mark Duggan hat nicht geschossen | |
Bei der Untersuchung des Todes von Mark Duggan, der am Donnerstag bei einem | |
Polizeieinsatz starb, fand sich kein Hinweis, dass er auf die Polizei | |
geschossen hat. | |
Reportage aus Tottenham: Kein Friede ohne Gerechtigkeit | |
Randalierende Jugendliche, betende Priester, überforderte Polizisten: In | |
Tottenham nahmen die Riots in Großbritannien ihren Ursprung. |