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# taz.de -- Kommentar Ausschreitungen Großbritannien: Königreich der Ungleich…
> David Cameron macht es sich zu einfach mit seiner Verurteilung der
> "Vandalen und Plünderer". Die aktuellen Krawalle sind Proteste der Angst.
Großbritannien brennt – und Premier David Cameron spricht von Randalierern,
Vandalen und Plünderern, die weder Gesetz noch moralische Grundlagen achten
würden. Doch damit macht er es sich zu einfach. Denn vom Himmel gefallen
ist diese Gewalt nicht.
Sozialarbeiter auf britischen Straßen haben lange vor der Brisanz in den
sozial schwachen Vierteln gewarnt. Und Großbritannien kann auf eine lange
Geschichte der Urban Riots zurückblicken. Doch solche Ausschreitungen wie
jetzt hat das Land seit den Tagen von Margaret Thatcher (1979-1990) nicht
mehr gesehen.
Auch die eiserne Lady wollte die britische Gesellschaft einst von Grund auf
reformieren und bediente sich dabei der Salamitaktik. Premier David Cameron
hingegen geht aufs Ganze: Mit Einsparungen von 94 Milliarden Euro hat er
das größte Kürzungsprogramm der britischen Geschichte verabschiedet - kein
Industrieland geht radikaler vor. Im öffentlichen Dienst wird massiv
gekürzt, die Studiengebühren wurden verdreifacht, viele Jugendclubs
geschlossen. Dabei ist in kaum einem Land der EU der Wohlstand so ungleich
verteilt. Auch bei der sozialen Aufwärtsmobilität schneidet das Königreich
schlechter ab als alle anderen Industriestaaten.
Die "moralischen Grundlagen der Gesellschaft" haben jedoch nicht erst die
aktuellen Krawalle beschädigt. Schon der illegale Krieg gegen den Irak hat
das Vertrauen in die Politik erschüttert. Und während die Manager wieder
Boni kassieren, bleiben die Unterschichten ohne Perspektive. In der
Abhöraffäre des Murdoch-Imperiums wurde offenbar, wie stark politische
Eliten, Medien und Polizei verbandelt sind. Und die Polizei wird in vielen
Stadtvierteln schlicht als Feind betrachtet. Seit 1998 sind in
Großbritannien mehr als 300 Menschen in Polizeigewahrsam gestorben - doch
nicht ein Polizist wurde dafür bislang verurteilt.
Bei den aktuellen Krawallen handelt es sich um Proteste aus Angst, die
keinen sozialen Regeln und Normen folgen. Doch sind hier nicht einfache
Kriminelle am Werk - es ist ein Aufstand unterprivilegierter Jugendlicher.
Nirgendwo in Europa ist die Konsumgesellschaft ausgeprägter als in England
- nirgendwo sind aber auch mehr Menschen davon ausgeschlossen. Die
Plünderungen sind Ausdruck eines abnormen Kampfs um Teilhabe in einer
Gesellschaft, der die Moral abhandengekommen ist.
10 Aug 2011
## AUTOREN
Oliver Nachtwey
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