# taz.de -- Aktion der taz-Sportredaktion: No Logo! | |
> In den nächsten zwei Wochen soll der Sport bei der taz komplett werbefrei | |
> bleiben. Alle Fotos ohne Slogans und Firmennamen. Klingt aktionistisch? | |
> Ist es auch. | |
Bild: Schießende Litfasssäule: Auf Magdalena Neuner wimmelt es nur so. | |
BERLIN taz | Die Werbung ist, egal wo wir hinkommen, immer schon da. Wir | |
sind umzingelt von Slogans, Botschaften, Labels und Firmenkennzeichen. Wir | |
sind derart daran gewöhnt, uns in einem Werbewust zu bewegen, dass wir gar | |
nicht mehr wahrnehmen, wie sehr uns die Bilderwelt prägt, beeinflusst, ja | |
vielleicht auch indoktriniert. | |
So ist die Konsumwelt nun einmal beschaffen, auch die Welt des Sports, | |
könnte man einwenden, wenn man sich's leicht machen will. Aber wer findet | |
es nicht nervtötend, wenn bei Fußballländerspielen die Bandenwerbung derart | |
flimmert, dass einem schon mal das schöne Dribbling von Mario Götze | |
entgehen kann. Es ist nicht nur eine ästhetische Zumutung, es stört | |
generell den Sportkonsum. | |
Die Professionalisierung und Durchökonomisierung des Fußballs hat dazu | |
geführt, dass dem Zuschauer immer mehr Werbung zugemutet wird. Sie befindet | |
sich nicht nur auf der Brust der Spieler, nein, neben dem Tor liegen | |
Werbeteppiche, die im Fernsehen wie dreidimensionale Aufsteller aussehen. | |
Vereine setzen auf die doppelte Werbebande, wobei die hintere bis zu drei | |
Meter hoch sein kann. | |
Es ist ein monströser Werbewall. Im Mittelkreis liegt vorm Spiel eine | |
textile Werbebotschaft. Die Spieler gehen vor dem Match über eine Matte, | |
auf dem groß ein Sponsorenname steht. Die Fifa präsentiert den "Player of | |
the Match", natürlich gesponsort von einem Biermulti. Alles, aber auch | |
wirklich alles bezieht sich im Fußball auf dessen Verwertbarkeit. | |
## Hitziger Markt | |
Kein Wunder, dass der Fußballmarkt in den vergangenen zwei Jahrzehnten | |
hitziger und hektischer geworden ist: 1992 verkauften die englische | |
Profiklubs ihre Fernsehrechte für 11 Millionen Pfund, jetzt sind es über | |
1,2 Milliarden Pfund. 1992 setzten die 92 obersten englischen Klubs 263 | |
Millionen um, heute sind es mehr als 2,7 Milliarden. "Die Erste Bundesliga | |
stellt in allen untersuchten Erlösbereichen den zentralen Wachstumstreiber | |
dar", stellt das Marktforschungsunternehmen Sport + Markt fest. Die | |
Bundesliga-Manager erwarten weiter steigende Erlöse, "vor allem im Bereich | |
Sponsoring und Medienrechte". Allein mit dem Trikotverkauf haben die von | |
Sport + Markt befragten 182 europäischen Erstligisten in der Saison 2009/10 | |
über 13,7 Millionen Euro eingenommen. | |
Die Werbewirkung ist umso größer, je mehr Zuschauer oder Leser das Logo vom | |
Sponsor sehen. Es muss im Bild sein. Möglichst oft. Es muss natürlich auch | |
auf Sportbildern drauf sein, die in der Zeitung erscheinen. Auch in der taz | |
findet sich die Werbung von Sponsoren auf Sportfotos. Ein, zwei Logos sind | |
fast immer auf einem Sportfoto zu finden, manchmal auch vier, fünf oder | |
sechs. Gerade in Sportarten wie Biathlon, Handball oder Eishockey, die auf | |
Sponsoren-Patchwork setzen müssen, weil das ganz große Geld fehlt, | |
erscheinen die Profis oft als wandelnde Litfaßsäulen. Die Sportpresse macht | |
sich mit dem Abdruck der Bilder zum Erfüllungsgehilfen der Vereine und | |
Sponsoren. Sie trägt die Werbebotschaft ungefiltert zu den Abonnenten. | |
## Blitzinterview vor Werbetafel | |
Am krassesten wird sichtbar, was die Fußballwelt im Innersten zusammenhält, | |
wenn sich Fußballer zum Blitzinterview vor eine Werbetafel stellen, auf der | |
nicht selten zehn Sponsoren zu sehen sind. Der Spieler darf sich erst dann | |
äußern, wenn man die mobile Tafel hinter ihn geschoben hat. Das Fernsehen | |
macht mit bei diesem Spiel, denn als Rechteinhaber haben die TV-Anstalten | |
sich dazu verpflichtet. | |
Anders die Presse. Sie kann filtern und sortieren, kann Sponsorennamen bei | |
der Nennung von Stadien weglassen, was auf den taz-Leibesübungen schon | |
länger passiert. Und sie könnte die Logos von Brustsponsoren auf Fotos | |
verdecken oder verpixeln, was wir jetzt zwei Wochen lang tun wollen, um zu | |
zeigen, wie allgegenwärtig und aufsässig die Werbung im Sport ist. Nach | |
diesen zwei Wochen wollen wir dann möglichst jene Fotos aussuchen, die viel | |
Sport zeigen und wenig Sponsoren. Immer wird das nicht gelingen. In diesen | |
Fällen werden wir dann weiterhin zum Mittel der Unkenntlichmachung greifen. | |
Es ist ein Versuch, ein Test - vielleicht auch ein Kampf gegen Windmühlen. | |
Aber wir wollen demonstrieren, dass es auch anders gehen kann. | |
In den 80er Jahren war auch das Fernsehen noch anders gepolt. Für | |
Bundesliga-Spiele, die in der "Sportschau" nicht im Zusammenschnitt | |
präsentiert wurden, gab es so etwas wie eine mündliche Zusammenfassung des | |
Spielgeschehens. Dabei wurde das Standbild eines Profis eingeblendet. Und | |
siehe da: Über dem Brustsponsor prangte ein schwarzer Balken. Lang ists | |
her. Für Fernsehleute mag das ein putziges Zeitdokument aus der Steinzeit | |
der Fußballpräsentation sein. Wir wollen dennoch wieder mit dem Balken oder | |
dessen digitaler Weiterentwicklung, der Verpixelung, arbeiten. | |
## Vorbild US-Sport | |
Dass auch Fußballfans auf das sponsorenfreie Trikot stehen, steht ja außer | |
Frage. Leibchen, die ohne Brustsponsor verkauft werden, weil der Verein zu | |
Saisonbeginn noch keinen Geldgeber gefunden hat, sind besonders begehrt. | |
Geradezu vorbildlich gerierte sich der FC Barcelona, der jahrzehntelang | |
ohne Brustsponsor auskam, jetzt aber für eine katarische Stiftung wirbt. | |
Auch der US-Sport zeigt, dass man es besser machen kann. Weder auf dem | |
Trikot eines Basketballers der NBA, noch eines Baseballers noch eines | |
Footballers prangt Werbung. Stattdessen: nur der Name des Klubs. Auch in | |
diesen Ligen werden Millionen und Abermillionen von Dollar bewegt. | |
Letztlich ist es doch so: Nur wer dem Sirenengesang der Werbung widersteht, | |
ist ein mündiger Bürger. Oder anders gesagt: Nur wer sich den wachen Blick | |
für die Allgegenwart der Sportwerbung erhält, ist ein mündiger | |
Sportkonsument. | |
13 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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