# taz.de -- Unfreiwillige Werbung: Mumpitz oder Denkanstoß? | |
> Die Aktion der taz, Sponsoren-Schriftzüge auf Sportfotos zu verpixeln, | |
> hat ein zwiespältiges Echo hervorgerufen. Eine erste Bilanz. | |
Bild: Felix Magath, Trainer des VfL Wolfsburg, vor einer neuen Werbewand (die t… | |
Verpixelung? Was soll das Ganze eigentlich? | |
Zunächst gibt es ein ästhetisches Unbehagen an der überbordenden Werbung im | |
Sport. Man könnte auch sagen: Das Ganze nervt ganz schön. Besonders | |
anstrengend: LED-Werbebanden und Werbe-Klein-Klein auf Trikots. So etwas | |
stört nicht nur uns, die taz-Sportredaktion. Das stört auch die Sportfans, | |
die sich fragen, welches Primat denn gilt: das des Sports oder das der | |
Werbung. Die Werbung im Fußball, Biathlon oder Handball ist mit den Jahren | |
der Kommerzialisierung einfach zu aufdringlich, zu omnipräsent geworden. Da | |
müssen intelligentere Lösungen her. Zum Beispiel: Weg mit dieser | |
Flimmerbande. Weg mit dem Werbepatchwork auf dem Sportlertrikot. | |
Die Ästhetik? Das kann doch nicht alles sein? | |
Ist es auch nicht. Diese ästhetischen Bedenken sind eigentlich zweitrangig, | |
wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich die Zeitungen auf einen | |
kostenlosen Abdruck von Werbung auf Sportfotos einlassen. Das ist unser | |
zweiter Ansatzpunkt. Auf einem ganz normalen Sportfoto sind im Schnitt zwei | |
bis drei Logos zu sehen, manchmal auch sieben oder acht. Die werden einfach | |
so abgedruckt. Das geschieht unentgeltlich. Wir wollten aus dieser | |
Verwertungskette ausscheren und sagen: Wir sind nicht mehr bereit, Eure | |
Werbebotschaft auf Trikots und Werbebanden zu verbreiten. Es kann ja auch | |
nicht Aufgabe einer Zeitung sein, die mit kritischer Distanz über Sport | |
berichtet, täglich kostenlose Werbung von Vereinen und deren Sponsoren ins | |
Blatt zu heben. Wir wollen durch die Verpixelung journalistisch noch | |
unabhängiger werden. | |
Aber das halten doch bestimmt viele Kollegen für einen ziemlichen Mumpitz? | |
Na ja, Printkollegen loben in der Mehrheit, die vom Fernsehen eher nicht, | |
aber die haben ja als Rechteinhaber auch ganz andere Zwänge. Im Netz wird | |
natürlich auch kontrovers diskutiert. Da halten sich Zuspruch und Ablehnung | |
in etwa die Waage. An unserer Aktion scheiden sich offenbar die Geister: | |
Entweder man findet sie gut oder ziemlich daneben. Zum Teil geharnischte | |
Kritik gibt es von der Werbewirtschaft und deren Interessenverbänden. Da | |
sind wir dann schon mal die Vaterlandsverräter, die die Mechanismen des | |
globalisierten Sports nicht verstanden haben und die mit dem Slogan "No | |
Logo!" zum Niedergang des Leistungssports in Deutschland beitragen. Man | |
spricht auch von Effekthascherei, Populismus, Bilderstürmerei oder | |
Verbohrtheit. | |
Und was entgegnen Sie denen? | |
Dass wir nicht die Werbung an sich abschaffen wollen und auch nicht das | |
Sportsponsoring. Beides hat seine Berechtigung. Jedes Unternehmen ist frei | |
darin, Millionen von Euro in den Fußball oder sonst wohin zu pumpen. Aber | |
wir müssen die Art und die Allgegenwart der Werbung im Sport nicht gut | |
finden. Und wir müssen uns nicht instrumentalisieren lassen, nur damit die | |
sogenannte Reichweite, ein Parameter der Werbewirtschaft, stimmt. Es heißt | |
ja, dass die Zeitungen und Magazine einen Anteil von 20 Prozent an der | |
Reichweite haben - weil sie eben brav und unentgeltlich Brustsponsoren | |
abdrucken oder gesponserte Stadionnamen im Text nennen. Das ist doch | |
absurd. Wir glauben nicht, dass die Deutsche Fußball-Liga kostenlos mit | |
einem taz-Logo werben würde - auch wenn es sich nur auf einem Foto | |
befindet. | |
Warum wird erst jetzt verpixelt? | |
Gegenfrage: Warum nicht jetzt? | |
11 Freunde-Chefredakteur Philipp Köster fragt sich, warum die taz erst | |
jetzt merkt, welch großen Einfluss die Werbung auf den Sport hat. | |
Das war uns natürlich stets bewusst. Aber wir wollten, bevor wir eine neue | |
Aktion starten, erst unser letztes Projekt abschließen: den Kampf gegen | |
Sicherheitsüberprüfungen von Journalisten im Vorfeld von | |
Sportgroßveranstaltungen. Da war es ja Usus, dass sich Journalisten, | |
wollten sie eine Akkreditierung erhalten, von Polizei und Verfassungsschutz | |
durchleuchten lassen mussten. Wer das nicht wollte, bekam keine | |
Akkreditierung. Bei der Frauenfußball-WM war das jetzt anders. Das ist ein | |
Erfolg der taz und der Journalistenverbände. Und eine gute Nachricht für | |
die Pressefreiheit. | |
Machen künftig auch andere Zeitungen bei der Verpixelung mit? | |
Nein, bis jetzt nicht. Es scheint, dass viele etablierte Medien noch nach | |
einer Haltung zu unserer Aktion suchen. Man darf nicht vergessen, dass auch | |
sie in der Zwickmühle stecken. Was würde denn passieren, wenn eine große | |
bürgerliche Zeitung das "Liga total"-Logo auf der Brust von Arjen Robben | |
verpixelt. Vermutlich würde die Telekom in dieser Zeitung nicht mehr so | |
gerne inserieren. Da kann die taz natürlich viel freier agieren. | |
Wie reagieren die Bildagenturen, deren Fotos die taz verpixelt? | |
Die Agentur dapd hat verlauten lassen, dass sie überhaupt keine Probleme | |
mit der taz-Aktion hat und auf eine konstruktive Diskussion hofft. Eine | |
Bearbeitung der Bilder ist grundsätzlich erlaubt. Das Recht, das Bild nach | |
Belieben zu bearbeiten, bezieht sich auch auf die Verpixelung. | |
Ist es nicht so, dass durch diese Aktion extra Aufmerksamkeit auf die | |
Sponsoren gelenkt wird? | |
Es mag vereinzelt Leser geben, die wissen wollen, was Magdalena Neuner auf | |
dem Gewehr stehen hat, aber viel wichtiger ist doch, dass sie sich nun mit | |
der Sache selbst beschäftigen: Warum machen sich Medien zu | |
Erfüllungsgehilfen von Vereinen und Sponsoren? Warum erwähnen | |
TV-Moderatoren immer wieder den Sponsor-Stadionnamen? Wer ist da mit wem | |
verbandelt? Wie schon erwähnt hat die taz-Sportredaktion nichts gegen | |
Sportsponsoring. Das wird auch immer wieder Thema auf unseren Seiten sein, | |
sofern es gesellschaftlich relevant und somit ein journalistisches Thema | |
ist. Etwa, warum jetzt fast jeder Bundesligist auf Solarunternehmen steht. | |
Wie geht es jetzt weiter in den Leibesübungen der tageszeitung: Bleibt es | |
bei den zwei Aktionswochen? | |
Wir werden weiter verpixeln. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Der Aufwand | |
der Verpixelung ist zum Glück auch nicht besonders hoch, die taz-Technik | |
unterstützt uns hier nach Kräften. | |
20 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
A. Rüttenauer | |
M. Völker | |
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es auch. |