# taz.de -- Die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen: Die Kämpfe der Künast | |
> Die Grüne Renate Künast will Berlin regieren - und ihr Wahlkampf läuft | |
> nicht gerade optimal. Aber Erfolg hatte sie früher gerade dann, wenn es | |
> gegen sie lief. Was ist diesmal anders? | |
Bild: Renate Künast will im Roten Rathaus den Chefsessel. | |
Renate Künast will in Berlin Bürgermeisterin werden. Sie will die zweite | |
grün geführte Regierung bilden - nach Winfried Kretschmann in | |
Baden-Württemberg. Einen Monat vor der Wahl am 18. September liegt sie | |
hinter der SPD. Was kann man aus ihrer Biographie für die aktuelle | |
Situation lernen? | |
Runde eins, 1977: Künast wird Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt | |
Berlin-Tegel, dem größten Gefängnis Westeuropas. Ein neues | |
Strafvollzugsgesetz ist gerade in Kraft getreten. Vorher sei es vor allem | |
darum gegangen, aufzupassen, dass die Gefangenen nicht weglaufen, erklärt | |
Ralph-Günter Adam, der damals gemeinsam mit Künast anfing und die JVA heute | |
leitet. | |
Mit dem neuen Gesetz seien Häftlinge erstmals als Menschen betrachtet | |
worden, die eine Tat verarbeiten mussten, die irgendwann wieder in die | |
Gesellschaft zurücksollten. Der damalige Berliner Justizsenator ruft den | |
Slogan aus "Sozialarbeiter in die Knäste". | |
Künast und die anderen Sozialarbeiter sehen sich störrischen | |
Vollzugsbeamten gegenüber, die alles am liebsten so lassen würden wie es | |
ist. Einer Frau wie Künast hören sie am Anfang überhaupt nicht zu. | |
Sie muss sie überreden, die Gefangenen nicht sich selbst zu überlassen. | |
Dass wer als Drogensüchtiger eine Therapie macht, Bewährung bekommt. Dass | |
man Ausflüge nach draußen wagen könnte. | |
Einiges gelingt. Die Sozialarbeiter führen Schulstationen ein, auf einmal | |
können Gefangene eine Ausbildung machen. | |
Runde zwei, 2001: In der Krise um die Rinderseuche BSE muss der | |
SPD-Agrarminister Karl-Heinz Funke gehen, die Grünen bekommen das Ressort | |
und Renate Künast wird Ministerin. Sie will alles verändern und wurde von | |
allen Seiten beschossen. | |
Den Bauernverband hat sie gegen sich, die Lebensmittelverbände, das | |
Fernsehen zeigt Berge notgeschlachteter Rinder. Künast wird auf dem | |
Bauerntag in Münster von einer Mehrzweckhalle wütender Bauern ausgebuht. | |
"Nicht lustig", sagt Katrin Göring-Eckardt, die heute Vizepräsidentin des | |
Bundestags ist und die damals mit Künast eine Wohnung in Berlin-Friedenau | |
geteilt hat. "Man hat Renate Künast total unterschätzt." Aber am Ende hat | |
die Ministerin dazu beigetragen, dass mehr Biobauernhöfe, ein Biosiegel und | |
Biogemüse nicht nur Ideen von Ökospinnern sind. | |
Runde drei, 2011: Künast will Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. | |
Nur wenn sie das schafft, will sie ihre Position als Chefin der Grünen im | |
Bundestag aufgeben. Sie inszeniert sich als tatkräftige Kämpferin. Aber die | |
Sozialdemokraten liegen vorn. Nach der jüngsten Meinungsumfrage von | |
Infratest dimap (10. August) liegt die SPD bei 31 Prozent, Grüne und CDU | |
Kopf-an-Kopf bei je 22, Linke bei 12, FDP bei 4. | |
Genau wie in Runde eins und zwei ist sie auch diesmal in der Defensive. In | |
den Siebzigerjahren als Sozialarbeiterin und ab 2001 als Ministerin wendete | |
sie die Situation. Sie hat sich um Freiheit gekümmert, um Ernährung, die | |
großen Themen und wurde mit hunderten Gefängnisbeamten fertig, mit | |
tausenden Bauern. | |
Doch es gibt einige, vielleicht entscheidende Unterschiede. Diesmal ist ihr | |
Gegner Klaus Wowereit; der Amtsinhaber inszeniert sich als freundlicher | |
Bürgermeisterbär, der sich auf Wahlplakaten von einem Stoffdrachen in die | |
Nase kneifen lässt. Gegen einen lockeren Publikumsliebling hat es eine | |
harte Kämpferin schwer, wenn sie nicht anstrengend wirken will. | |
Und: Bisher fehlt Künast ein großes Thema. Was will sie denn verändern? | |
Bisher sind die Stichworte nur: Keine Bebauung des ehemaligen Flughafens | |
Tempelhof, keine Hochhäuser am Alexanderplatz, Milieuschutz für alle, Tempo | |
30, Berlin soll Klimahauptstadt werden. "Da wird noch was geschehen", hofft | |
der Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland aus Berlin. | |
In einem ausführlichen Porträt in der [1][aktuellen sonntaz] zeichnen | |
Kirsten Küppers und Gereon Asmuth den Weg der Kandidatin nach. Sie haben | |
sie befragt, ihre Kampagne beobachtet und Weggefährten von Künast | |
getroffen. | |
20 Aug 2011 | |
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[1] /zeitung/tazinfo/sonntaz-vorlauf | |
## AUTOREN | |
K. Küppers | |
G. Asmuth | |
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