# taz.de -- Grünes Promi-Schaulaufen in Berlin: Künasts krampfiger Kampf | |
> Winfried Kretschmann gibt seiner Parteifreundin Renate Künast | |
> Schützenhilfe im Wahlkampf. Die vergleicht sich mit Joschka Fischer - und | |
> will bis zur letzten Minute kämpfen. | |
Bild: Renate muss da noch mal ran. Einer, der schon eine Großbaustelle hat, so… | |
BERLIN taz | Eigentlich will Winfried Kretschmann seiner Parteikollegin | |
keine Tipps geben. Aber als sie sagt, sie werde am Wahlsonntag bis zur | |
letzten Minute um den Sieg kämpfen, tut er es doch. "Kämpfen würde ich | |
sonntags maximal bis 12 Uhr." Dann entspannen und schauen, was kommt. | |
Kretschmann lehnt sich zurück und lächelt. | |
Damit ist schon viel über den Kampf von Renate Künast gesagt. Im September | |
wählt die Hauptstadt, sie will Regierende Bürgermeisterin werden. Die Grüne | |
rackert und rackert, doch kommt sie nicht gegen den aufreizend lässigen | |
Klaus Wowereit (SPD) an. Als sie sich am Freitag mit dem | |
Ministerpräsidenten Baden-Württembergs in der Bundespressekonferenz | |
auftrat, offiziell zu Kretschmanns 100-Tage-Bilanz, schwebte nur eine Frage | |
im Raum: Ist Künasts Versuch, seinen Erfolg in Berlin zu wiederholen, zum | |
Scheitern verurteilt? | |
Es ist voll und stickig im Saal. Künast und Kretschmann kommen herein, | |
setzen sich, verschwinden minutenlang hinter einer Wand von Fotografen. Das | |
Interesse ist groß - an Kretschmann. Ihn fragt die britische Journalistin | |
an, von ihm will ein Japaner etwas zu Atomkraftwerken wissen, er erntet | |
Lacher, als er damit kokettiert, "als Provinzpolitiker" nach Berlin | |
eingeladen worden zu sein. Von Künast will erstmal niemand was. | |
Während er antwortet, rutscht sie ab und zu auf dem Stuhl hin und her. Sie | |
muss auch reden. Vor wenigen Monaten schien es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen | |
zwischen Grünen und SPD in der Hauptstadt hinauszulaufen, inzwischen liegen | |
die Sozialdemokraten in Umfragen mit neun Prozentpunkten vorn. "Klar, ich | |
hätte gerne bessere Umfragen", sagt die Herausforderin dann endlich. "Aber | |
ich bin Fischer-Schule." Will heißen: Joschka Fischer pfiff auf Umfragen. | |
So sieht sich Künast: als Kämpferin, die bis zum Schluss durchzieht. | |
## Die Basis fürchtet Schwarz-Grün | |
So wie es jetzt aussieht, kann sie nur in einer Koalition mit der CDU ihr | |
Ziel erreichen, die Stadt zu regieren. Auf diese Frage lauern alle | |
Journalisten - und ausgerechnet da passiert ihr ein Freudscher Versprecher. | |
"Die größten Schnittmengen haben wir mit der CD …", antwortet Künast. | |
Stockt. Schiebt nach: "… äh, mit der SPD." Es ist ihr Problem, dass | |
Mutmaßungen über ein solches Bündnis zunehmen, je weiter die SPD vorn | |
liegt. | |
Denn ein Bündnis mit dem provinzell tickenden CDU-Landesverband ist für | |
viele Grüne und ihre Wähler nach wie vor eine Schreckensvorstellung - auch | |
wenn die Parteiführung eine solche ohne mit der Wimper zu zucken machen | |
würde. Hinzu kommt, dass eine Serie von Autobränden den Christdemokraten in | |
letzter Minute ein Thema verschafft hat. Mit dilettantisch anmutenden | |
Plakaten wollen sie insinuieren, der rot-rote Senat gehe zu weich gegen | |
Brandstifter vor. | |
Künast nennt die populistische CDU-Aktion "unanständig". Die Polizei mache | |
gute Arbeit, Berlin brauche keine Bundespolizisten, "die dann gar nicht | |
wissen, an welcher Kreuzung sie stehen." Da blitzen ihre Qualitäten auf: | |
Mit wenigen Worten rückt sie kühl eine Debatte zurecht, die in Berlin teils | |
irrwitzig geführt wird. Solche Analysen würde man vom Regierenden Wowereit | |
auch erwarten. | |
Berlins Grüne haben jetzt das Wort "Mitsprache-Stadt" erfunden, um den | |
Amtsinhaber doch noch zu gefährden. Online dürfen Bürger auf Probleme | |
hinweisen, dann kommt Künast vorbei. Als Regierende, würde sie Mitsprache | |
organisieren, verspricht sie. "Der Senat hält Wasserverträge geheim. Solche | |
Daten und Fakten gehören in die Stadt." Auch wenn Künast betont, | |
Baden-Württemberg lasse sich mit Berlin nicht vergleichen, scheint hier die | |
Strategie durch: Von Kretschmann lernen heißt vielleicht doch siegen. Bei | |
Umfragen, sagt der noch, gebe es eine einfach Regel: "Von den Guten lässt | |
man sich beflügeln, die Schlechten ignoriert man." Künast wird es | |
beherzigen. | |
19 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
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