# taz.de -- Ohne Hilfe regiert der Tod im Südsudan: Machtlos gegen das Schwarz… | |
> Ohne ausländische Hilfe gäbe es im Südsudan keine Gesundheitsversorgung. | |
> Davon hängt das Überleben vieler ab. Die nächste Epidemie ist bereits im | |
> Anmarsch. | |
Bild: Vor allem die Kinder im Südsudan brauchen Hilfe. | |
LANKIEN taz | Nyagoth Gai kennt die Prozedur. Mit einem verbissenen Zug um | |
den Mund legt sie sich bäuchlings auf das Krankenhausbett. Mit ihrer linker | |
Hand zieht sie ihre Unterhose ein wenig nach unten. Der Krankenpfleger | |
steckt mit einer schnellen Bewegung die Spritze in ihre Hinterbacke. | |
Langsam verschwindet die Medizin in dem Körper der Dreizehnjährigen. Sie | |
wimmert. | |
Mit Hilfe ihrer Mutter steht das magere Mädchen auf und humpelt nach | |
draußen. Es ist die 25. Spritze gegen das "Kala Azar" genannte Schwarze | |
Fieber, die Nyagoth bekommen hat. Es tut weh, weil das Medikament so dick | |
ist wie Sirup und nur langsam eingespritzt werden kann. Aber die Schmerzen | |
retten auch ihr Leben. "Ohne die Medizin wäre sie innerhalb ein paar | |
Monaten tot", erklärt die niederländische Ärztin Hanna Jellema. | |
Das Krankenhaus von Ärzten ohne Grenzen (MSF) in Lankien bekommt immer mehr | |
Kala-Azar-Patienten. Der 3.000 Einwohner zählende Ort im Nordosten von | |
Südsudan liegt mehr oder weniger im Zentrum des Gebietes, wo die Seuche | |
vorkommt. Außerhalb Südsudans gibt es sie eigentlich nur in Indien und | |
Brasilien. | |
Die diesjährige Epidemie soll im September ihren Höhepunkt erreichen. Das | |
Schwarze Fieber wird von beißenden Sandmücken übertragen. Sie übertragen | |
Parasiten von Akazienbäumen auf Menschen. Opfer sind vor allem diejenigen, | |
die im Freien schlafen: Soldaten, Nomaden und Arme. Das Fieber befällt die | |
inneren Organe und führt ohne Behandlung fast immer zum Tode. Das | |
Immunsystem wird geschwächt, oft bekommen die Menschen dann noch andere | |
Krankheiten. | |
"Momentan haben wir dreißig Patienten in Behandlung. Die meisten sind | |
ambulant und kommen täglich ihre Spritze holen", erzählt Hanna Jellema. | |
Komplizierte Fälle kommen ins Krankenhaus. Monatlich kommen 150 neue | |
Patienten dazu, im September erwartet die Ärztin das Dreifache. Grund dafür | |
ist die Regenzeit. Dann sind die Sandmücken besonders aktiv. | |
## "Drei, vier Tage laufen" | |
Im Südsudan, dem jüngsten Staat der Welt, liegt das Gesundheitswesen fast | |
vollständig in der Hand ausländischer Hilfswerke, die zu Bürgerkriegszeiten | |
hier zu arbeiten begannen. MSF schlug erstmals 1987 in Südsudan ihre Zelte | |
auf. | |
Mittlerweile sind es keine Zelte mehr, sondern richtige Krankenhäuser. So | |
wird MSF Opfer ihres eigenen Erfolgs. Südsudans Regierung sieht das | |
Gesundheitswesen nicht als ihre Priorität an, weil Hilfsorganisationen | |
umsonst tätig sind. | |
Die Patienten in Lankien kommen aus winzigen Dörfern in der Umgebung. | |
"Drei, vier Tage laufen", ist oft die Erklärung von Kranken, wenn sie | |
gefragt werden, wo sie herkommen. Es gibt zwar eine Straße, aber die ist | |
nur eine klebrige Lehmmasse. | |
Obwohl in Lankien nicht operiert werden kann, werden öfters Verwundete | |
hereingebracht. Es sind Opfer der ständigen Kämpfe zwischen lokalen Milizen | |
und der Armee Südsudans, oder junge Männer, die beim Viehdiebstahl erwischt | |
wurden. | |
Es ist schwierig, in Südsudan qualifiziertes medizinisches Personal zu | |
finden. Die meisten MSF-Mitarbeiter hat die Organisation selbst | |
ausgebildet. In den Jahrzehnten des Krieges flohen viele Südsudanesen ins | |
Ausland und lebten in Lagern; im Südsudan selbst gab es meist nicht einmal | |
Schulen. | |
23 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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