# taz.de -- Grüner Spaltpilz: Künast droht ein grüner Boykott | |
> Die Parteilinke Anja Kofbinger lehnt Grün-Schwarz ab - und würde einem | |
> Haushalt von Renate Künast im Parlament nicht zuzustimmen. Andere denken | |
> offenbar ähnlich. | |
Bild: Renate Künast: Nicht mehr alle Parteimitglieder haben sie auf dem Schirm. | |
Die grüne Abgeordnete Anja Kofbinger, führende Vertreterin des linken | |
Parteiflügels, will bei einer grün-schwarzen Koalition Renate Künasts | |
Haushalt im Parlament nicht unterstützen. "Ich werde mich nicht gegen den | |
Willen meiner Neuköllner Bezirksgruppe verhalten", sagte Kofbinger der taz. | |
Dort ist die Stimmung gegen Grün-Schwarz, was sich mit Kofbingers Haltung | |
deckt: "Ich persönlich stehe für dieses Modell nicht zur Verfügung." Für | |
die Abgeordnete Heidi Kosche hieße Grün-Schwarz, den Bürgerwillen zu | |
ignorieren: "Die Stadt will Rot-Grün." | |
Spitzenkandidatin Künast betont zwar mantrahaft, dass sie die größten | |
Schnittmengen mit der SPD sehe. Ihre Wahlziel aber, Klaus Wowereit als | |
Regierenden Bürgermeister abzulösen und selber zu regieren, kann sie | |
angesichts des wachsenden SPD-Vorsprungs in den Wahlumfragen nur noch mit | |
der CDU erreichen. Dafür würde es nach der jüngsten infratest-dimap-Umfrage | |
weiter reichen, obwohl die SPD mit 31 Prozent weit vor den Grünen mit 22 | |
liegt. | |
Der linke Parteiflügel hält es für nicht ausgeschlossen, dass Künast diese | |
Möglichkeit nutzen würde. Aus eigener Kraft könnten die Linken nicht | |
verhindern, dass es dafür bei einem Grünen-Landesparteitag ein Mehrheit | |
gibt: Mit etwa einem Drittel gibt Kofbinger das Gewicht der Linken an. | |
Dieses Verhältnis ließ sich auch beim Parteitag im März ablesen, als die | |
Grünen ihr Wahlprogramm beschlossen. Bei dem am heftigsten debattierten | |
Abschnitt, dem zu Integration, setzten sich die Realos mit knapp 60 Prozent | |
der Stimmen durch. | |
Auf einer solchen Basis lässt sich für Kofbinger keine Koalition bauen: | |
"Wenn 30 Prozent gegen eine Koalitionsvereinbarung stimmen, dann werden Sie | |
diese Vereinbarung nicht mit Leben erfüllen können." Zum Vergleich: Die | |
anfangs sehr umstrittene rot-rote Koalition erhielt 2002 sowohl bei SPD als | |
auch bei Linkspartei-Vorgängerin PDS jeweils rund 80 Prozent Zustimmung. | |
Kofbinger sagt, sie würde sich CDU-Vorschläge zwar anhören: "Aber wenn | |
dabei rauskommt, was wir alle vermuten, kann es keine Koalition geben." | |
Laut Kofbinger gibt es weitere Abgeordnete, die daran denken, dem Haushalt | |
nicht zuzustimmen. Auch die Kreuzbergerin Kosche schloss das nicht aus: | |
"Das entscheide ich, wenn es soweit ist." Das Heikle daran: Wenn | |
Grün-Schwarz eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus bekommt, wird die absehbar | |
sehr knapp ausfallen. Schon ein oder zwei Abweichler könnten eine | |
Abstimmung torpedieren. Eine Niederlage beim Haushalt aber, vornehmstes | |
Recht des Abgeordnetenhauses, wäre parlamentarisch der größtmögliche Unfall | |
und absehbar das Ende einer Koalition. | |
Wie Kofbinger sieht sich auch Kosche nicht an das Votum eines | |
Landesparteitag gebunden: "Ich werde direkt gewählt, und ich bin meinem | |
Wahlkreis verpflichtet". Dort gilt weithin für die Union, was die | |
Grüne-Jugend-Chefin Madeleine Richter schon Ende 2010 der taz sagte: "Die | |
CDU, das ist die dunkle Seite der Macht." Die Spekulationen über | |
Grün-Schwarz sorgen derzeit auch beim Parteinachwuchs für Ärger. | |
Kosche hält es zudem wahlkampftaktisch für falsch, sich ein Bündnis mit der | |
CDU offen zu halten. "Unsere Wählerschaft ist hoch verunsichert", sagt sie, | |
"es haben Wähler vor mir ihre schon für grün ausgefüllten | |
Briefwahlunterlagen zerrissen, weil sie Grün-Schwarz befürchten." Umfragen | |
zeigten: Nur 13 Prozent wollten Grün-Schwarz. "Renate Künast wäre eine | |
richtig gute Regierende Bürgermeisterin", so Kosche, "aber auch sie hätte | |
ein Riesenproblem, das gegen den Bürgerwillen mit den Schwarzen zu machen." | |
Dass Wowereit wieder mit der Linkspartei koaliert und die Grünen erneut | |
nicht im Senat sitzen, mag Kosche sich nicht vorstellen: Die Stadt wolle | |
das Bündnis zwischen Sozialdemokraten und Grünen, "und das muss sich auch | |
Herr Wowereit überlegen." | |
Am heutigen Donnerstag kommt der Grünen-Landesausschuss zusammen, das | |
höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Dabei soll es um einen Beschluss | |
des Landesvorstands mit der Überschrift "Verstehen und Handeln" gehen, der | |
eine programmatische Zuspitzung für letzten Wochen des Wahlkampfes | |
vornimmt. Kofbinger erwartet auch dort eine Auseinandersetzung über | |
Grün-Schwarz: "Das wird der spannendste Landesausschuss der letzten Zeit." | |
Gegendarstellung | |
Unter www.taz.de schreiben Sie unter der Überschrift "Künast droht ein | |
grüner Boykott" am 24. August 2011: | |
"Die Parteilinke Anja Kofbinger lehnt Grün-Schwarz ab - und würde einem | |
Haushalt von Renate Künast im Parlament nicht zustimmen." | |
Hierzu stelle ich fest: | |
Ich habe mich so nicht geäußert. | |
Ich habe gesagt, dass ich nicht sicher bin, ob alle Parteilinken einem | |
Haushalt zustimmen würden, der keine grüne Handschrift aufweist. | |
Berlin, den 25. August 2011 | |
Anja Kofbinger | |
Die taz bleibt bei ihrer Darstellung. Das Presserecht zwingt zur | |
Veröffentlichung der Gegendarstellung unabhängig von deren Wahrheitsgehalt. | |
24 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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