# taz.de -- Kommunikationsexperte über Gamer: "Menschen sind keine Automaten" | |
> Der Kommunikationswissenschaftler Thorsten Quandt von der Uni Hohenheim | |
> hat eine breit angelegte Studie durchgeführt, um die Einstellung von | |
> Gamern zur Gewalt zu untersuchen. | |
Bild: Laut Studie gibt es keinen Unterschied zwischen Spielern und Nichtspieler… | |
taz.de: Herr Quandt, Sie haben gerade eine Studie veröffentlicht, in der es | |
um den Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Computerspielen und der | |
persönlichen Einstellung der Spieler zu Krieg und Gewalt geht. Was kam | |
dabei heraus? | |
Thorsten Quandt: Zunächst – es ging um den Zusammenhang zwischen digitalen | |
Spielen und bestimmten Einstellungen, zum Beispiel zu Militär und Krieg. | |
Aggressive Tendenzen in der Persönlichkeit und eine positive Einstellung zu | |
Militär und Krieg sind nicht identisch. Was die Ergebnisse anbelangt: Wir | |
haben kaum Unterschiede zwischen Spielern und Nicht-Spielern gefunden. | |
Angesichts der Größe unserer Stichprobe ist das durchaus bemerkenswert. | |
Wie kamen Sie selbst auf das Thema? | |
Die kurzfristige, aggressionsfördernde Wirkung von digitalen Spielen wurde | |
bereits vielfach untersucht. Interessant ist aber auch die Frage, ob es | |
langfristig zur Übernahme bestimmter Sichtweisen aus den Spielen kommt. | |
Einfach gesagt: Wenn ein Vielspieler tagein, tagaus mit stereotypen | |
Darstellungen von heldenhaften Militärs und ebenso stereotypen Feindbildern | |
konfrontiert wird – übernimmt er diese dann nach einer Weile? | |
Widersprechen die Ergebnisse Ihrer Meinung nach der Aussage, die gerne aus | |
der Politik kommt, "Killerspiele" förderten Gewalt? | |
Nicht im Sinne dieser Diskussion aus der Politik, denn darum ging es in | |
unserer Studie ja, wie gesagt, nicht. Allerdings ist die genannte Aussage | |
so pauschal, dass man sie in dieser Art in der Wissenschaft auch gar nicht | |
ernsthaft diskutiert – denn natürlich gehen Menschen mit Medien höchst | |
unterschiedlich um, und ebenso sind die Wirkungen nicht bei allen und in | |
jeder Situation dieselben. Menschen sind – zum Glück! – keine Automaten. | |
Man muss die Frage nach aggressionsfördernden Wirkungen differenzierter | |
stellen, um sie beantworten zu können. | |
Glauben Sie denn, dass Computerspiele enthemmend wirken? | |
Bei dieser Frage gilt dasselbe wie eben gesagt. | |
Was ist wichtiger für eine positivere Einstellung zur Gewalt – | |
Bildungsstand oder die Tatsache, dass man gerne actionlastige | |
Computerspiele spielt? | |
Bei einer sehr großen Stichprobe von 5.000 Personen wurden Nichtspielern | |
und Spielern verschiedenste Aussagen präsentiert. Dabei zeigte sich, dass | |
in Bezug auf die von uns untersuchten Einstellungen zu Militär und | |
kriegerischen Auseinandersetzungen eine unterstützende Sichtweise von | |
bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen abhängig ist: Ältere Personen mit einer | |
niedrigeren Bildung, aggressivere sowie autoritätsorientierte Menschen | |
haben eine positivere Einstellung gegenüber Militär und Soldaten. | |
Unterschiede zwischen Spielern und Nichtspielern konnten wir nicht | |
ausmachen. Auch zwischen unterschiedlichen Spielergruppen fanden wir keine | |
Differenzen. | |
Sie haben sich außerdem mit den verschiedenen Arten gewalthaltiger | |
Computerspiele beschäftigt. Wie nah sind die wirklich an der Realität? | |
Wir haben Inhaltsanalysen von First-Person-Shootern mit militärischem | |
Background durchgeführt. Zwar wurden reale Konflikte thematisiert, doch | |
jüngere Konflikte tauchen eher selten auf. Thematisiert werden vor allem | |
die großen Kriege des 20. Jahrhunderts – insbesondere der zweite Weltkrieg | |
und der Vietnamkrieg. Da viele Spiele in den USA produziert werden oder für | |
den amerikanischen Markt bestimmt sind, wundert diese thematische | |
Schwerpunktsetzung nicht. Allerdings wird dadurch natürlich auch ein | |
bestimmtes, oft klischeehaftes und einseitiges Bild militärischer Konflikte | |
gezeichnet. | |
Ist Ihre Studie geeignet, als Argumentationshilfe in der Verbotsdiskussion | |
zu dienen, die nach Gewalttaten wie Amokläufen immer wieder aufbrandet? | |
Zur Frage der Rolle von Medien bei solchen Taten gibt es differenzierte | |
Einzelfallanalysen. Studien wie unsere, die sich mit der Nutzung und den | |
Wirkungen von Medien bei breiten Bevölkerungsschichten auseinandersetzen, | |
haben wiederum ganz andere Fragestellungen. Allerdings wäre es naiv | |
anzunehmen, dass in öffentlichen Diskussionen unsere Ergebnisse nicht auch | |
in anderen Kontexten verwendet würden als von uns gedacht. | |
Sind Spielehersteller Ihrer Meinung nach in der Verantwortung, dass ihre | |
Titel nicht nur auf Action (und Gewalt), sondern auch Bildungsaspekte | |
setzen? Oder wäre das zu viel verlangt? | |
Um nur kurz auf den Bildungsaspekt einzugehen: Wir haben es mit einem sehr | |
breit differenzierten Markt zu tun, auf dem es auch Titel gibt, die Ihrer | |
Forderung entsprechen. Einige sind erfolgreich, andere nicht. Über die | |
Frage der Vermittlung von Bildungsinhalten über digitale Spiele gibt es | |
inzwischen auch eine breite Debatte, vor allem unter dem Stichwort "Serious | |
Games". | |
Ist Gewalt "gelernt"? Oder anders herum gefragt, lässt sie sich durch den | |
Konsum solcher Titel antrainieren? | |
Falls Sie auf die Nutzung von Spielen beispielsweise für Ausbildungszwecke | |
beim Militär anspielen – es taucht immer wieder die Aussage auf, dass durch | |
Egoshooter Soldaten eine Tötungshemmung abtrainiert werde. Seriöse Belege | |
gibt es dafür nicht, eher berechtigte Zweifel – übrigens auch an dem | |
Grundkonzept einer menschlichen Tötungshemmung an sich, welches | |
wissenschaftlich nicht unumstritten ist. Vor allem das amerikanische | |
Militär nutzt Spiele beziehungsweise spielähnliche Software aber auf | |
unterschiedlichste Art und Weise. Einerseits sind hier Simulationen, auch | |
strategischer Art, zu nennen. Dabei geht es aber vor allem um die | |
Beherrschung von militärischem Equipment oder von bestimmten Situationen. | |
Andererseits werden Spiele auch als Werbungs- und Rekrutierungswerkzeug | |
genutzt. Allerdings zeigt ja unsere Studie, dass zumindest die deutschen | |
Spieler sich offenbar wenig durch Shooter für das Militär begeistern | |
lassen. | |
29 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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