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# taz.de -- 50 Jahre TürkInnen in Deutschland: Trendy, cool und sehr, sehr sexy
> Schwarz & Weiß ist in der Schickeria angesagt: Türkisches Nachtleben in
> Berlin orientiert sich an Istanbuls Nightlife. Das lohnt sich!
Bild: Junge erfolgreiche Nachkommen türkischer Einwandererfamilien haben in Be…
Auf dem Riesenbildschirm des türkischen Restaurants Schwarz & Weiß nahe dem
Kurfürstendamm läuft als Endlosschleife ein Film über die
Sehenswürdigkeiten Istanbuls. Mit schwarz-weißen Sitzecken, sparsamer Deko,
weißen Wänden und einer Bar aus Metall sieht das Lokal wie eine coole
Lounge aus. Das Frauentrio am Nebentisch ist auffallend hübsch und absolut
aufgebrezelt: Hochsteckfrisuren, High Heels, Miniröcke, riesige Ohrringe,
aufwendige Schminke. Die Unterhaltung läuft in türkisch-deutschem
Sprachgemisch.
Bei der türkeistämmigen Berliner Schickeria sei das Schwarz & Weiß sehr
angesagt, sagt Kellnerin Sergil Kumus, die im Wedding aufgewachsen ist und
Istanbul nur von Besuchen kennt. Das schicke Berliner Restaurant orientiert
sich an der pulsierenden Modernität der türkischen Metropole. Genau deshalb
passt es nach Berlin, wo junge erfolgreiche Nachkommen türkischer
Einwandererfamilien längst ein eigenes Nachtleben etabliert haben - und es
mit den eingeborenen Deutschen gerne teilen.
Selbstbewusst inszeniert sich die türkische Szene in den bürgerlichen
Stadtteilen Wilmersdorf und Charlottenburg. Ein wenig Folklore ist erlaubt,
doch von Klischees grenzt man sich ebenso ab wie von Sarrazin'schen
Zuschreibungen oder Bezirken mit hohem Ausländeranteil wie Kreuzberg,
Neukölln oder Wedding.
Das Xara am Nollendorfplatz im westlichen Berliner Zentrum ist eine der
neuen Lounges im Orientstyle. In der Mitte des Raums hängt ein
Riesenkronleuchter, ansonsten herrscht Salonatmosphäre mit Golddrucktapete,
weißen Ledersesseln und ausladenden Korbstühlen auf der Terrasse.
## Wasserpfeife rauchen, bevor die Clubs interessant werden
Dieser Mix komme gerade "bei jungen Schwarzköpfen besonders gut an", sagt
Saskia Bonnen, die deutsche Geschäftsführerin des Xara. Die jungen
DeutschtürkInnen sähen sich als Trendsetter.
Im Xara sind sie eindeutig in der Mehrzahl. Gruppen junger Frauen und
Männer, meist getrennt, rauchen Wasserpfeife. Hier trifft man sich, bevor
gegen Mitternacht die Clubs langsam interessant werden.
Etwa das Lucca in der Fasanenstraße: "Zurzeit der angesagteste Laden für
die türkische Community in Berlin überhaupt", sagt Inhaber Berek Boyal.
"Hierher kommen Transen, Schwule, Heteros, Junge und Alte - das verträgt
sich alles super."
Der Clubeingang wird von fünf bulligen Bodyguards bewacht. Die weisen
gerade eine Gruppe lauter Jungmänner ab. "Wir haben strenge
Sicherheitsvorkehrungen, aber ansonsten keine Tabus. Unser höchstes Gebot
ist Schutz, damit die Leute hier ausgelassen feiern können", sagt Berek.
"Was wir verkaufen, ist das ausgelassene Lebensgefühl Istanbuls."
Das Lucca in den Gewölben unter der Hochtrasse der S-Bahn ist ein
schlichter Raum mit Rundbogendecke, schwarz-weißen Sitzecken, auch hier
hängt der obligatorische Kronleuchter. DJ Umut legt Elektro, House und
türkische Popmusik auf.
Vor einem Bild von Sexsymbol Marylin Monroe hat sich ein Transvestit im
Leopardenlook platziert, sein Markenhandtäschchen steht dekorativ auf der
Bar. Dahinter mixt Oguzhan Cansiz die Drinks. Ursprünglich kommt er aus
Stuttgart, jetzt studiert er internationale Betriebswirtschaft in Berlin.
"Das Publikum hier ist überwiegend türkisch", erzählt er. "Sechzig Prozent
sind Stammgäste, mehrheitlich Frauen, die am Wochenende hier abtanzen."
Getrunken werde vor allem Wodka, Whiskey und Raki "wie in Istanbul", sagt
Cansiz: "Das Lucca ist absolut Istanbul-Lifestyle."
## "Ich bin ein City-West-Typ"
"Viele Männer hier sind schwul, viele Frauen lesbisch", erzählt eine der
Schönheiten vom Nachbartisch. "Echt amüsant" sei es im Lucca. Sie trifft
sich regelmäßig mit Freundinnen hier. Ihr Mann - "selbstverständlich ein
Deutscher"- hüte so lange die zwei Kinder.
"Ich bin ein City-West-Typ", sagt Berek zwischen Gastgeberpflichten und
Club-Organisation. Er ist in Berlin-Charlottenburg aufgewachsen, steht auf
Istanbul und liebt Berlin. Ein femininer, charmanter, gut erzogener junger
Mann: "Wir wollen uns vom Klischee abheben. Ich wollte einen Laden, der für
die türkische und die deutsche Community interessant ist. Das Publikum hier
hätte ich nie in Kreuzberg bekommen."
Mehrmals im Jahr ist Berek selbst in Istanbul, von wo seine Familie einst
nach Deutschland auswanderte. "Ich möchte zeigen, dass wir Türken cool,
trendy und sexy sind. Männer wie Frauen", sagt der 31 Jahre alte
Barbesitzer, der eigentlich Politik studiert hat.
Doch Clubs, Nightlife seien seine Leidenschaft, sagt er: "Achtzig Prozent
meiner Gäste kenne ich persönlich." Auch sein Vater unterstützt ihn:
Freundlich begrüßt der charmante ältere Herr Neuankömmlinge.
Viele seiner deutschen Freunde seien "immer noch total verwundert", wenn
sie ins Lucca kämen: "So sexy? Keine Kopftücher? Aber wir haben manchmal
auch Kopftuchfrauen hier." Selbstverständlich sind auch die dann super
gestylt.
Die Lokale
Das Lucca in Berlin-Charlottenburg soll ab September täglich um 18 Uhr als
Cocktailbar geöffnet werden. Donnerstags Jazz, freitags türkischer Rock,
samstags türkischer Pop. Fasanenstr. 14, S-Bahn-Bögen 561, Reservierung:
(01 77) 8 99 66 51
Die Xara-Lounge ist täglich geöffnet, Maaßenstraße 7, Tel: (0 30) 30 10 47
77, [1][www.xara-berlin.com]
Das Black & White bietet anatolische Küche, täglich geöffnet von 9 bis 24
Uhr, Uhlandstraße 171/172, Tel: (0 30) 88 92 95 73,
[2][www.blackandwhite-berlin.com]
1 Sep 2011
## LINKS
[1] http://xara-berlin.de/
[2] http://www.blackandwhite-berlin.com/
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Schwerpunkt Deniz Yücel
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