# taz.de -- Wahl in Mecklenburg-Vorpommern: Gefährlicher Kuschelkurs | |
> Die große Koalition will sich politisch nicht streiten. Das kann der NPD | |
> nutzen. Denn eine niedrige Wahlbeteiligung könnte sie wieder in den | |
> Landtag bringen. | |
Bild: Wenn zwei sich lieb haben, freut sich der Dritte: Erwin Sellering (l.) un… | |
BERLIN taz | Eigentlich ist das TV-Duell der Kandidaten ein Höhepunkt jedes | |
Wahlkampfs. Doch was SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering und CDU-Mann | |
Lorenz Caffier am Dienstagabend im NDR boten, war auch für die traditionell | |
zuspitzungarme politische Kultur in Mecklenburg-Vorpommern beachtlich. | |
Caffier betonte immer wieder die "gemeinsamen Erfolge" der großen Koalition | |
in den Bereichen Arbeitsmarkt und Bildung. Sellering mochte da nicht | |
widersprechen und titulierte seinen Herausforderer "mein Innenminister". Ob | |
bei der DDR-Vergangenheit oder der Kreisgebietsreform - stets fiel der | |
Streit aus. "Das war kein Duell, sondern ein Duett", resümierte der | |
Moderator. | |
Umso merkwürdiger ist, warum der NDR nicht auch Oppositionsführer Helmut | |
Holter (Linke) einlud. So blieb der Mindestlohn, das einzige kontroverse | |
Thema, in der TV-Debatte randständig. Der Nordosten hat sich zu einem | |
Niedriglohnland entwickelt. 75 Prozent der unter 25-Jährigen verdienen | |
weniger als 1.000 Euro brutto. | |
"Es wäre für den Wahlkampf viel besser gewesen, wenn sich der NDR für echte | |
Diskussion statt für Einheitsbrei entschieden hätte", so Linke-Landeschef | |
Steffen Bockhahn zur taz. Auch Jürgen Suhr, Landeschef der Grünen, findet | |
es bedenklich, "dass kaum ein inhaltlicher Unterschied zwischen SPD und CDU | |
zu erkennen war". | |
## Grüne bei 8 Prozent | |
Entsprechend bescheiden war der Zuspruch des Publikums. Nur 50.000 | |
verfolgten in Mecklenburg-Vorpommern die Debatte - das Gesundheitsmagazin | |
"Visite", das vorher lief, hatte knapp viermal so viele Zuschauer. Die | |
TV-Debatte war der Tiefpunkt eines spannungsarmen Wahlkampfs. Das kann sich | |
rächen - wenn der Souverän sich gelangweilt abwendet. | |
Profiteur des großen Konsenses kann die NPD werden. Die Rechtsextremen, die | |
vor fünf Jahren 7,3 Prozent bekamen, liegen in jüngsten Umfragen zwar fast | |
immer knapp unter 5 Prozent. Doch wenn die Wahlbeteiligung weit unter die | |
59,1 Prozent von 2006 sinkt, kann es für die NPD reichen. Laut einer | |
ZDF-Umfrage interessieren sich derzeit nur 51 Prozent wirklich für die | |
Wahl. So kann die NPD Sieger dieser Wahl ohne Kampf werden. | |
Interessant ist, wie die Grünen abschneiden. Sie liegen in Umfragen bei 8 | |
Prozent und würden erstmals in den Landtag einziehen. Falls FDP und NPD an | |
der Fünfprozenthürde scheitern, ist rechnerisch sogar eine rot-grüne | |
Regierung möglich. Doch ob eine solche geschlossen würde, ist offen. | |
Die Grünen haben keine parlamentarische Erfahrung und nur knapp 500 | |
Mitglieder, so viel wie in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg. | |
Grünen-Landeschef Suhr ist trotzdem verhalten optimistisch: "Es gibt viele | |
Schnittmengen mit der SPD, etwa bei den erneuerbaren Energien oder dem Nein | |
zu mehr Atommüll in Lubmin." | |
Allerdings gibt es ein Schlüsselthema, bei dem zwischen SPD und Grünen | |
Welten liegen: die Agrarpolitik. "Agrogentechnik und Massentierhaltung, das | |
geht mit den Grünen nicht", so Suhr. Es ist also unwahrscheinlich, dass die | |
SPD dem erprobt bequemen Koalitionspartner CDU die kalte Schulter zeigen | |
wird. | |
2 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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