# taz.de -- Kommunen wollen mehr Anlagen bauen dürfen: Streit um Wind-Rendite | |
> Schleswig-Holstein will seine Windkraft-Flächen verdoppeln. Die Kieler | |
> Regierung hat nun einen Plan präsentiert, wo Windräder stehen dürfen. Der | |
> enttäuscht viele Gemeinden, deren Angebote durchfielen. | |
Bild: Sind begehrt bei Schleswig-Holsteins Kommunen: Windkraftanlagen wie diese… | |
HAMBURG taz | Es geht um eine zentrale Frage für die Zukunft der | |
alternativen Energieversorgung - und um viel Geld. Wo dürfen in Zukunft in | |
Schleswig-Holstein Windräder gebaut werden? Die Raumplaner des Landes | |
arbeiten an Plänen, die genau diese Flächen für die nächsten Jahre | |
festlegen. Das Ziel: Die potenzielle Anbaufläche soll etwa verdoppelt | |
werden. Bisher sind 0,8 Prozent der Landesfläche mit Windkraftanlagen | |
bebaut - in Zukunft sollen es maximal etwa 1,5 Prozent sein. Im August | |
haben sie erste Entwürfe für diese Pläne vorgelegt - und viele | |
Kommunalpolitiker in den Kreisen und Gemeinden enttäuscht, die auf ein Okay | |
für mehr Windkraft auf ihrem Territorium gehofft hatten. Denn: Alle Gebiete | |
außerhalb dieser sogenannten Windkraft-Eignungsflächen dürfen nicht für | |
diese Ökostrom-Produktion genutzt werden. | |
Zunächst konnten die Gemeindevertretungen und Stadträte Flächen aus ihrem | |
Gebiet vorschlagen. Diese Entscheidungen haben zum Teil zu [1][heftigen | |
politischen Auseinandersetzungen] zwischen Windkraftgegnern und | |
-befürwortern in den Dörfern geführt. Auf Grundlage der eingegangenen | |
Vorschläge hat das für die Landesplanung zuständige Innenministerium nun | |
Entwürfe für Regionalpläne erstellt, die die Flächennutzung regeln. Dabei | |
haben die Ministerialen massiv gekürzt: Sie hatten Angebote der Kommunen | |
für doppelt so viel Fläche. Jetzt könne sich alle Interessierten [2][den | |
Entwurf angucken] und kommentieren. | |
"Wir haben Gebiete abgelehnt, weil die Abstände zu Siedlungen zu gering | |
waren, Naturschutz-Regeln verletzt worden oder weil sonst Siedlungen durch | |
Windkraftanlagen umzingelt gewesen wären", sagt der Sprecher des | |
Innenministeriums, Thomas Giebeler. Vor allem dadurch sei man auf die jetzt | |
verplanten 1,45 Prozent der Landesfläche gekommen. Politische | |
Entscheidungen seien das nicht gewesen. "Es gab aber auch Planungs- und | |
Ermessensentscheidungen", sagt Ulrich Tasch, Landesplaner des Ministeriums. | |
Die Entscheidungen seien nicht willkürlich gewesen, betonen beide - aber | |
man werde die Ablehnungen im Detail erklären und sich der Kritik stellen. | |
Und die gibt es reichlich, denn viele betroffene Kommunalpolitiker können | |
nicht nachvollziehen, warum sie so wenig berücksichtigt wurden. Die | |
Bürgermeister und die Gemeinde-Gremien gehen nun auf Ursachenforschung - | |
etwa in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde, Ostholstein, und im Herzogtum | |
Lauenburg. Zu den dort Enttäuschten gehört der Chef der | |
CDU-Kreistagsfraktion und Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann. "Wir | |
hätten uns mehr gewünscht", sagt er. Er wolle dafür sorgen, dass auch der | |
Kreis eine Stellungnahme abgibt, und versuchen, mit weiteren Flächen in die | |
Regionalpläne aufgenommen zu werden. | |
Doch warum wollen die Kommunalpolitiker unbedingt Windkraftflächen haben? | |
Brackmann antwortet energiepolitisch: "Wenn wir die Energiewende wollen, | |
müssen wir auf regenerative Energie umsteigen." Auch in der eigenen Region. | |
Das gehöre zur Glaubwürdigkeit. | |
Jan-Christian Erps, der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen | |
Landkreistages sieht vor allem ein "massives wirtschaftliches Interesse" | |
als Ursache für den Unmut in Teilen der Kommunalpolitik. Das | |
Planungsverfahren der Landesregierung sei bisher "ziemlich rund gelaufen". | |
Es gehe bei der Windkraft auch um die Pacht für die Grundstückbesitzer, | |
Einnahmen für lokale Anlagenbetreiber und Stromgesellschaften und nicht | |
zuletzt Gewerbesteuer für die Gemeinden. "Weil der wirtschaftliche Druck so | |
hoch ist, gibt es Streit", sagt er. Schließlich sei die Ausweitung der | |
Windkraftflächen ja gleichzeitig auch eine Begrenzung. Manche Kommunen | |
seien zu spät dran gewesen mit ihrer eigenen Planung, das werde nun | |
bestraft. | |
Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag Detlef Matthiessen | |
sieht das anders: Er findet das Verfahren nicht durchschaubar genug. "Die | |
Betroffenen wissen meistens nicht, warum eine Fläche abgelehnt wurde", sagt | |
er. Das Innenministerium müsse da transparenter werden. | |
7 Sep 2011 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
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