# taz.de -- Streit um Windpark-Pläne: Für Wind - gegen Bürger | |
> Im schleswig-holsteinischen Nübbel gibt die Gemeindevertretung ein | |
> zweites Mal ihr Okay für einen Windpark - trotz eines ablehnenden | |
> Bürgerentscheids. Die Behörden halten das für rechtswidrig, die Planer | |
> glauben, bauen zu dürfen. | |
Bild: Zankspargel im Gegenlicht: Seit über zwei Jahren spalten Windpark-Pläne… | |
HAMBURG taz | Die Initiatoren eines Bürgerentscheids gegen einen geplanten | |
Windpark im Dorf Nübbel bei Rendsburg sind nervös geworden. Vor rund 18 | |
Monaten haben sie bei der Abstimmung knapp gewonnen und so verhindert, dass | |
in ihrer Gemeinde Windkraftanlagen gebaut werden können. Das dachten sie | |
jedenfalls bislang. Doch ganz so sicher sind sie sich jetzt nicht mehr: | |
Denn in dieser Woche hat die Gemeindevertretung zum zweiten Mal dem Bau des | |
Windparks zugestimmt. Die Nübbeler Windanlagen-Gegner diskutieren seitdem | |
mit den Behörden. | |
Die Gemeindevertretung wollte ursprünglich dem Land eine Fläche auf dem | |
eigenen Gebiet als potenziellen Standort für Windkraftanlagen anbieten, | |
doch der Bürgerentscheid stoppte den Plan. Das Land will weitere sogenannte | |
Eignungsflächen für Windkraft ausweisen und hat die Städte und Gemeinden | |
deshalb um Vorschläge gebeten. Aus diesen Angeboten entwickelte sie einen | |
Plan, wo genau weitere Anlagen stehen dürfen. Ein erster Entwurf wird | |
gerade diskutiert. | |
Doch es gab schon eine Genossenschaft in Nübbel, die in dem diskutierten | |
Gebiet Anlagen aufstellen will: "Energiepark Nübbel". Sie gab trotz des | |
Bürgerentscheids nicht auf, holte sich anwaltlichen Rat, beantragte die | |
Genehmigung für den Bau und löste damit das ganz normale | |
Verwaltungsverfahren aus. Zu dem gehört, bei solchen Projekten nach der | |
Zustimmung der betroffenen Gemeindevertretung zu fragen. Die stimmte zu - | |
was das zuständige Amt Fockbek, die Kommunalaufseher des Kreises | |
Rendsburg-Eckernförde und die Juristen in der Landesregierung für | |
rechtswidrig halten. Ihr Argument: Eine Gemeinde dürfe nicht zustimmen, | |
wenn es planerische Gründe gebe, die dagegen sprechen - und ein solcher | |
seien die fehlenden Eignungsflächen. | |
Die Aufseher forderten Bürgermeister Rudolf Ehlers auf, dem Beschluss zu | |
widersprechen. Das tat er. Dann musste sich die Gemeindeversammlung damit | |
erneut befassen - sie sollte das Einvernehmen ablehnen. Doch sie erteilte | |
es in dieser Woche erneut. Nun bereitet die Kommunalaufsicht ein Verfahren | |
vor, das den Widerspruch anordnet. | |
Auf einer Einwohnerfragestunde vor der entscheidenden Sitzung nannte Ehlers | |
den Bürgerentscheid "ein zufälliges Produkt", berichtet die im benachbarten | |
Rendsburg erscheinende Landeszeitung. Damit brachte er auch die Werber für | |
mehr direkte Demokratie auf. "Das ist ein Skandal, wie von Seiten der | |
Gemeindevertretung und des Bürgermeisters mit dem Bürgerentscheid | |
umgegangen wird", sagt der Landesvorsitzende vom Verein "Mehr Demokratie". | |
Das könne man sich nicht bieten lassen. Man stehe im Kontakt mit der | |
Kommunalaufsicht. Außerdem hat Ehlers Ärger, weil er nach dem | |
Bürgerentscheid einen offiziellen Brief an die Landesregierung geschickt | |
hat und darin um die Aufnahme der Nübbeler Fläche in die Regionalplanung | |
bat. | |
Aber auch die anderen Gemeindevertreter stehen in der Kritik. Anja Prehn, | |
eine der Köpfe hinter dem Nübbeler Bürgerentscheid, bemängelt, dass Teile | |
des Gemeinderats selbst Genossen beim Windkraft-Planer sind. Sie sagt: "Es | |
ist unfassbar, dass ein wirtschaftlich tätiges Unternehmen im Gemeinderat | |
die Mehrheit hat und für seine eigenen Projekte stimmt." | |
Der Anwalt der planenden Genossenschaft, Hans-Jürgen Ermisch, nennt die | |
Auseinandersetzung zwischen Bürgermeister und Kommunalaufsicht | |
"Spiegelfechterei". Er hält das ganze Verfahren, wie in Schleswig-Holstein | |
Eignungsflächen ausgewiesen werden, für angreifbar und verweist dabei auf | |
ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Das fordere | |
abstrakte, generelle Kriterien bei der Auswahl der Gebiete. Ermisch glaubt, | |
in Schleswig-Holstein sei das durch die politischen Entscheidungen der | |
Gemeinden nicht gegeben. Er hält die Fläche in Nübbel für ein "objektiv | |
geeignetes Gebiet" - und sieht die Genossenschaft damit im Recht, dort zu | |
bauen. Im Zweifel werde man klagen, sagt er. | |
16 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
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