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# taz.de -- Joseph von Eichendorff über Windräder im Wald: "Welt, du bist so …
> Niedersachen erlaubt ab 2012 den Bau von Windrädern auch im Wald. Hat der
> deutsche Wald als Sehnsuchtslandschaft ausgedient? Ein Gespräch mit dem
> 1857 verstorbenen Joseph Freiherr von Eichendorff.
Bild: Städte sind was für Franzosen: Den Deutschen ist der Wald Heimat.
taz: Herr von Eichendorff, der deutsche Wald ist …
Joseph Freiherr von Eichendorff: … unantastbar. Keine Frage. Keine
Diskussion.
Schon klar. Aber der Wald soll ja gewissermaßen nicht weniger werden,
sondern mehr: Zu den Bäumen sollen Windräder hinzukommen. "Niedersachsen
erlaubt Windräder auch im Wald" schreibt die Hannoversche Allgemeine
Zeitung. Können Sie sich das vorstellen?
Vorstellen kann ich mir unendlich viel. Nur Windräder im Wald nicht. Im
Walde rauschts so sacht. Auch nachts. Das ist ja der Witz am Wald: Dass
Ruhe herrscht, weil die Bäumen den Wind fern halten.
Die Windräder sollen die Bäume bei weitem überragen. Sie sollen über 120
Meter hoch sein, heißt es.
Ich weiß, wie es ist, wenn die Wipfel über mir schwanken. Das klingt die
ganze Nacht. Das sind im Herzen die Gedanken, die singen, wenn niemand mehr
wacht. So kenne ich das von den Bäumen. Wie klingen die Windräder?
Schwer zu sagen. Über den Klang wird selten gesprochen. Eher darüber, dass
Greifvögel und Fledermäuse von den Rotoren zerschreddert werden.
Um die Greifvögel ist es nicht schade. Um die Fledermäuse schon.
Es könnte auch die Nachtigallen und die Lerchen treffen.
Das ist traurig. Gerade nachts ist da das irre Klagen in stiller
Waldespracht, wenn die Nachtigallen schlagen. Und morgens rührt sichs in
den Bäumen. Die Lerche weckt sie bald.
Es heißt, ohne Windkraft ist sei die Energiewende nicht zu machen.
Um welche Form von Energie geht es denn?
Elektrische Energie. Für den Haushalt, unter anderem.
Die Trägen, die zu Hause liegen, erquicket nicht das Morgenrot. Sie wissen
nur von Kinderwiegen, von Sorgen, Last und Not um Brot.
Herr von Eichendorff, lassen Sie uns beim Thema bleiben. Alle wollen Strom.
Strom ist Konsens. Man müsse ihn dezentral in das Versorgungsnetz
einspeisen, sagt die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz. Und die
Windräder im Wald hätten den Vorteil, dass sie oft so weit von
Wohnsiedlungen entfernt seien, dass es wenig Konflikte gäbe.
Das hilft mir nichts. Was kümmern mich die Wohnsiedlungen, wenn ich den
Wald verliere? Der Wald bedeutet Heimat! Überlasst das Städte-Bauen den
Franzosen. Aus Deutschland kommt der Freischütz, der Brandner Kaspar, das
Wirtshaus im Spessart! Auf der deutschen 1-Cent-Münze ist das Eichenlaub
abgebildet! Auf 30 Prozent der Fläche Deutschlands steht Wald. Die
Hermannsschlacht haben die Deutschen im Teutoburger Wald geschlagen! Das
Waldsterben in den 80er Jahren war eine nationale Katastrophe! Und dann war
da noch meine Wenigkeit: "Wem Gott will rechte Gunst erweisen, / den
schickt er in die weite Welt / Dem will er seine Wunder weisen / In Berg
und Wald und Strom und Feld."
Es ist zu spät. In Bayern und Baden-Württemberg stehen bereits 100 Rotoren
über den Baumwipfeln. In Niedersachsen soll es ab 2012 los gehen. So steht
es im Entwurf einer Novelle des Landesraumordnungsprogramms.
Landes- was?
Landesraumordnungsprogramm. Verantwortlich ist Umweltminister Hans-Heinrich
Sander.
Sander? Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben? Wohl
den Meister will ich loben, so lang noch mein Stimm erschallt.
Sander hat mit dem Wald nichts zu tun. Aber eben mit dem
Landesraumordnungsprogramm. Die Windenergieanlagen sollen nur auf
"vorbelasteten Flächen" stehen, sagt Sander. Dazu zählen etwa Wälder, die
durch Stürme zerstört wurden oder als Truppenübungsplätze oder als
Monokulturen genutzt.
Eine Monokultur ist kein Wald. Ein Truppenübungsplatz auch nicht. Ich möcht
in den tiefsten Wald wohl hinein, recht aus der Brust den Jammer zu
schrein. Ich möchte reiten ans Ende der Welt, Wo der Mond und die Sonne
hinunterfällt.
Tatsache ist: Sogar die Grünen in Niedersachsen halten ein generelles
Windkraftanlagen-Verbot in Wäldern für verfehlt.
Das wundert mich nicht. Durchs Leben jag ich manch trügrisch Bild und frage
mich: Wer ist der Jäger da? Wer ist das Wild? Es pfeift der Wind mir
schneidend durchs Haar. Ach Welt, wie bist du so kalt und klar!
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz findet Windparks in Nutzwäldern
vertretbar - wenn Natur- und Vogelschutzgebiete ausgeschlossen bleiben.
Was sollen Nutzwälder sein? Jeder Wald ist nützlich.
Auch die mit Windrädern drin?
Auch die.
Was werden Sie tun, wenn Sie bei einer Wald-Wanderung erstmals auf ein
Windrad stoßen?
Wenn die Wipfel der Bäume rauschen und die Vögel schön singen, dann befehle
ich mich Gottes Führung, ziehe meine Violine hervor und spiele alle meine
liebsten Stücke durch, dass es recht fröhlich in dem einsamen Walde
erklingt. So lange, bis das Windrad Moos ansetzt.
27 Jul 2011
## AUTOREN
Klaus Irler
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