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# taz.de -- Debatte Linkspartei: Die erschöpfte Partei
> Die Linke sucht vergeblich nach ihrer Rolle. Ob sie die Vergangenheit
> bewältigen und Teil eines rot-rot-grünen Lagers werden kann, ist eher
> zweifelhaft.
Bild: Nach links, klar. Aber wo geht#s sonst noch lang?
Man kann die Geschichte der Linkspartei so erzählen. Die PDS gab nach 1990
dem im Vereinigungsprozess gedemütigten Osten eine trotzige Stimme. Dieser
Daseinszweck ist passé. Der Ost-West-Konflikt, der lange das Schwungrad der
PDS war, ist nach 20 Jahren stillgelegt.
Die Vereinigung mit der WASG wirkte da 2005 wie ein Adrenalinschub.
Lafontaine & Co eilten von einem Wahlerfolg zum nächsten. Die Dissidenten
aus Gewerkschaften und SPD im Westen waren ein Reflex auf Schröders rüden
Verrat sozialdemokratischer Traditionen. Aber nicht mehr. Mit dem
Verschwinden der Anti-Hartz-IV Stimmung fehlt der Linkspartei im Westen der
Resonanzkörper. Deshalb stockt dort ihr Siegeszug.
So ähnlich lesen sich viele Analysen der trostlosen Verfassung der
Linkspartei. Vieles daran ist einleuchtend. Doch mit Untergangsprognosen
sollte man vorsichtig sein. Man kann die Lage von SPD oder FDP ähnlich kühl
schildern. Auch die SPD hat ihren historischen Auftrag, den Arbeitern den
Aufstieg in die Mittelschicht zu ebnen, erfüllt und weiß nun nicht so
recht, wohin.
## Die Krise als Betriebsmodus
Parteien sind in der Regel Organisationen, die den Anlass ihrer Gründung
überlebt haben. Die Krise ist ihr normaler Betriebsmodus. Außerdem sind die
deutschen Wähler erstaunlich strukturkonservativ. Haben sie sich mal an
eine Partei gewöhnt, trennen sie sich ungern von ihr. Die letzte im
Bundestag vertretene Partei, die im politischen Aus landete, war der
Gesamtdeutsche Block/BHE. Das war 1957, und geschah auch erst, nachdem die
Parteispitze des BHE zur CDU übergelaufen war.
Die Linkspartei wird nicht verschwinden. In Mecklenburg-Vorpommern hat sie
passabel abgeschnitten. Und sogar mit ihrer überforderten, politisch
instinktlosen Führung liegt sie in bundesweiten Umfragen bei acht Prozent.
Das zeigt, dass ihre Klientel typisch sozialdemokratisch tickt. Sie bindet
eine robuste Leidensfähigkeit an ihre Partei.
Die gegenwärtige Malaise der Linkspartei ist die Rückseite ihres Aufstiegs
nach 2005. Damals etablierte sie sich als Protestpartei gegen die
weltanschaulich entkernte SPD. Doch seit die SPD nicht mehr regiert, sucht
die Linkspartei vergeblich eine neue Rolle.
Oder schlimmer noch: Der Lafontaine-Flügel tut einfach so, als wäre nichts
geschehen. Routiniert rattert man das Mantra: Weg mit Hartz IV, Abzug aus
Afghanistan, Weg mit der Rente mit 67 (alles Vergehen der SPD!) herunter
und prügelt im Bundestag mit starrem Blick auf die Sozialdemokraten ein.
Eine Oppositionspartei, die so auf Abgrenzung von einer anderen
Oppositionspartei fixiert ist, ist eine kuriose Erscheinung.
## Anti-Rot-Grün reicht nicht
Die Partei hat künftig zwei grundlegende Möglichkeiten. Sie kann, was
wahrscheinlich ist, weiter machen wie bisher. Sie wird weiter verbalradikal
gegen Rot-Grün polemisieren. Und die Ostpragmatiker werden weiterhin
murren, ohne je die Machtprobe zu riskieren. Damit kann die Partei durchaus
auch mal wieder Stimmen gewinnen. Wenn die Grünen sich weiter die
schwarz-grün Optionen offen halten und die SPD 2013 mit Peer Steinbrück
antritt, bleibt links viel Platz.
Langfristig aber wird die Linkspartei als ewige Opposition im Bund Teile
ihrer Wählerschaft nach und nach wieder an Rot-Grün verlieren. Vor allem
die sozial Etablierten, die Akademiker und im öffentlich Dienst
Beschäftigten, werden einer Partei den Rücken kehren, die außer
Rechthaberei nichts zu bieten hat. Wenn der Daseinszweck der Linkspartei
Fehler anderer Parteien bleiben, wird sie irgendwann untergehen.
Die Alternative wäre sich als Motor eines rot-rot-grünen Lagers zu
verstehen. Ein zentraler Schritt in diese Richtung wäre derzeit eine neue
Befassung mit dem autoritären Sozialismus. Mauer-Debatte, junge welt und
die Grüße an Fidel zeigen, dass die SED-Vergangenheit der Partei wie ein
Schatten folgt. Das einzige wirksame Mittel dagegen ist ein harter Schnitt
mit Stasi-Nostalgikern und autoritären Linken im Dunstkreis der jungen
welt.
Doch dass die Linkspartei die Kraft dazu aufbringt, ist unwahrscheinlich.
Seit der Fusion mit der WASG gibt es sogar ein backlash in
Geschichtsfragen. Fatal ist, dass Ex-Sozialdemokraten wie Oskar Lafontaine
die Linksextremen als Fußtruppen im Kampf gegen die ihrer Ansicht nach zu
soften Ostpragmatikern adoptiert haben. Das Lob des Mauerbaus durch die
junge welt verniedlichte Lafontaine zur "Satire". Davor schrieb er einen
Text für das Stasi-Nostalgie-Blatt Rotfuchs.
Die Moral-Desaster in Geschichtsdebatten sind der Hartz-IV Klientel der
Partei in der Tat eher egal. Doch die Entfremdung rot-grüner Wechselwähler
von der Linkspartei nimmt mit jedem Eklat zu.
## Gesucht: Radikale Realpolitik
Zum zweiten muss die Partei ein rationaleres Verhältnis zur SPD entwickeln
- auch im Osten. Im Westen ätzen viele Genossen, dass
Regierungsbeteiligungen im Osten doch nur zu Anpassung führen. Der
sektenhafte Ton dieser Kritik ist unüberhörbar - aber das Problem ist real.
Die Linkspartei gilt im Osten an der Seite der SPD schnell als fünftes Rad
am Wagen. So hat die Partei in Berlin nach zehn Jahren Rot-Rot zwar
durchaus Erfolge vorzuzeigen. Doch ihr fehlt die Fähigkeit, sich mit der
SPD mal lautstark anzulegen. Gerade aber wenn zwei in ihrer Praxis
sozialdemokratische Parteien regieren, ist es zentral, Unterschiede
symbolisch zu markieren. Das fällt den Ost-Genossen, die froh sind endlich
als seriöser Regierungspartnern zu gelten, äußerst schwer.
Der Ausweg aus diesem Dilemma heißt, wie kluge Leute schon vor längerem
erkannt haben, eine Art radikale Realpolitik zu versuchen. Allerdings
braucht die Partei dazu Figuren, die gegenüber der SPD in Schwerin und
Potsdam, Erfurt und Magdeburg Selbstbewusstsein demonstrieren.
Die Linkspartei bräuchte somit einen doppelten Schritt: ein selbstbewusstes
Verhältnis zur SPD, das frei von rituellem Abgrenzungszwang ist. Und eine
scharfe, verbindliche Abgrenzung vom autoritären Staatssozialismus.
Letzteres wird ohne Abspaltung von Teilen des Fundiflügels nicht gelingen.
13 Sep 2011
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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