# taz.de -- Schwach radioaktiver Abfall: Ein Berg von Atommüll light | |
> Der AKW-Unfall in Marcoule geschah beim Umgang mit schwach radioaktivem | |
> Abfall. In Deutschland gibt es für diese oft vergessenen Altlasten ein | |
> Endlager. | |
Bild: Höchstrichterlich als offizielles deutsches Atomklo bestimmt: Schacht Ko… | |
BERLIN taz | "Bei uns ist heute alles wie immer", sagt Cédric Garnier vom | |
Museum "Visiatome" auf dem Gelände der Atomfabrik Marcoule bei Avignon. Am | |
Montag war ein Ofen explodiert, in dem schwach radiaoktive Abfälle | |
geschmolzen wurden, und hatte einen Arbeiter getötet und vier Kollegen | |
verletzt. Am Tag danach hatte das Museum wieder geöffnet. 25.000 Besucher | |
pro Jahr lernen, dass hier die Reaktoren für den Sprengstoff der | |
französischen Atombombe standen. | |
"Keine Auswirkungen auf die Umwelt" habe es gegeben, sagt Garnier. Die | |
französischen Behörden sagen das Gleiche. Und auch die Messstationen der | |
unabhängigen Organisation Ciirard im angrenzenden Avignon zeigen seit dem | |
12. September in Boden und Wasser Strahlenwerte deutlich unter der | |
Nachweisgrenze von einem Becquerel. | |
Der folgenschwere Unfall ereignete sich beim Umgang mit schwach | |
verstrahltem Material, das in der Atomindustrie als wenig problematisch | |
gilt. Diese gering belasteten Stoffe werden in der Debatten um | |
Castortransporte und radioaktive Endlager gern vergessen. Dabei machen sie | |
einen riesigen Müllberg aus. | |
Allein in Frankreich fallen nach offiziellen Zahlen jedes Jahr etwa 500.000 | |
Tonnen Strahlenmüll an. Nur 1.150 Tonnen davon sind stark strahlende | |
Brennelemente aus den 58 Reaktoren des Landes. Der Rest ist gering | |
strahlender Müll. Aber auch den kann man nicht einfach in die | |
Wertstofftonne werfen. | |
## Zum wegwerfen zu verstrahlt | |
In Deutschland wird dieser Atommüll light nicht verbrannt. Es gibt für ihn | |
- anders als für die stark strahlenden Atomreste - immerhin ein Endlager: | |
Schacht Konrad bei Salzgitter ist inzwischen höchstrichterlich als | |
offizielles deutsches Atomklo bestimmt und wird derzeit zum Endlager | |
umgebaut. Die Baufirma rechnet mit dem Beginn der Einlagerung ab 2019. | |
Nach Informationen des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) war bis 2009 der | |
deutsche Müllberg auf mehr als 96.000 Kubikmeter angewachsen. Bis 2040, so | |
rechnet die Behörde, werden es insgesamt 277.000 Kubikmeter sein, die | |
entsorgt werden müssen. Konrad ist für 303.000 Kubikmeter ausgelegt. | |
Diese "radioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung" sind | |
nicht heiß genug für den Castor-Behälter, aber zu verstrahlt, um sie | |
einfach wegzuwerfen. Sie stammen zu zwei Dritteln aus Atomkraftwerken, es | |
sind Bauteile, Rohre, Filter oder Schutzkleidung. Der Rest stammt aus der | |
Industrie oder der Forschung. Die Röntgenmedizin macht weniger als 0,5 | |
Prozent der gesamten Abfallmenge aus. | |
## In jedem Castor steckt mehr Strahlung | |
Nach Angaben der AKW-Betreiber sind die schwach strahlenden Abfälle zwar | |
für 90 Prozent des Volumens, aber nur für zwei Prozent der Strahlung | |
verantwortlich. "In jedem Castor steckt mehr Strahlung als im gesamten Rest | |
der schwach radioaktiven Abfälle", heißt es. | |
Gelagert werden diese Reste des atomaren Alltags dann auch nicht in | |
Castoren, sondern in dezentralen Zwischenlagern in Gorleben und Esenshamm | |
in Niedersachsen, in Greifswald, Ahaus und Mitterteich in Bayern. Außerdem | |
gibt es Lager in Forschungseinrichtungen und in Atomfabriken wie in Gronau | |
oder Hanau und die "Landessammelstellen" der Bundesländer. | |
## Nächstes potentielles Ziel: Konrad | |
Laut Strahlenschutzverordnung gelten hier die gleichen Regeln wie überall: | |
Mehr als ein Millisievert pro Jahr darf die Belastung an der Grenze der | |
Atomanlage nicht überschreiten. Zum Vergleich: In Fukushima wurde die | |
Grenze für Schulkinder auf 20 Millisievert hochgesetzt. Für den Transport | |
ins Endlager Konrad rechnet die "Gesellschaft für Reaktorsicherheit" in | |
einem Gutachten mit einer zusätzlichen Belastung von Anwohnern und Personal | |
von 0,02 bis 0,6 Millisievert pro Jahr. | |
Ein Endlager, für den hochradioaktiven Müll in Gorleben seit Jahrzehnten | |
hart umkämpft, gab es für den schwach aktiven Müll bereits zweimal in | |
Deutschland: Von 1994 bis 1998 bescherte die deutsche Vereinigung der | |
bedrängten Atomwirtschaft einen Lagerplatz in Morsleben in Sachsen-Anhalt. | |
Davor, von 1967 bis 1978, waren die schwach- und mittelschwer strahlenden | |
Abfälle im späteren Skandalbergwerk Asse II vergraben worden. Dort gilt | |
allerdings das Wort Endlager nicht mehr: Seit dem Skandal um das | |
strahlenverseuchte Wasser in der Asse hat das Bundesumweltministerium | |
angekündigt, die atomare Fracht dort wieder ans Tageslicht zu holen. | |
Nächstes potentielles Ziel: Schacht Konrad. | |
13 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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