| # taz.de -- NYT-Korrespondent über Euro-Krise: "Alle haben jetzt Angst" | |
| > In den USA erwartet man in der Euro-Krise mehr Führungsstärke von Angela | |
| > Merkel, sagt der "New York Times"-Korrespondent Nicholas Kulish. | |
| Bild: Komm schon, Angie: Die Amerikaner verlangen von der Bundesregierung mehr … | |
| taz: Herr Kulish, wie wird das Verhalten der deutschen Regierung in der | |
| Euro-Krise in den USA wahrgenommen? | |
| Nicholas Kulish: Viele Amerikaner sind sicher der Meinung, dass Angela | |
| Merkel schneller reagieren müsste. Sie finden, dass sie mehr tun könnte, um | |
| die Krise zu bekämpfen. Aber sie verstehen nicht unbedingt, dass sie zu | |
| Hause eine Koalition aus drei Parteien anführt - und auch noch Rücksicht | |
| auf Karlsruhe und Brüssel nehmen muss. | |
| Warum ist das so schwer zu verstehen? | |
| Es fällt immer schwer, die Komplexität auf der anderen Seite des Atlantiks | |
| zu verstehen. Merkel wird in den USA oft fälschlicherweise als | |
| Staatsoberhaupt gesehen. Man vergisst, dass sie kein Präsident ist, der | |
| auch mal einsame Entscheidungen fällen kann. Nicolas Sarkozy und Gordon | |
| Brown sind uns in dieser Hinsicht wohl näher. | |
| Welche Sorge treibt die Amerikaner um? Warum wünschen sie sich von Angela | |
| Merkel mehr "Leadership" in der Krise? | |
| Die Amerikaner denken vor allem an ihre eigene Stabilität. Sie fürchten, | |
| die Wall Street könnte von der Euro-Krise angesteckt zu werden - so, wie | |
| auch Europa von der Lehman-Brothers-Pleite getroffen wurde. Der Fall jetzt | |
| lässt sich allerdings kaum auf amerikanische Verhältnisse übertragen. Es | |
| ist ein bisschen so, als müssten die USA für Mexiko haften - was sie | |
| während der Peso-Krise 1994 getan haben, um Mexikos Währung und | |
| Staatsanleihen zu verteidigen. | |
| Halten Sie den Streit in der Koalition über den richtigen Kurs gegenüber | |
| Griechenland für eine ernsthafte Regierungskrise? | |
| Ja, ich halte das für eine ernsthafte Koalitionskrise. Das liegt an der | |
| schwierigen Lage der FDP. Sie haben zuletzt so starke Verluste erlebt, | |
| gerade erst wieder bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen. Sie müssen | |
| etwas tun - und da bietet ihnen das Thema die Chance, sich zu profilieren. | |
| Die Märkte reagieren derzeit schon auf Gerüchte und Andeutungen sehr | |
| empfindlich. Ist es da nicht verantwortungslos, wenn der deutsche | |
| Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler laut über eine mögliche | |
| "Insolvenz" Griechenlands nachdenkt? | |
| Ich möchte das nicht kommentieren. Aber so funktioniert die Politik nun | |
| mal. Wenn ein relevanter Teil der Bevölkerung etwas will, reagieren | |
| Parteien darauf. Die Griechenland-Hilfen sind nicht sehr populär. Für eine | |
| Partei, die von 15 Prozent bei den letzten Bundestagswahlen auf derzeit um | |
| die vier Prozent abgestürzt ist, stellt es da natürlich eine große | |
| Versuchung dar, auf diesen Zug aufzuspringen. Es gibt in Deutschland | |
| bislang keine Anti-EU-Partei. Und die FDP muss sich ja nicht nur gegenüber | |
| Merkel abgrenzen, um ihr Profil zu schärfen, sondern auch gegenüber Grünen | |
| und SPD, die für die Einführung von Euro-Bonds eintreten. | |
| Die Aktienmärkte sind kräftig in Bewegung, zuletzt gingen die Aktien | |
| französischer Banken in den Keller. Welche Befürchtungen haben Sie? | |
| Alle haben Angst. Aber keiner weiß, was er tun sollte. Es ist wie 2008. | |
| Auch damals begannen viele Telefonate mit den Worten: Ich habe Angst vor | |
| dem, was jetzt passieren wird. Es gibt mehr Fragen als je zuvor. Auch ich | |
| werde ständig gefragt, wie es jetzt weitergehen soll - von Menschen aus der | |
| Wirtschaft, im Freundeskreis. Sogar von Kollegen wie Ihnen. Das ist ein | |
| Zeichen für die große Unsicherheit, die zurzeit herrscht. | |
| Und was sagen Sie denen? | |
| Ich bin nicht der Mann, der die Antworten hat. Ich würde auch nicht gerne | |
| mit der Kanzlerin den Platz tauschen wollen. Sie steht von vielen Seiten | |
| unter Druck - und alle Argumente sind gut begründet. | |
| 14 Sep 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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