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# taz.de -- Syrische Opposition: Erste Schritte zu mehr Einheit
> Die Protestbewegung hat eine Reihe von neuen Bündnissen geschlossen. So
> wollen sie eine größere Geschlossenheit im Kampf gegen das Assad-Regime
> erreichen.
Bild: Der syrische Oppositionelle Hassan Abdul Azim (Mitte) auf einer Pressekon…
BERLIN taz | Die syrische Opposition verstärkt ihre Anstrengungen, eine
gemeinsamen Linie zu entwickeln. In den vergangenen Tagen haben
Regimegegner im In- und Ausland mehrere Anläufe genommen, eine vereinte
politische Front zu bilden.
Zunächst haben am Donnerstag Oppositionelle während einer Konferenz in
Istanbul die Gründung eines Nationalrats bekannt gegeben. Von den 140
Mitgliedern leben 70 innerhalb von Syrien. "Viele Strömungen sind in dem
Rat vertreten, derzeit wird noch verhandelt, um wirklich alle Gruppen
einzuschließen", sagt Hozan Ibrahim, ein Mitglied der Lokalen
Koordinierungs-Komitees (LKK), einer Art Dachverband der Demonstranten. Die
LKK selbst haben sich dem Gremium noch nicht angeschlossen, das säkulare
ebenso wie islamistische Oppositionsgruppen umfasst. "Wir tendieren zu
einem Beitritt, warten vorerst noch ab", meint der Aktivist. Die Gespräche
seien noch nicht abgeschlossen, auch der Vorsitzende stehe noch nicht fest.
Sechs Monate nach dem Beginn der Proteste gegen das autoritäre Regime von
Baschar al-Assad fehlt der Opposition noch eine klare Organisation. Diese
führungslose Struktur erweist sich zunehmend als Schwäche. Denn
mittlerweile sind nach UN-Angaben rund 2.600 Menschen bei den Protesten ums
Leben gekommen. Ein Ende des Regimes aber ist nach wie vor nicht in Sicht.
## Gemischte Reaktionen
Die Ankündigung aus Istanbul stieß in Syrien auf gemischte Reaktionen. Denn
bereits Ende August wurde in Ankara die Gründung eines Nationalen
Übergangsrates bekannt gegeben, ohne dass die Initiative konkrete Schritte
zu einer Einigung der zersplitterten Opposition eingeleitet hätte.
"Ständig gibt es neue Räte und Gremien. Es gibt keinen Grund anzunehmen,
dass das bei diesem neuen Nationalrat anders sein wird", meint Tarek, ein
Demonstrant und Rechtsanwalt aus Damaskus. "Jeden Tag tritt irgendwer vor
die Kameras und behauptet, er würde die syrische Straße vertreten. Doch das
sind nur leere Worte. Diese Leute spielen mit unserem Leben."
Viele Aktivisten dagegen sehen die Initiative in Istanbul durchaus als
wichtigen Fortschritt hin zu mehr Geschlossenheit. "Ich denke, dieser
Nationalrat ist etwas, auf dem wir aufbauen können", sagt der Damaszener
Aktivist Amer al-Sadek. "Ich sage nicht, dass der Prozess abgeschlossen
ist. Doch diese Initiative zeigt, dass die Dinge in Bewegung gekommen
sind." Es gebe eine ganze Reihe von Anzeichen, dass die Opposition zuletzt
an Reife und Profil gewonnen habe.
So kamen am Samstag mehr als 200 Regimegegner nahe Damaskus zu Gesprächen
zusammen. Der Geheimdienst habe das Treffen auf einer Farm außerhalb der
Hauptstadt zwar beobachtet, hieß es aus Kreisen der Opposition. Festnahmen
habe es jedoch nicht gegeben.
Das Treffen sei vor allem deswegen bedeutsam, weil es innerhalb Syriens
stattgefunden habe, sagt Tarek, der Anwalt: "Es ist ein erster Schritt",
meint er. "Nun haben wir das Regime gezwungen, unser Treffen zuzulassen. So
etwas wäre noch vor wenigen Monaten undenkbar gewesen." An der Konferenz
nahmen überwiegend Vertreter der ältere Generation syrischer
Oppositioneller Teil, linkssäkulare Intellektuelle, die sich seit
Jahrzehnten für demokratische Veränderungen einsetzen. Allerdings kamen
auch Exiloppositionelle und jüngere Aktivisten hinzu.
## Allein am Freitag 50 Tote
Kritiker merken indessen an, dass das Regime das Treffen möglicherweise nur
deswegen nicht verhindert hat, um Kompromissbereitschaft vorzutäuschen.
"Natürlich können wir hier innerhalb des Landes nicht alles offen sagen,
was wir wollen", meint Tarek. "Doch zumindest war diese Konferenz etwas,
was von selbst kommt und nicht von außen."
Auch in Paris hat sich ein neues Bündnis formiert. Die "Koalition
demokratischer und laizistischer Kräfte" verfolge das Ziel, für den Sturz
von Assad zu kämpfen, sagte die Sprecherin Randa Kassis der dpa. Zudem
solle verhindert werden, dass Syrien den Islamisten in die Hände falle.
Unterdessen geht das Regime weiter mit äußerster Gewalt gegen die
Protestbewegung vor. Allein bei den Demonstrationen am Freitag kamen 50
Menschen ums Leben, weitere vier starben am Samstag. In der ostsyrischen
Stadt Deir al-Sur kam es am Wochenende zu Razzien und Verhaftungen. "Am
Samstag früh um drei hörten wir Schüsse und Explosionen aus dem Viertel
al-Dschura. Dort kämpften desertierte und regimetreue Soldaten
gegeneinander", sagt Abu Adnan, ein Demonstrant in Deir al-Sur. Mindestens
20 Menschen wurden verhaftet.
18 Sep 2011
## AUTOREN
Gabriela M. Keller
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