Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Glaubenskritik revisited: Von den drei Betrügern
> Der Papst kommt. Ein guter Moment, an das Pamphlet "Von den drei
> Betrügern" zu erinnern. Darin wird der Glaube einer kritischen Analyse
> unterzogen.
Bild: Die drei Religionsstifter, einträchtig auf einem T-Shirt versammelt.
BERLIN taz | Das Wort von den drei Betrügern Moses, Jesus und Mohammed
geisterte durch die Jahrhunderte des Mittelalters. Das schwere Geschütz
wurde zur Denunziation des religiösen oder politischen Gegners in Stellung
gebracht, um ihn der vollkommenen Gottlosigkeit anzuklagen. So geschah es
Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen, der von Papst Gregor IX. 1239
beschuldigt wurde: "Dieser König der Pestilenz hat erklärt, die Welt sei
von drei Betrügern, Moses, Jesus und Mohammed getäuscht worden."
Der Kaiser verwahrte sich gegen diese Unterstellung. Aber an seinem
sizilianischen Hof fanden Freigeister aus allen Religionen Unterkunft.
Sodass die Vermutung naheliegt, die Rede von den drei Betrügern sei hier,
wo sich der Wahrheitsanspruch der Offenbarungsreligion gegenseitig
relativierte, auf fruchtbaren Boden gefallen. Tatsächlich stammt die
älteste Betrügerrede von gottlosen arabischen Philosophen.
Im Zeitalter der Renaissance wurden auch jene Schriften der Spätantike
wiederbelebt, die sich mit dem christlichen Glaubensbegriff und dem Versuch
seiner rationalen Begründung auseinandersetzten. In diesem Milieu früher
Aufklärung, wo Schriften religionskritischen Inhalts kursierten, war häufig
von einem Werk "De tribus impostoribus" die Rede. Aber niemand hatte es
gelesen.
Existierte es überhaupt? Endlich gelang es dem Prinzen Eugen, dem großen
Feldherrn der Türkenkriege, zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Handschrift
zu ergattern. Und auch Königin Christina von Schweden, die ihren
Staatsminister losgeschickt hatte, konnte schließlich einen Druck aus
Amsterdamer Provenienz erwerben.
## Warum sollen wir Gott verehren?
Zutage kam eine kurze, in lateinischer Schrift verfasste Abhandlung, die
allerdings nicht hunderte von Jahren alt war, wie der Mythos nahegelegt
hatte. Sie wurde Ende des 16. Jahrhunderts geschrieben und später ergänzt.
Ihr Verfasser fragt sich, warum wir Gott verehren sollten. Hat er, der
"Allmächtige", denn Verehrung nötig? Und kann man jemanden verehren, der
uns kraft der Erbsünde in unserer Urteilsfähigkeit grundsätzlich
eingeschränkt hat? Warum sollen wir den Religionsstiftern glauben?
Wir werden angehalten, für wahr zu halten, was nach Meinung der Gläubigen
sich der Erkenntnis entzieht. Zentral für die Argumentation des Autors ist
der Begriff des Zeugnisses. Während in den Offenbarungsreligionen Zeugnis
mit Bekenntnis identifiziert wird, kommt es doch in einem Beweisverfahren
darauf an, Zeugnis als zuverlässigen Bericht eines Dritten anzusehen. Und
für keine der Offenbarungen existiert ein solcher unbeteiligter Beobachter.
Von großer Schärfe ist der ideologiekritische Aspekt der Schrift: Inwieweit
stehen Religionsstifter im Verdacht des Betrugs? Ihr Verhalten legt diesen
Verdacht nahe. Jesus etwa verspricht seinen Anhängern die Auferstehung und
ein künftiges ewiges Leben, seine Gottessohnschaft wie auch seine
Jungfrauengeburt soll ihn allem Irdischen entrücken. Wer zweifelt, wird
durch die Wunder bekehrt. Moses selbst bediente sich erst okkulter Künste,
um dann "mit der ungestümen Macht der Waffen die Kleinkönige Palästinas zu
vertreiben und sich selbst zum Fürsten und Diktator des Volkes
aufzuwerfen", heißt es da.
Wem nutzt allgemein gesprochen der Gottesdienst? Wer profitiert von der
Angst der Gläubigen, der ewigen Verdammnis anheimzufallen? Dem Verfasser
von "De tribus impostoribus" ist es klar: "Jedermann kann einsehen, dass er
hauptsächlich für die Herrschenden und Reichen von Nutzen ist, wenn man auf
die Religion eine gewisse äußere Rücksicht nimmt, um die Unbändigkeit des
Volkes abzuschwächen."
## Hier wirkt ausschließlich die Vernunft
Aber spricht der Verfasser nicht selbst von der "natürlichen Religion", von
den göttlichen Funken, die sich im Herzen jedes Menschen fänden? Man darf
sich durch den hier verwandten Begriff "Religion" nicht täuschen lassen.
Denn es wirkt hier kein Schöpfergott, sondern ausschließlich die Vernunft,
die jeden Menschen befähigt, rational zu handeln. Die Quelle dieser
natürlichen Vernunft ist das doppelte Gebot der Selbsterhaltung und der
Erhaltung der Gemeinschaft. Also auch der gegenseitigen Hilfe. In dieser
These findet sich der linke, sozialutopische Einschlag des Traktats.
Durch Vermittlung des Freigeistes Herrmann Samuel Reimarus gelangt Gotthold
Ephraim Lessing in den Besitz der Betrüger-Schrift. Der Dichter ist kein
Atheist, muss sich aber wegen der Publikation offenbarungskritischer
"Fragmente" aus der Feder von Reimarus der Angriffe der protestantischen
Dogmatiker erwehren.
In seinem Schauspiel "Nathan der Weise" antwortet Nathan auf die Frage des
Sultans Saladin nach der richtigen Religion mit der berühmten Ringparabel:
Jeder der drei Söhne eines begüterten Kaufmanns will dessen Ring erben, dem
wundertätige Wirkungen zugeschrieben werden. Der Vater will sich nicht
entscheiden, lässt zwei täuschend ähnliche Ringe anfertigen und vererbt
jedem der Söhne ohne Wissen der anderen "seinen" Ring.
Die Söhne (das sind bei Lessing die drei Offenbarungsreligionen) laufen zum
Kadi. Der aber bescheidet sie, dass der wahre Ring längst verloren sei,
sich aber jeder der drei Söhne so verhalten solle, als ob er den Ring
besitze. Lessing charakterisiert die drei Söhne als "betrogene Betrüger".
Eine klare Anspielung auf "De tribus impostoribus" und die Kritik an dem
jeweils exklusiven Wahrheitsanspruch der Religionen. Zwischen dem
Betrugsvorwurf und der Aufforderung zur religiösen Toleranz besteht ein
innerer Zusammenhang.
Wer der Verfasser der Betrüger-Schrift war, ist bis heute umstritten. Als
Kandidat gilt der Genfer Freigeist Jacques Grenet, der auf Veranlassung
Calvins hingerichtet wurde.
Ein neuer Vorschlag stammt von Friedrich Niewöhner. Er vermutet den Autor
im Umkreis der Marranen, also der spanischen und portugiesischen Juden, die
unter Zwang zum Christentum konvertierten. In der Emigration wandten sie
sich oft wieder dem Judentum zu, aber nicht alle wurden damit glücklich.
Das Exil hatte sie auf Distanz gehen lassen zur vertrauten religiösen
Heimat, sie zur kritischen Rationalität erzogen. Ihr Wahlspruch: "Weder
Jude noch Christ noch Mohammedaner."
20 Sep 2011
## AUTOREN
Christian Semler
## ARTIKEL ZUM THEMA
Papst-Rede im Bundestag: Im Herzen des Staates
Der Papst kommt, viele wollen ihn nicht sehen. 100 Abgeordnete werden
Benedikt XVI. im Bundestag boykottieren. Der Linke Jan Korte fehlt "aus
Höflichkeit".
Protest: Papstgegner freuen sich auf Beteiligung aus Bundestag
Das Aktionsbündnis "Der Papst kommt" erwartet am Donnerstag 20.000
Teilnehmer. Geplant ist unter anderem eine Demonstration.
Eine Polemik zum Papstbesuch: Habt doch Erbarmen!
Seid gute Gastgeber, alle, die nicht an Gottes katholische Erbauung auf
Erden glauben - und betet für den Pontifex, er besucht ein für ihn
verlorenes Land.
Streitgespräch zum Papstbesuch: "Ich glaube ... " - "Ich glaube nicht ..."
Papst Benedikt XVI. kommt nach Berlin - und polarisiert. Für die taz haben
sich der überzeugte Katholik Christoph Lehmann und der ebenso überzeugte
Religionskritiker Philipp Möller gestritten: über Toleranz und Moral, über
Staat und Kirche, über den einen Gott und das Fliegende Spaghettimonster.
Kommentar Papstrede im Bundestag: Zur falschen Zeit am falschen Ort
Kommenden Donnerstag wird der Papst eine Rede im Bundestag halten.
Zahlreiche Abgeordnete wollen den Auftritt boykottieren. Zu recht, findet
Ines Pohl.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.