# taz.de -- Offene Fragen bei EWE-Projekt: Controlling-Löcher beim Energieries… | |
> Die EWE AG ist Deutschlands fünftgrößter Energiekonzern. Seit über zehn | |
> Jahren finanziert EWE eine Agentur, die Präventionsarbeit an Schulen | |
> leisten soll. Was aber genau mit dem Geld geschieht, ist unklar. | |
Bild: Ihm liegt das Präventionsprojekt Sign am Herzen: EWE-Chef Werner Brinker. | |
OLDENBURG taz | Geht es um das gesellschaftliche Engagement, dann trägt der | |
in Oldenburg ansässige Energiekonzern EWE AG gerne mal etwas dicker auf. | |
Man fühle sich, heißt es auf der Internetseite, dem Verantwortungsbegriff | |
des französischen Dichters Molière verpflichtet. Der habe einmal gesagt: | |
"Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für | |
das, was wir nicht tun." Und getreu diesem Motto fördere die EWE "seit zehn | |
Jahren das Präventionsprogramm Sign, ein Projekt zur Sucht- und | |
Gewaltprävention sowie zur Gesundheitsförderung an Schulen in | |
Nordwest-Niedersachsen." | |
Prävention - ein Zauberwort. Und dann auch noch: Sucht-, Gewaltprävention, | |
in Zeiten von Komasaufen und U-Bahn-Schlägern etwas durch und durch | |
Sinnstiftendes. Dagegen kann niemand etwas haben. | |
Ob das Präventionsprogramm Sign, das von der Agentur Prevent GmbH | |
organisiert wird, allerdings tatsächlich so ehrenwert ist, wird die EWE | |
wohl genauer überprüfen müssen. Und sich fragen, ob sie genau weiß, wem sie | |
ihr Geld anvertraut und was damit geschieht. | |
Dokumente, die der taz vorliegen, lassen Sign als dubiose Organisation | |
erscheinen. Eine, die eine ganze Menge Geld von der EWE AG bekommt. | |
Möglicherweise sogar viel mehr, als für das Präventionsprogramm tatsächlich | |
verwendet wird. | |
Da sind zum Beispiel Abrechnungen aus dem vergangenen Jahr, die die Agentur | |
Prevent GmbH quartalsweise der EWE Netz GmbH stellt, einer | |
hundertprozentigen Tochter der EWE AG. Sie belaufen sich für die ersten | |
drei Quartale 2010 auf jeweils 840.292,87 Euro brutto, im vierten Quartal | |
verlangt die Agentur noch einmal knapp 6.000 Euro mehr. Knapp 3,37 | |
Millionen Euro kommen da für das Jahr zusammen. Die EWE AG, die 21 Städten | |
und Landkreisen aus dem Ems-Weser-Elbe-Raum sowie zu 26 Prozent der EnBW | |
gehört, will die Zahlen nicht kommentieren, gleichwohl gilt Sign als | |
größeres Engagement des Unternehmens, das als fünftgrößter Energiekonzern | |
Deutschlands 2010 einen Umsatz von 6,9 Milliarden Euro gemacht hat. | |
Fragwürdig erscheint vor allem der erste Rechnungsposten: Jeweils | |
481.710,18 Euro netto "Projektkosten für das Schuljahr 2010/2011" stellte | |
die Agentur Prevent der EWE für jedes der ersten drei Quartale des Jahres | |
2010 in Rechnung, berechnet "auf Basis von 1.176 Klassen à 1.638,74 Euro", | |
im vierten Quartal für drei Klassen mehr noch einmal 486.625, 59 Euro. | |
Insgesamt also gut 1,9 Millionen Euro. | |
An 116 Schulen in Nordwest-Niedersachsen werde Sign umgesetzt, schreibt die | |
EWE, von der fünften bis zur zehnten Klasse. Kann sein, dass es dabei | |
tatsächlich um 1.176 Schulklassen geht. Aber wie kommen die hohen | |
Rechnungen zustande? | |
Jede der Klassen wird einzeln abgerechnet, doch die Annahme täuscht, dass | |
jede dieser Klassen deshalb auch in den Genuss eines Präventionsseminars | |
oder einer anderen Veranstaltung aus dem Sign-Programm für Schüler, Eltern | |
oder Lehrer komme. Tatsächlich wurden im Jahr 2010 laut einer | |
"Gesamtübersicht aller Workshops, Seminare, Veranstaltungen" gerade mal 276 | |
solcher Veranstaltungen vermerkt. Rechnet man zu den 1,9 Millionen Euro | |
noch die Kosten für die fünf "Sign-Profilschulen" - Schulen, die von der | |
Agentur Prevent bevorzugt behandelt und mit jährlich gut 228.000 Euro | |
abgerechnet werden - hinzu, steht da ein riesiger Geldbetrag für wenige | |
Seminare. Zumal 32 der 276 Veranstaltungen sogenannte Ordnerpräsentationen | |
waren - laut einer ehemaligen Sign-Mitarbeiterin "eine Sache von einer | |
Viertelstunde", bei der eine Schule nur mit Materialordnern versorgt wurde. | |
Und fragt man den Sign-Beauftragten einer dieser Sign-Profilschulen, die | |
sich die EWE pro Jahr circa 45.000 Euro kosten lässt, wie viele aus seinem | |
Kollegium an Sign-Seminaren teilgenommen haben, antwortet er: "15, und in | |
diesem Jahr werden es eventuell weniger sein." | |
Claudia del Valle ist Geschäftsführerin der Agentur Prevent GmbH. Sie sagt | |
zu dem offenbaren Missverhältnis zwischen dem Aufwand, den ihr Unternehmen | |
mit den Schulen hat, und der Anzahl der Seminare, dass es keine Lücke gebe. | |
Es handele sich um eine Gesamtvergütung, "mit der sämtliche Leistungen aus | |
einem dem Vertrag zugrunde liegenden Leistungskatalog abgedeckt sind". Es | |
werde nicht unterschieden "zwischen Schulklassen, denen die | |
Präventionsprogramme angeboten werden und Klassen, die solche Angebote dann | |
abrufen". Der Aufwand für Schulen, die "konkret ausgebildet und beraten | |
werden", sei deutlich größer als die pauschal pro Klasse in Rechnung | |
gestellten 1.638,47 Euro. Zusätzlich allerdings stellt sie der EWE auch | |
noch 133.423,73 Euro pro Quartal für "Redaktion, Projektmanagement, | |
Öffentlichkeitsarbeit, Päd. Begleitung" in Rechnung. Und auch wenn del | |
Valle von "über 300 abgerufenen Schulungen in 2010" spricht - die Differenz | |
bleibt auffällig. | |
Bei der EWE AG selbst heißt es, man fühle sich durch ein "umfangreiches | |
Reporting-Programm ausreichend informiert", Pressesprecher Reinhard Schenke | |
jedoch sagt, er könne nicht beantworten, wie sich die Kosten "im Detail" | |
errechnen. Grundsätzlich bezweifele sein Unternehmen nicht, dass der | |
Projektpartner für das Geld auch etwas leiste - "aber vielleicht müssen wir | |
da mehr in die Tiefe gehen". | |
Merkwürdig mutet auch eine Gehaltsabrechnung del Valles vom September 2010 | |
an. Demnach kassierte die Geschäftsführerin der Agentur Prevent GmbH neben | |
ihrem Geschäftsführergehalt in Höhe von 8.000 Euro zusätzlich eine | |
"Tantieme" von 36.340 Euro. Sie sagt, sie erhalte "wie wahrscheinlich | |
hunderttausende Geschäftsführer in dieser Republik" eine erfolgsbezogene | |
Tantieme. | |
Erfolgsbezogen? Del Valles einziger Kunde ist die EWE AG, die ihr Geld | |
überweist, um Präventionsarbeit zu leisten. Der Energieversorger steht | |
sogar im Impressum der zum Sign-Projekt gehörenden Webseite | |
[1][www.sign-project.de] als "Herausgeber". Dass bei dem EWE-Geld für die | |
Präventionsarbeit noch eine stattliche Extra-Vergütung für die | |
Geschäftsführerin des Unternehmens hinter Sign herausspringt, klingt | |
seltsam. Das Zustandekommen dieser Tantieme aber mag del Valle "nicht | |
öffentlich diskutieren oder kommentieren". EWE-Sprecher Reinhard Schenke | |
sagt, sein Unternehmen habe nichts von dieser Tantieme gewusst. Er zieht | |
den Schluss: "Die Pauschalabrechnung scheint Risiken zu haben, das sehen | |
wir jetzt." | |
Noch einen Schritt weiter geht Schenke bei der nächsten Auffälligkeit: del | |
Valle hat mit Geld der Agentur Prevent GmbH einen Geschäftspartner vor der | |
Insolvenz bewahrt. Auf dem Unternehmen des Mannes, einem Druckhaus, | |
lasteten Forderungen anderer Unternehmen, die er nicht erfüllen konnte - | |
also sprang del Valle mit der Agentur ein und übernahm im Jahr 2008 die | |
Forderungen für insgesamt 71.365 Euro. Sie bestätigt, dass "zwei | |
Überweisungen in diesem Komplex von Konten unserer Gesellschaft gebucht | |
wurden". Dabei habe es sich jedoch um "eine vorübergehende Entnahme" | |
gehandelt, die anschließend privat ausgeglichen worden sei. Ein Schaden sei | |
nicht entstanden. | |
Dennoch könnte gerade dieser Vorgang Konsequenzen für die Zukunft des | |
Sign-Projekts haben. EWE-Sprecher Schenke sagt: "Das wäre für uns ein | |
Anlass, um in ernste Gespräche mit Frau del Valle über die Buchführung zu | |
treten." | |
EWE-Chef Werner Brinker liegt das Sign-Projekt sehr am Herzen, sagt | |
Schenke. Eigentlich sollte es bis 2017 weiterlaufen. Ob es dazu kommt, | |
erscheint derzeit ungewiss. | |
20 Sep 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sign-project.de | |
## AUTOREN | |
Felix Zimmermann | |
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