# taz.de -- Anti-Papst-Demo in Berlin: "Ratze, go home!" | |
> Unter dem Motto "Keine Macht den Dogmen" demonstrieren in Berlin 6.000 | |
> bis 8.000 Papstgegner. Bürgermeister Klaus Wowereit äußert "Verständnis" | |
> für die Proteste. | |
Bild: Protestieren gegen die "Anti-Kondom-Politik" des Papstes: DemonstrantInne… | |
BERLIN taz | Das Popomobil geht in der Demo-Masse fast unter. Das | |
Pappmaché-Wägelchen, ein riesiger, orangefarbener Hintern, wird von der | |
Queer-Gruppe der HU Berlin geschoben. "Weil sich die Sexualfeindlichkeit | |
des Papstes immer wieder auf schwulen Geschlechtsverkehr konzentriert", | |
erklärt ein Student mit rotgefärbten Haaren. Er stehe er da eher für die | |
"Freiheit von Religion". | |
Bei dem Popomobil bleibt es nicht: Falsche, verkleidete Päpste, Nonnen und | |
Mönche. Eine große Nonnenfigur mit Prügelstock, auf einer Schulter sitzt | |
eine Gummipuppe. Dazu Regenbogenfahnen, aufgeblasene Kondome. Es riecht | |
nach Weihrauch. "Wo sind die Mösen in den Diazösen?", steht auf einem | |
Schild, "Ratze, go home!" auf einem anderen. | |
Am Nachmittag sind es nach Polizeiangaben zwischen 6.000 und 8.000 | |
Papstkritiker, die auf dem Potsdamer Platz in Berlin gegen den ersten Stopp | |
der Deutschlandreise von Joseph Ratzinger protestieren – parallel zur | |
dessen Rede im Bundestag. Die ersten Gegner standen bereits am Morgen vor | |
dem Terminal A des Berliner Flughafens Tegel, wo die Alitalia-Maschine des | |
Papstes um kurz nach 10 Uhr landete. Rund 50 Linke und eine "Gegenpäpstin | |
Rosa I.", ihr knallpinkes Transparent kündete "Gegen Antisemitismus, | |
Sexismus und Homophobie". Der Papst nahm den Hinterausgang. | |
"Es ist so unglaulich peinlich, dass die Kirche leugnet, dass sie | |
tonnenweise Schwule in ihren Reihen hat", ärgert sich eine 49-Jährige. Drei | |
Brandenburger Schülerinnen finden das Kondomverbot des Papstes "albern". | |
Ein 40-jähriger Schwuler wettert gegen eine "Sexualpolitik des Vatikan von | |
vor hundert Jahren." | |
## "Nicht wegducken" | |
Auch Bundestagsabgeordnete von Linke, Grünen und SPD mischen sich unter die | |
Protestler, darunter Rolf Schwanitz. Der SPD-Abgeordnete hatte mit seiner | |
Boykottankündigung der Papstrede einigen Wirbel ausgelöst. Er habe sich | |
nicht einschüchtern lassen, so der Thüringer. Die Papstrede im Bundestag | |
sei unvereinbar mit der Neutralität des Staates. "Da darf man sich nicht | |
wegducken." Und: Er sei heute nicht allein hier aus seiner Fraktion. Dann | |
zieht der bunte Tross in Richtung katholische Hedwigskathedrale weiter. | |
Bereits seit Monaten hatte ein Bündnis aus 70 Organisationen die | |
Großdemonstration vorbereitet: Aidshilfe, Pro Familia, DGB, Humanistische | |
Union, linksradikale Gruppen, vor allem aber Dutzende Homosexuellengruppen | |
aus der Hauptstadt. Die Sexual- und Geschlechterpolitik des Papstes sei | |
schlicht "menschenfeindlich", so die Kritik. Berlins Regierender | |
Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) äußerte daher "Verständnis" für die | |
Proteste: Manche Kirchenlehre gehöre "in die zurückliegenden Jahrtausende, | |
aber nicht in die Neuzeit", dennoch sei der Papst "herzlich willkommen". | |
Der Papst könne seine Messen halten, sagt eine Frau. Aber im Bundestag habe | |
er nichts zu suchen. Das gebiete die Trennung von Kirche und Staat. Drei | |
Schüler auf Klassenfahrt schnappen sich ein Banner: "Den Papst verhüten". | |
"Wie kann man heute noch gegen Kondome sein", fragt einer. Der Dalai Lama, | |
sagt eine Frau, sei wenigstens noch intelligent und glaubwürdig – Ratzinger | |
dagegen nur peinlich. | |
## Applaus für zwei schwule Ex-Pfarrer | |
Auf dem großen, schwarzen Demo-Truck ernten zwei schwule, katholische | |
Ex-Pfarrer Applaus. Ebenso wie grüne und linke Bundestagsabgeordnete, die | |
die Papstrede boykottiert hatten. Dann wird es ganz still – eine | |
Schweigeminute für kürzlich verstorbene Aids-Tote. | |
Zwischen Grünen-Fahnen läuft Thomas Birk mit blauem Püschel am Handgelenk. | |
"Die offene Homophobie des Vatikans ist unerträglich", schimpft der schwule | |
Abgeordnete aus Tempelhof. Dass sein Parteikollege Benedikt Lux mal eine | |
Platzbenennung nach Papst Johannes Paul II. gefordert hat: Nun ja, das sei | |
eine Einzelmeinung in der Partei gewesen. | |
Die Hauptstadt ist ein schwieriges Pflaster für die katholische Kirche: | |
Beim letzten Papst-Besuch, 1996 von Johannes Paul II., flogen Tomaten aufs | |
Papamobil. Diesmal fällt ein Bad in der Menge aus. Aus Zeitgründen, heißt | |
es aus dem Berliner Erzbistum. Stattdessen wird die schwarze Limousine von | |
Benedikt XVI. am Donnerstag mit einem Polizei-Großaufgebot und unter | |
etlichen Straßensperrungen durch die Stadt gelotst. | |
Die Gegner suchen dennoch die Papstnähe. Für den Abend kündigten sie eine | |
Kundgebung vor der Nachtstätte Ratzingers an, der Vatikan-Vertretung im | |
Süden Kreuzbergs. Auch am Freitag wird es für den Papst keine Ruhe geben: | |
Ein Bündnis "Heidenspaß statt Höllenangst" trommelt in Erfurt, der zweiten | |
Reise-Etappe, ebenfalls seit Monaten zu Protesten. | |
22 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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