# taz.de -- Die Piraten und der Staatstrojaner: Keine Politik in Twittergeschwi… | |
> Der Piratenpartei hätte die Affäre um die Spionagesoftware nicht | |
> gelegener kommen können. Doch die Chance blieb ungenutzt. | |
Bild: Von "starkes Stück" zu "bodenlose Frechheit": Die Wortwahl des Berliner … | |
BERLIN taz | Es wäre eine Steilvorlage gewesen: Mehrere Bundesländer werden | |
nach einer Veröffentlichung des Chaos Computer Clubs (CCC) gezwungen, den | |
Einsatz eines Staatstrojaners zuzugeben. Einer Software also, die es | |
ermöglicht, Computer aus der Ferne auszuspähen und zu manipulieren, auf | |
fragwürdiger juristischer Basis. Doch bei der Piratenpartei, der Partei, | |
die sich am stärksten auf netzpolitische Themen konzentriert, hält man sich | |
nach der Entdeckung zurück. | |
Gleich einen Tag nach der Veröffentlichung des CCC geben der | |
Bundesvorsitzende Sebastian Nerz und der frisch gewählte Berliner | |
Abgeordnete Christopher Lauer der [1][FAZ ein Interview]. Nerz zweifelt, ob | |
es sich tatsächlich um den Bundestrojaner handelt, Lauer sagt, es sei "ein | |
starkes Stück", aber "markige Statements" wären fehl am Platz. | |
Netzaktivisten reagieren mit Kritik. Der Blogger [2][Felix von Leitner | |
schreibt]: "Das ist gerade die Gelegenheit […], die etablierten Parteien | |
mit heruntergelassenen Hosen vor euch herzutreiben." | |
Drei Tage später ist auch [3][Lauers Einschätzung] anders. Er spricht jetzt | |
von "Skandal", "unhaltbarem Zustand" und "bodenloser Frechheit", prangert | |
die Kosten für die Überwachung an und überlegt, wie viele Fahnder man wohl | |
für diese Summe hätte ausbilden können. Zu dem Wandel sagt er: "Ich konnte | |
zu dem Zeitpunkt noch nicht richtig überblicken, was die Lage ist." | |
Inzwischen könnte es aber zu spät sein. Der Trojaner hat einen | |
Koalitionskonflikt zwischen Union und FDP ausgelöst. Während | |
Unionspolitiker die Analyse des CCC infrage stellten, kündigte | |
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine | |
"totale Aufklärung" an. Die stark angeschlagenen Liberalen wollen sich | |
wieder als Bürgerrechtepartei profilieren. "Das ist natürlich der letzte | |
Rettungsanker der FDP", glaubt auch Bernd Schlömer, der stellvertretende | |
Vorsitzende der Piraten im Bund. | |
## "Ein bisschen unprofessionell" | |
Doch bei den Piraten ist nicht nur die Parteispitze, sondern auch die Basis | |
spät dran: Erst seit Dienstag [4][sammeln sie gemeinsam Argumente] gegen | |
die Technik. Diese sind im sogenannten Piratenpad öffentlich einsehbar. Die | |
Landesverbände meldeten sich drei Tage nach der Veröffentlichung des CCC | |
per Pressemeldung zu Wort. | |
"Das ist vielleicht ein bisschen unprofessionell", gesteht Schlömer. "Aber | |
wir brauchen dafür Zeit - wir können keine Politik in | |
Twittergeschwindigkeit machen." Er verweist darauf, dass die Piraten die | |
Parteiarbeit ehrenamtlich erledigten: "Wir sind alle vollberuflich tätig | |
und können uns nicht jederzeit vor die Kameras stellen." Lauer sagt, es | |
gehe ihm auch um ein anderes Auftreten der Piraten nach außen. "Natürlich | |
hätte ich gleich voll auf die Kacke hauen können. Aber ich muss nicht die | |
ganze Zeit das Klischee des Politikers voll bedienen." | |
In Berlin, dem ersten Landesparlament, in das die Piraten eingezogen sind, | |
wollen sie jedenfalls ihre Rechte ausschöpfen. Eine Kleine Anfrage zum | |
Einsatz der Software in Berlin sei bereits in Arbeit, heißt es aus der | |
Fraktion. Stellen können die Piraten sie aber erst Ende des Monats - wenn | |
das Abgeordnetenhaus sich konstituiert hat. | |
12 Oct 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.faz.net/frankfurter-allgemeine-zeitung/im-gespraech-sebastian-ne… | |
[2] http://blog.fefe.de/?ts=b06f3cda | |
[3] http://www.christopherlauer.de/2011/10/11/zum-bundestrojaner-ein-rant/ | |
[4] http://immernurwollen.piratenpad.de/2 | |
## AUTOREN | |
S. Bergt | |
L. Sander | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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