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# taz.de -- Kommentar Linke Brandanschläge: Die Sehnsucht der Konservativen
> Die Bahnanlagen-Brandsatzleger sind weder Linksterroristen noch
> orientierungslose Spinner. Ihre Kapitalismuskritik hat durchaus
> Berechtigung – ihre Mittel hingegen nicht.
Da hat aber einer die RAF vermisst. Der Linksextremismus eskaliere zum
Linksterrorismus, meint Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann und
prophezeit Mordanschläge.
In solchen Worten ist die Sehnsucht vieler Konservativer nach einem
ordentlichen, geschlossenen Feindbild deutlich spürbar. Vielleicht sollte
man dafür Verständnis haben, wo doch die Identitätskrise im vermeintlich
bürgerlichen, jedenfalls aber schwarz-gelben Spektrum seit Monaten die
Öffentlichkeit beschäftigt. Konservativ sein ist aktuell schwer, da kommen
Brandsätze an Bahnhöfen und Bahngleisen gerade recht.
Bei den Leuten, die an Bahnanlagen Brennstoffgefäße verstreut haben,
handelt es sich vermutlich aber auch nicht um orientierungslose Spinner
oder Psychopathen, wie einige Grüne meinen. Das Bekennerschreiben ist eine
relativ konzise und stilistisch gelungene Abhandlung über den Zusammenhang
zwischen kapitalistischen Produktionsbedingungen und politischer Stumpfheit
angesichts des Leids in der Welt. An dem Text zu kritisieren ist
bestenfalls, dass die Finanzkrise darin keine Rolle spielt.
In der Sache ist es natürlich falsch, den Bahnverkehr in und rings um
Berlin lahmzulegen. Nicht nur weil man mit solchen Anschlagsversuchen stets
und immer die Falschen trifft, den politischen Gegner stärkt und diesem
dazu noch die entnervten Bahnkunden in die Arme treibt. Sondern auch weil
sich Gefahr für Menschenleben eben nicht sicher ausschließen lässt, wenn
man an Kabeln zündelt.
Die Brandsatzleger beweisen dabei einen geradezu rührenden Glauben an die
Bahn, wenn sie davon ausgehen, dass alle Zugsignale auf Rot springen,
sobald ein Steuerungskabel durchschmort. Ist doch wohl "Made in Germany",
wird doch wohl funktionieren. Wer aber so offensichtlich auf die
Errungenschaften der Bundesrepublik vertraut, muss auch imstande sein, den
Protest gegen die Ungerechtigkeit der Welt an die hiesigen Verhältnisse
anzupassen. Dazu gehören Aktionsformen, die nicht verkappte Wünsche des
schwarz-gelben Lagers nach der Wiederkehr der Linksterrorismus bedienen.
Wer die politische Apathie im Land beklagt, wird als eine ihrer Wurzeln die
Angst vieler Menschen vor der Zukunft finden. Darauf nur noch weitere
Ängste – vor Terror, vor Zugunglücken – zu pflanzen, ist sinnlos.
12 Oct 2011
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
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