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# taz.de -- Rugby-WM-Halbfinale: In Neuseeland flattern die Nerven
> Spannung vor dem WM-Halbfinale der All Blacks gegen die Australier: Die
> Rugby-Welt blickt auf David Pocock – Superstar, Chefstratege und
> Gutmensch der Aussies.
Bild: Die ewigen Rugbyrivalen: Neuseeland (in schwarz) gegen Australien.
AUCKLAND taz | Der kleine gegen den großen Cousin, leidenschaftliche
Titelträume gegen Turnierpragmatismus, All Blacks gegen Wallabies –
zwischen Auckland im Norden und Queenstown im Süden Neuseelands gibt es an
diesem Wochenende wohl lediglich ein paar Millionen Schafe, die dem
bevorstehenden Halbfinale der Rugby-WM gegen Australien nicht
entgegenfiebern.
Dabei geht es neben dem Finaleinzug auch um die Klärung zweier Grundfragen:
Welche Nation stellt den derzeit besten Spieler der Welt? Ist Neuseelands
Rugbytempel Eden Park für die Australier tatsächlich eine uneinnehmbare
Festung?
Als hätten die Kiwis mit Erdbeben und Tankerunglück nicht schon genug
Sorgen am Hals, bestimmte auch noch die körperliche Misere dreier
All-Black-Legenden die Titelblätter der neuseeländischen Zeitungen in den
vergangenen Tagen. Da war zunächst die Klinikeinweisung von Jonah Lomu. Der
erste globale Superstar des Rugbys ist nierenkrank.
Lomu hat das Central Hospital von Auckland in der vergangenen Woche wieder
verlassen. So viel Glück hatte Dan Carter, der smarte Posterboy der All
Blacks nicht. Seine Leistenverletzung nach der Gruppenphase bedeutete das
endgültige Turnieraus. Und dann war da ja noch der lädierte Fuß von Richie
McCaw. Nach Coach Graham Henry ist der Einfluss des 29-jährigen
Führungsspielers auf das Team "massiv".
Er sei der erfahrenste Kapitän dieser Weltmeisterschaft und vielleicht der
einflussreichste in der Geschichte der All Blacks. "Und jetzt, wo uns Dan
Carter fehlt", so der Trainer "ist seine Wichtigkeit noch einmal immens
gewachsen."
Weil Richie McCaw nun trotz aller Unkenrufe am Sonntag gegen die Wallabies
aufläuft, wird das Aufeinandertreffen mit seinem Gegenüber David Pocock von
ehemaligen Rugbylegenden, Journalisten und Fachleuten zu einem historischen
Moment hochgejazzt.
## Alternder König und junger Rivale
Die Auseinandersetzung des alternden Königs mit seinem deutlich jüngeren
Rivalen hätte, schreibt der britische Guardian, alle "Ingredienzien einer
großen individuellen Sportkonfrontation": das Treffen eines Meisters, den
viele für den besten Rugbyspieler der Gegenwart halten, mit einem
aufsteigenden Talent, das wohl bald seinen Umhang tragen wird.
Dabei sind viele der Meinung, dass sich die Wachablösung längst vollzogen
habe. Josh Kronfeld, einer der besten All Blacks der 1990er, gehört zu
dieser Fraktion. Er sieht in der Dominanz David Pococks einen immensen
Vorteil für die Australier. "Das Halbfinale", so Kronfeld zur Londoner
Times, "wird sich in diesem Duell entscheiden."
Sowohl Pocock, als auch McCaw spielen auf der Position des Openside
Flankers (Flügelstürmer) und tragen die dafür vorgesehene Rückennummer 7.
Openside Flanker sind jene Spieler, die am flexibelsten auf veränderte
Spielsituationen reagieren können.
Sie müssen Tackling und Passspiel beherrschen und sind deshalb die größten
Allrounder auf dem Spielfeld. Auch Dank eines Richie McCaw ist ihre Rolle
in der vergangenen Dekade immer wichtiger geworden. Mittlerweile spielen
oftmals die Kapitäne der Mannschaften auf dieser Position.
## Beste Einzelleistung im Turnier
Richie McCaw, der bei dieser WM als erster Spieler überhaupt sein 100.
Länderspiele für die All Blacks bestritten hat, war über die vergangenen
Jahre zweifellos die beste Nummer 7. Dreimal wurde er zum Welt-Rugbyspieler
des Jahres gewählt.
Doch David Pocock stiehlt dem Altmeister spätestens seit dieser WM mehr und
mehr die Show. Seine Performance beim 11:9-Sieg der Wallabies über die
Springboks im Viertelfinale wird gemeinhin als beste Einzelleistung eines
Spielers in diesem Turnier gesehen. 27-mal tackelte Pocock seine Gegner und
verfehlte sie kein einziges Mal.
Dabei ist der erst 23-jährige Pocock, der die Statur eines
Mittelgewichtsboxers hat und deshalb nach dem Jungen von Barnie
Geröllheimer "Bam Bam" genannt wird, auch außerhalb des Rugbyfelds eine
Ausnahmeerscheinung. Geboren und aufgewachsen in Simbabwe schlief der
Teenager in den Zeiten der illegalen Landnahme Robert Mugabes stets mit
geladenem Gewehr unterm Bett.
## Rugby als Traumatherapie
Im Jahr 2000 verlor die Familie ihre riesige Farm und wanderte mittellos
nach Brisbane/Australien aus. Vater Andy Pocock hatte danach versucht, als
Gärtner und Fabrikarbeiter die Familie über Wasser zu halten. "Einer meiner
beiden jüngeren Brüder leidet noch heute an einem posttraumatischen
Stresssymptom", so Pocock. "Ich selbst wählte Rugby, um über diese Jahre
hinwegzukommen."
"Bam Bam" Pocock ging in seinen ersten Länderspielen so an seine physischen
und emotionalen Grenzen, dass er nach Niederlagen schon mal in Tränen
ausbrach. Ähnlich ernst ist es Pocock auch mit ethischen Werten.
Er trägt keine Markenkleidung, isst nur Fairtrade-Schokolade und hat
kürzlich verkündet, er werde seine Freundin solange nicht heiraten, wie das
den Homosexuellen in Australien verboten ist. Nach der WM will der "weiße
Afrikaner" für ein paar Wochen zurück in seine Heimat Simbabwe, "um im
Busch ein wenig Ruhe zu finden."
David Pocock, da ist man sich nicht nur in Australien sicher, wird den
Rugbysport in den kommenden Jahren entscheidend mitprägen. Am Sonntag kann
er diesbezüglich ein erstes Ausrufezeichen setzen.
Leicht wird das nicht, denn der Eden Park in Auckland, wo das Halbfinale
ausgetragen wird, gilt für die Wallabies als kaum einnehmbare Festung. Der
letzte und bisher einzige Sieg datiert aus dem Jahr 1986. Da waren David
Pocock und die meisten seiner Kollegen noch nicht mal geboren.
14 Oct 2011
## AUTOREN
Christian Henkel
## TAGS
Rugby
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