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# taz.de -- Finale der Rugby-Weltmeisterschaft: Duell der Philosophien
> Im Finale der Weltmeisterschaft will Gastgeber Neuseeland am Sonntag
> endlich seiner Favoritenrolle gerecht werden. Dabei geht es gegen
> Angstgegner Frankreich.
Bild: Starker Vorwärtsdrang: Im Finale gegen Frankreich gelten die offensiven …
AUCKLAND taz | Noch ist in den Straßen Aucklands alles Business as usual.
Neuseeländisch unaufgeregt geht man in einem der wichtigsten
Wirtschaftszentren des Südpazifik seinen Geschäften nach.
Hat man in den vergangenen Tagen allerdings gründlich den allgegenwärtigen
New Zealand Herald, Neuseelands größte Tageszeitung studiert, dann wird
schnell klar: Hier kommt es am Sonntag (9.50 Uhr MESZ, Sport1+) nicht nur
zum Finale einer Rugby-WM, sondern zu einer Konfrontation epischen
Ausmaßes. Bewahrer gegen Zerstörer, Feingeister gegen Raubeine, Gut gegen
Böse oder in den Farben der Hemden ausgedrückt: Schwarz gegen Weiß.
Dabei sind die Rollen klar verteilt. Auf der einen Seite stehen die
gastgebenden "All Blacks". Ihren Sieg ersehnen nicht nur vier Millionen
Kiwis, sondern, wie es der britische Telegraph ausdrückte, auch "die
gesamte übrige Rugby-Welt".
Seit ihrem einzigen Triumph bei einer WM 1987 ebenfalls im eigenen Land
waren die All Blacks stets favorisiert in fünf Weltturniere gegangen und
dennoch immer als Verlierer heimgekehrt. Nun soll der Fluch endlich von der
gepeinigten, neuseeländischen Seele genommen werden.
Umso mehr, da ein Sieg der Gastgeber als ein richtungsweisendes Signal in
die Zukunft des Union-Rugby gesehen wird. "Die All Blacks waren in den
vergangenen zwanzig Jahren die oftmals einzigen Beschützer einer auf
Offensive ausgerichteten Rugby-Philosophie", schrieb Peter Bills am Freitag
im New Zealand Herald. Ein Triumph ihrer Spielidee, so der angesehene
Analytiker, sei die einzig richtige Message an eine kommende Generation.
## "French Flair"
Aber bekanntlich reicht es nicht, nur zu gewinnen. Andere müssen auch
verlieren. Und diese Rolle ist in dem Falle den Franzosen zugedacht. Und
weil "Les Bleus" inklusive ihrem Trainer Marc Lievremont in den vergangenen
Wochen keine Gelegenheit ausgelassen haben, um die traditionsbewusste,
englischsprachige Rugbywelt vor den Kopf zu stoßen, fällt es nun leicht,
sie zu den destruktiven, ungehobelten Gegnern einer modernen
Spielauffassung zu stilisieren.
Neben diversen stets an die Öffentlichkeit getragenen Konflikten zwischen
Trainer und Mannschaft ist es vor allem die Art und Weise des Finaleinzugs,
welche die gesamte Rugbywelt gegen die Franzosen aufgebracht hat.
Den unverdienten Halbfinalsieg gegen die durch eine rote Karte früh
dezimierten Waliser bezeichnete selbst die heimische LÉquipe in großen
Frontlettern als "diabolisch".
Dabei hatte Trainer Marc Lievremont vor seinem Amtsantritt vor vier Jahren
versprochen, das "French Flair" zu revitalisieren, jenen für die nördliche
Hemisphäre so einzigartigen Stil aus flüssigem Pass- und Laufspiel sowie
grenzwertig rustikalem Körpereinsatz, auf den die Franzosen lange Jahre so
stolz gewesen waren. Doch außer in der ersten Halbzeit im Viertelfinale
gegen England war davon bei dieser WM nichts zu sehen.
"15 gegen den Rest der Welt", so sieht nun mittlerweile nicht nur
Frankreichs Starspieler Dimitri Jaschwili das Finale am Sonntag gegen die
All Blacks. Auch die Liberation erkennt in dem "Einer-gegen-alle-Gefühl"
eine alte Stärke der Blauen.
"Vor den beiden Siegen gegen die All Blacks bei den Weltmeisterschaften
1999 und 2007 war die Situation die gleiche", so die französische
Tageszeitung. "Sie hatten Angst, wurden beleidigt, sie waren angezählt und
sind genau deshalb über sich hinausgewachsen."
In Neuseeland erinnert man sich nur zu gut an die beiden unglücklichen
Niederlagen gegen die Erzrivalen. Weil vor allem das verlorene Halbfinale
1999 in London-Twickenham als blutige Schlacht in die
Weltmeisterschaftschronik eingegangen ist, listete der Rugby Herald am
Freitag in seiner Titelstory "A history of gallic brutality" noch einmal
vergangene Missetaten des französischen Rugbyteams auf.
Der einstige All Black Wayne Shelford, dem nach einem Länderspiel 1986
gegen Frankreich, der "Battle of Nantes", der Hodensack mit 18 Stichen
genäht werden musste, warnte seine Nachfolger darin eindringlich, sich auf
ein brutales Spiel vorzubereiten. "Die Franzosen müssen in dieser Partie
dringend ihr Gesicht wahren", so Shelford. "Sie werden im Scrum auf Hände
und in Kniekehlen treten und auch ansonsten Old School Frankreich sein."
21 Oct 2011
## AUTOREN
Christian Henkel
## TAGS
Rugby
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