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# taz.de -- Interview zur Missbrauchsstudie: "Das Internet wird ausgeklammert"
> Julia von Weiler, Geschäftsführerin des Präventionsvereins "Innocence in
> Danger", über Missbrauch im Internet und die Schwächen der
> Pfeiffer-Studie.
Bild: Eine mögliche Anlaufstelle im Internet: jugendschutz.net.
taz: Frau von Weiler, laut der Befragung Sexueller Missbrauch 2011 werden
Kinder und Jugendliche heute weit seltener Opfer sexuellen Missbrauchs als
vor 20 Jahren. Sind Präventionsangebote bald überflüssig?
Julia von Weiler: Das wäre zwar schön, hat aber nichts mit der Realität zu
tun. Ich habe auch methodische Fragen zu der Veröffentlichung: So hat Herr
Pfeiffer etwa nur Leute bis 40 Jahre befragt, doch viele Traumaforscher
gehen davon aus, dass vor allem Missbrauchsopfer, die durch nahestehene
Personen missbraucht wurden, erst viel später über ihre Erfahrungen
sprechen können.
Die Forscher schreiben, dass die heute 16- bis 21-Jährigen besonders selten
von Missbrauch betroffen seien.
An dieser Stelle hat die Befragung ein großes Manko: Das Internet als Ort
sexualisierter Gewalterfahrung wird komplett ausgeklammert – und das,
obwohl es inzwischen eine entscheidende Rolle spielt. Jeder siebte
Jugendliche wurde heute schon einmal online sexuell belästigt. Dass das
Internet als relevanter Lebensbereich junger Leute im Jahr 2011 nicht
abgefragt wird, kann ich nicht nachvollziehen.
Wie sieht Missbrauch im Internet aus, was sind die besonderen Gefahren?
Zum einen sind die Möglichkeiten, pornografisches Material zu verbreiten,
mit dem Internet explosionsartig gestiegen. Das allein ist schon Gefahr
genug. Doch darüber hinaus haben Täter im Netz auch weitaus bessere
Möglichkeiten, Jugendliche gezielt zu kontaktieren. Das nennt man dann
Cyber-Grooming.
Dabei fängt alles mit ein paar einfachen Chats an. Dann werden Fotos
ausgetauscht, die Jugendlichen sollen die Webcam anmachen und sich
anfassen. In knapp einem Drittel der Fälle kommt es später auch zum
Offline-Kontakt.
Die aktuelle Studie sieht einen Grund für die sinkenden Missbrauchsraten
darin, dass die Taten eher zur Anzeige gebracht werden. Kann man das auch
aufs Internet übertragen?
Leider nicht. Eine Studie aus dem Jahr 2005 besagt, dass zwar 38 Prozent
der jugendlichen Chatter schon mal ungewollt mit sexualisierten Inhalten
belästigt wurden. Doch nur 8 Prozent der Befragten gaben an, darüber auch
mit jemandem zu sprechen. Die Hemmschwelle ist hier also relativ hoch. Wenn
die Betroffenen Hilfe suchen, dann online.
Reagiert die Politik auf diese Verlagerung schon ausreichend?
Das bezweifle ich. Es gibt keinen Grund, sich ob der aktuellen Befragung
zurückzulehnen. Die Politik muss endlich klare Regelungen für den
Jugendschutz online finden. Ebenso wichtig wäre aber, die bestehenden
Online-Präventionsangebote zu stärken. Denn auch wenn viele Jugendliche
durch Belästigung im Netz in seelische Not geraten, sind Angebote wie die
Plattform [1][www.save-me-online.de] kaum bekannt.
19 Oct 2011
## LINKS
[1] http://www.save-me-online.de
## AUTOREN
Karen Grass
## TAGS
Hacker
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