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# taz.de -- MDR-IntendantInnenwahl: Wort verjährt nicht
> Karola Wille soll am Sonntag zur neuen MDR-Chefin gewählt werden. Ihre
> Gegner greifen sie 22 Jahre nach der Wende jetzt mit ihrer Ostbiografie
> an.
Bild: Die stellvertretende MDR-Intendantin Karola Wille.
Natürlich kann es zwei Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution in der
DDR und der Wiedervereinigung nicht angehen, dass eine Ossi-Frau MDR-Chefin
wird.
Eine gebürtige Chemnitzerin für den Sender für Sachsen, Thüringen und
Sachsen-Anhalt? Undenkbar. Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und
andere subalterne Jobs, das geht vielleicht noch gerade. Aber
ARD-Intendantin?
So jedenfalls liest sich das letzte Aufgebot, das gerade via FAZ in die
Schlacht beim skandalgeschüttelten MDR geschickt wird. Die Motivation ist
klar: Am Sonntag wählt der Rundfunkrat, Wille ist nach den internen
Spielregeln des MDR die einzige Kandidatin.
Wille hat in der DDR Jura studiert, schon ihre Dissertation von 1984 wurde
in der Schlammschlacht gegen sie verwendet (taz berichtete), in dem zwei
über 100 Seiten verstreute Halbsätze zu einer "Eloge auf den Sozialismus"
verdichtet wurden.
Jetzt werden Aufsätze nachgereicht, die Wille - als Koautorin mit anderen -
Mitte der 1980er-Jahre in der DDR-Fachzeitschrift Neue Justiz
veröffentlichte. Die zitierten Sätze sind bester DDR-Ideologie-Sprech ("Im
politischen und ideologischen Arsenal der aggressivsten und reaktionärsten
Kräfte des Monopolkapitals nimmt der Revanchismus einen gewichtigen Platz
ein").
Auch dass sie nach ihrer Promotion 1986 zum Institut für Internationale
Studien der Uni Leipzig wechselte, das laut FAZ "den Klassenfeind - die
Bundesrepublik - fest im Blick" hatte, soll Wille nun 25 Jahre später zum
Nachteil gereichen.
## "Fatales Signal für die notwendige Aufarbeitung der SED-Diktatur"
Ein "fatales Signal für die notwendige Aufarbeitung der SED-Diktatur" sei
es, wenn "ehemalige Legitimatoren des Unrechtsstaats" nun Karriere machten,
schäumt in der FAZ Klaus Schroeder, Leiter des Forschungsverbundes
SED-Staat an der FU Berlin.
Der Vorwurf: Wille sei mit ihrer Vergangenheit nicht offen umgegangen. Doch
das ist reichlich pauschal. Wille sagte der FAZ selbst, sie habe in den
Texten formuliert, wie es "damals in der DDR üblich und in Publikationen
verlangt war".
Zudem hat Wille ja längst Karriere gemacht, ohne dass jemand schäumte - sie
ist schon seit 1996 Mitglied der MDR-Geschäftsführung und seit 2003 bereits
stellvertretende Intendantin. Daher könnte man ihr eher den Vorwurf machen,
damit Teil der Senderleitung und mitverantwortlich für die Skandale vom
Millionenbetrug beim Kinderkanal bis zum Kreditwesen des geschassten
MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht zu sein.
Doch auch hier ist Differenzierung nötig: "Frau Wille war eher diejenige,
die gegen Widerstände die Aufklärung vor allem im Fall Foht vorangetrieben
hat", sagt ein MDR-Rundfunkrat.
Dass über 20 Jahre nach dem Ende der DDR eine Ostbiografie - ungeachtet
aller Leistungen seit 1989 - von manchen immer noch als eine Art
"Ausschlusskriterium" herangezogen wird, lässt allerdings tief blicken. Zu
tief.
21 Oct 2011
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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