# taz.de -- Kommentar Tunesien: Mehr Geld für mehr Demokratie | |
> Jahrelang haben EU-Staaten mit Tunesiens Ex-Diktator kollaboriert. Jetzt | |
> wird die Revolution unterstützt, aber Geld ist nicht alles, was die junge | |
> Demokratie braucht. | |
Die Europäische Union will ihre Fehler wieder gut machen. Die Tunesier | |
sollen möglichst schnell vergessen, dass die Regierungen vieler | |
EU-Mitgliedsstaaten über Jahre hinweg den Diktator Ben Ali wenn nicht sogar | |
unterstützt, dann zumindest toleriert haben. Der starke Mann galt vielen | |
als Garant für Stabilität in der Region. | |
Die Europäische Union hat mit der ehemaligen Regierung zahlreiche | |
politische und wirtschaftliche Abkommen abgeschlossen. Seit 2008 gab es | |
eine Freihandelszone zwischen der EU und Tunesien. Das Land bekam | |
regelmäßig Geld aus dem Topf der EU-Nachbarschaftspolitik. Aber jetzt will | |
Brüssel vor allem ein Bild vermitteln: Die Europäer unterstützen die | |
Revolution und haben eigentlich noch nie etwas anderes getan. | |
Schon im Februar war die Hohe Vertreterin für Außenpolitik nach Tunis | |
gereist und hatte vor allem eines im Gepäck: Geld. Die Europäische Union | |
hat ihre finanzielle Hilfe für das Land so gut wie verdoppelt: Für die | |
Jahre 2011 bis 2013 sieht die Europäische Kommission statt 240 nun rund 400 | |
Millionen Euro vor. | |
Die Europäische Union will zeigen: Wenn ihr eine stabile Demokratie | |
aufbaut, dann bekommt ihr von uns auch mehr Geld. "Mehr für mehr" heißt | |
dieses Prinzip im Brüsseler Jargon. Mit diesem Geld will die EU beim | |
Wiederaufbau der Wirtschaft helfen und die Zivilgesellschaft unterstützen. | |
Auch die Wahlbeobachtung wurde aus diesem Topf finanziert. Genau so soll in | |
Zukunft auch die Migration funktionieren: Zusammengefasst bedeutet die von | |
Brüssel angestrebte "Mobilitätspartnerschaft": Wenn Tunesien sich | |
verpflichtet, gegen illegale Migration vorzugehen und illegale Flüchtlinge | |
aus der EU zurück nimmt, dann bekommen die Tunesier eine begrenzte Anzahl | |
von Visa etwa für Studierende oder qualifizierte Arbeitskräfte. | |
Ob sich Brüssel mit solchen Vorgaben beliebt machen wird in Tunesien ist | |
mehr als fraglich – auch wenn im Land die EU-Gelder fließen werden. | |
26 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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