Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Tunesien: Alle dürfen mitmachen
> In Tunesien wird lediglich die Partei eines Freundes des Exdiktators
> angefeindet. Ansonsten verhandeln Islamisten, Menschenrechtler und
> Sozialdemokraten über Koalitionen.
Bild: Nicht alle sind über die Wahl erfreut: Demonstration gegen den Wahlsiege…
TUNIS taz | Die islamistische Ennahda in Tunesien erhebt Anspruch auf das
Amt des Premierministers. Das erklärten sowohl Parteigründer Rachid
Ghannouchi als auch Generalsekretär Hamadi Jabali. "In allen Demokratien
wird der Generalsekretär der stärksten Partei Regierungschef", erklärte
Jabali, der das Amt einnehmen will. Ennahda sei offen, mit allen Kräften
über eine breite Koalition zu verhandeln.
Das Ergebnis der Wahl zu einer Verfassungsgebenden Versammlung vom Sonntag
ist inzwischen fast vollständig. Für 212 der 217 Sitze stehe die Verteilung
fest, rechneten gestern tunesische Beobachter im Internet vor. Ennahda
erhält demnach 84 Abgeordnete. An zweiter Stelle mit 30 Sitzen steht der
Kongress für die Republik (CPR) des aus dem Pariser Exil zurückgekehrten
Menschenrechtlers Moncef Marzouki.
Dahinter liegen die neue Partei "Petition des Volkes" des Geschäftsmannes
Mohamed al Hachimi Al-Hamidi mit 25 Sitzen und die sozialdemokratische
Ettakatol des Oppositionellen und Arztes Mustapha Ben Jaafar mit 23 Sitzen.
Größter Verlierer ist die Demokratische Fortschrittspartei (PDP) von Nejib
Chebbi, die vor den Wahlen als zweitstärkste Kraft gehandelt worden war.
Sie kann nur mit 14 Abgeordneten in die Versammlung einziehen. Der
Demokratisch-Modernistische "Pol" der postkommunistischen Ettajdid hat
sogar nur 6 Sitze.
Mehrere Anwälte haben Klage auf Annullierung der neuen Partei "Petition des
Volkes" eingereicht. Sie habe gegen das Gesetz verstoßen, das ausländische
Finanzierung des Wahlkampfes verbietet. Al-Hamidi, ein enger Vertrauter des
gestürzten Präsidenten Ben Ali, bestritt seinen Wahlkampf nämlich mittels
seines Londoner Satelliten-TV-Senders Al Mustakilla. Ein Sprecher der
Wahlbehörde bestätigte, der Fall werde überprüft.
## "Wir werden die Freiheiten konsolidieren"
Koalitionsverhandlungen laufen. Sowohl Marzouki als auch Ben Jaafar
besuchten die Ennahda-Zentrale in Tunis. "Wir haben keine strategische
Allianz mit Ennahda, teilen aber mit ihr mehrere Ideen", erklärte CPR-Chef
Marzouki. "Unsere Partei prüft, ob wir der Regierung beitreten", heißt es
seitens Ettakatol-Chef Ben Jaafar.
Beide Parteien bekräftigen, dass sie ganz besonders über die Bürgerrechte
und über die Rechte der Frauen wachen wollen. Ennahda hat sowohl Marzouki
als auch Ben Jaafar für das Amt des Staatspräsidenten ins Spiel gebracht.
Jabali, Ennahdas Anwärter auf das Amt des Premierministers, gilt als das
moderate Aushängeschild seiner Partei. Unter Ben Ali saß er 16 Jahre im
Gefängnis. "Wir werden die Freiheiten konsolidieren", versprach er jetzt in
einem Interview. Er strebe weder die Polygamie an noch wolle er das
islamische Recht einführen.
Auch beim Tourismus werde es keine Änderungen geben, sagte er: "Ist es
vernünftig, den Tourismus durch das Verbot alkoholischer Getränke oder
durch das Verbot der Badeanzüge oder anderer Praktiken zu paralysieren? Das
sind persönliche Freiheiten, die nicht nur für Ausländer, sondern auch für
Tunesier garantiert sind."
27 Oct 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
## ARTIKEL ZUM THEMA
Übergangspräsident in Tunesien: Parteien einigen sich auf Marzouki
Der frühere Menschenrechtsaktivist Moncef Marzouki wird ein Jahr die
Regierung Tunesiens leiten. Darauf einigten sich die Ennahda-Partei und der
liberale Kongress für die Republik.
Tourismus in Tunesien: Alkohol und Bikinis bleiben erlaubt
Die islamische Partei Ennahda trifft sich mit Mitarbeitern der
Tourismusbranche. Diese sind verunsichert und sorgen sich um das Bild
Tunesiens in Europa.
Wahlergebnisse in Tunesien: Ausschreitungen in Sidi Bouzid
Die umstrittene Ennahda-Partei bekam laut vorläufigem Endergebnis mehr als
40 Prozent der Wählerstimmen. In Sidi Bouzid gab es unterdessen gewaltsame
Ausschreitungen.
Tunesische Politikerin über Ennahda: "Wir sind selber schuld"
Der Wahlsieg der Ennahda ist eine Katastrophe, sagt die tunesische,
säkulare Politikerin und Menschenrechtsaktivistin Bouchra Belhaj Hamida.
Islamistische Partei Ennahda: Tunesiens einzige Volkspartei
Gute Organisation, ein prominenter Anführer und ein moderates Auftreten:
Das sind die Zutaten, mit der die Ennahda die erste freie Wahl in Tunesien
gewann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.