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# taz.de -- IG-Metaller Uwe Zabel: Der Mann mit dem Megafon
> Uwe Zabel hat die IG Metall Unterelbe auf Vordermann gebracht. Jetzt
> wechselt er nach Wilhelmshaven und Oldenburg - eine Gegend, in der es aus
> Gewerkschaftssicht noch viele weiße Flecken gibt. Dort kann man die
> Kämpfernatur gut gebrauchen.
Bild: April 2010: Uwe Zabel beim Verpackungsmaschinenhersteller Affeldt in Neue…
HAMBURG taz | Uwe Zabel ist ein Ottenser Urgestein. Seit 54 Jahren lebt er
fast ohne Unterbrechung im heutigen Szene-Stadtteil im Bezirk
Hamburg-Altona, der noch kurz vor der Jahrhundertwende zu Dänemark gehörte.
Das "Rote Altona" ist erst 1937 von den Nazis nach "Groß-Hamburg"
eingemeindet worden. Für Zabel ist es daher eine Selbstverständlichkeit,
dass er privat über eine dänische E-Mail-Adresse verfügt.
"Ich habe nur drei Jahre im Ausland gelebt", sagt Zabel ketzerisch. Damit
meint er den benachbarten Stadtteil Hamburg-Eimsbüttel, wo er bis 2007 mit
seiner späteren Ehefrau, der Arbeitsrechts-Anwältin Mechthild Garweg, Tür
an Tür wohnte.
13 Jahre war Zabel als Bevollmächtigter der IG Metall Unterelbe nah dran an
seinen Wurzeln, doch nun zieht es ihn an die Nordseeküste: die
Delegiertenversammlungen der IG Metall in Wilhelmshaven und Oldenburg haben
ihn zum 1. November zum neuen Bevollmächtigten für insgesamt 21.000
Mitglieder gewählt. Die Position in Doppelfunktion ist vakant geworden, da
der bisherige Bevollmächtigte Hartmut Tammen-Henke aus gesundheitlichen
Gründen von einem Tag auf den anderen zurücktreten musste.
Er sei von Meinhard Geiken, dem Bezirksleiter der IG Metall-Küste, gefragt
worden, ob er die Aufgabe übernehmen könnte, sagt Zabel. Geiken, ehemals IG
Metall-Bevollmächtigter von Flensburg, ist als Bezirksleiter selbst neu. Er
folgte Jutta Blankau, die im Frühjahr als Stadtentwicklungssenatorin in den
Hamburger SPD-Senat berufen wurde. "Meinhard sagte: ,Wir müssen uns neu
aufstellen und da habe ich ein Loch'", so Zabel.
Für Uwe Zabel ist die Aufgabe eine "echte Herausforderung": "Ich mag
hochgradig verrückt sein, aber es ist auch hochgradig spannend." Die Region
Wilhelmshaven-Oldenburg gilt in der neuen IG Metall-Strategie im Norden als
"Potenzial-Verwaltungsstelle". Denn einerseits arbeiten nach
Gewerkschaftsanalysen in der Gesamtregion inklusive Hamburg und Bremen 67
Prozent aller 150.000 Metallbeschäftigten im Bezirk Küste. Andererseits
lässt der Organisationsgrad in Zabels neuem Arbeitsgebiet zu wünschen
übrig. "In meiner Region gibt es aus gewerkschaftlicher Sicht viele weiße
Flecken", sagt Zabel.
So gebe es Betriebe mit teilweise 2.000 Beschäftigten, die über keinen
Betriebsrat verfügten und in denen die IG Metall kaum Mitglieder habe,
geschweige denn eine Mitgliederstruktur besitze, berichtet Zabel. Gerade
die Windanlagen-Industrie an der Nordseeküste oder den Maschinenbau für
ländliche Mastbetriebe sehe die IG Metall als wichtig an. Und an der Carl
von Ossietzky Universität in Oldenburg würden die Ingenieure für die
Windenergie-Branche ausgebildet, deren Know-how auch aus gewerkschaftlicher
Sicht zu mobilisieren sei. Zabel sagt, er finde "das alles sehr reizvoll".
Die Aufgabe ist für ihn auch darum interessant, weil die IG Metall einen
Umstrukturierungsprozess von der Stellvertreterpolitik zur
"mitgliederorientierten, beteiligungsorientierten und konfliktorientierten
Basisgewerkschaft" vollziehen wolle, sagt Zabel. "Ich möchte einfach
ausprobieren, ob ich das nochmal hinkriege, was ich an der Unterelbe
gemacht habe."
Zabel, der gelernte Feinmechaniker, hatte später nicht umsonst Arbeitsrecht
studiert. Mit seiner Hilfe war der Bezirk Küste vor 13 Jahren bundesweiter
Vorreiter einer neuen Strategie der betrieblichen Tarifpolitik. Wenn die
Arbeitgeberseite Entlassungen oder Produktionsverlagerungen androht, werden
die betrieblichen Konflikte nicht mehr nur den Betriebsräten überlassen,
die an die geltenden Flächen- oder Manteltarifverträge und damit an die
Friedenspflicht gebunden sind. Vielmehr greift die Gewerkschaft selbst über
sogenannte "Ergänzungstarifverträge" ein, für die es auch ein Streikrecht
gibt. "Als wir 1998 bei Weyburn Bartels in Rellingen für einen
Sozialtarifvertrag mit Abfindungen gestreikt haben, waren wir bundesweit
die ersten", sagt Zabel.
In den vergangenen Jahren seien über dieses Instrument viele
Massenentlassungen im Bezirk Küste abgefedert oder verhindert worden. So
habe bei der Wäscherei Berendsen 2002 in Glückstadt die Streikandrohung
gereicht, um Massenentlassungen für Jahre zu verhindern. Zabel: "Das nennt
man Beschäftigungssicherung."
Inzwischen ist das Mittel des Arbeitskampfs zur Standortsicherung vom
Bundesarbeitsgericht als zulässig anerkannt worden - Zabel gehört dem
Gremium inzwischen selbst als ehrenamtlicher Richter an und prägt in einer
Kammer als Beisitzer Urteile mit. Und auch der Solidaritätsstreik, den er
im Konflikt beim Autozulieferer Autoliv um die geplante Schließung von
dessen Tochterfirma Norma wirkungsvoll anwandte, hat inzwischen
höchstrichterlichen Segen.
Durch seine Mitwirkung an Arbeitskämpfen ist Uwe Zabel auch in der Region
Wilhelmshaven und Oldenburg kein ganz Fremder mehr. Beim mehrwöchigen
Streik in den Werken des Baumaschinenherstellers Atlas in Delmenhorst,
Ganderkesee und Vechta im Herbst vorigen Jahres war er von der IG
Metall-Bezirksleitung zur Verstärkung in die Region geschickt worden, um
den unberechenbaren Firmenboss Fil Filipov zu bändigen. Um Filipov, der
öffentlich gern bekundet, kein Deutsch zu können, lächerlich zu machen,
hatte Zabel auf einer Atlas-Streikkundgebung seine Rede vorm Betrieb
plötzlich in Englisch gehalten - zur allgemeinen Belustigung der
Streikenden.
"Ich nehme es der französischen Arbeiterbewegung immer noch übel, dass sie
die Sache nicht konsequent zu Ende geführt haben", sagt Zabel heute
sarkastisch. Der bulgarische Manager Filipov war vor Jahren bei
Massenentlassungen in einem französischen Betrieb von der Belegschaft als
Geisel genommen worden, war dann aber doch freigelassen worden. Zabel, der
durch seinen neuen Job auch in Zukunft mit Filipov zu tun haben wird, hat
sich entschlossen, auf seinen neuen Schreibtisch eine Büste von Karl Marx
zu stellen. "Damit Filipov gleich weiß, woran er ist", sagt Zabel.
Aus dem Atlas-Konflikt wissen viele IG Metaller aus der Region, dass Zabel
auch mal ein mürrischer und aufbrausender Kotzbrocken sein kann, wenn etwas
nicht klappt oder ihm missfällt. Aber in der Regel gibt sich das nach ein
paar Minuten. Und wenn dann beim Arbeitskonflikt für die Betroffenen am
Ende etwas Vernünftiges herauskommt, sind solche Ausfälle schnell
vergessen.
Auch wenn er jetzt an die Nordseeküste zieht - ganz wird Zabel die Fäden in
die Heimat Ottensen nicht kappen. "Ich werde bei einem Freund ein Zimmer in
Ottensen behalten", sagt er. Allein schon, wenn er Termine bei der
Bezirksleitung in Hamburg hat - oder sich mit alten Weggefährten aus den
Gewerkschaften oder der Anti-AKW-Bewegung treffen möchte.
28 Oct 2011
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Betriebsrat
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