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# taz.de -- Die Filipov-Story im TV: Der Betriebsrats-Hasser
> Radio Bremen sucht in seinem Film über den Delmenhorster Atlas-Chef Fil
> Filipov den Menschen im Investor.
Bild: "Das perfekte Anschleichen": Firmenchef Fil Filipov beim Kontroll-Cruisen…
BREMEN taz | Fil Filipov ist der meistgehasste Arbeitgeber im Nordwesten.
Seit der Bulgare 2010 die Atlas-Werke in Delmenhorst, Vechta und
Ganderkesee kaufte, steht er im Dauerstreit mit seinen Angestellten. Deren
Zahl hat sich seither von 760 auf 470 verringert.
Die Atlas-Maschinenbauer kennen Filipov als knallharten Sanierer und
Betriebsrats-Hasser. Dessen Vorsitzender ist es fast schon gewohnt, dass
ihm die Buchhaltung im Auftrag des Chefs nur ein halbes Gehalt überweist
und er sich vor Gericht die andere Hälfte erstreiten muss. Die Atlas-Leute
kennen Filipovs Sprüche, er würde sich lieber von seiner Frau erschießen
lassen, als einen Tarifvertrag zu unterschreiben. Am Samstag haben sie
Gelegenheit, ihren Chef noch näher kennenzulernen.
Radio Bremen strahlt ein Porträt mit dem Titel „Krieg in der Firma“ aus,
das dem Investor nicht nur beim Kontroll-Cruisen mit dem Segway durch die
Delmenhorster Werkshallen folgt – O-Ton: „Das ist perfekt zum Anschleichen�…
–, sondern auch in intimen Momenten dabei ist. Etwa beim Blättern in alten
Fotoalben. Filipov zeigt seiner Frau ein Jugendbild: „So kam ich als
Flüchtling in Amerika an.“ Die Reporterinnen Kirsten Hartje und Hanna
Möllers lassen sich von Mitarbeitern von Schikanen aller Art berichten –
und suchen zugleich den Menschen hinter dem knallharten Investor. Und
Filipov, das ist das Bemerkenswerte, lässt die Frager nah heran.
So wird durchaus nachvollziehbar, dass ein Kommunisten-Flüchtling und
Selfmade-Man keinerlei Verständnis für die Mitbestimmungsrechte von
Betriebsräten hat. Mindestens ebenso nachvollziehbar ist freilich, dass die
Atlas-Leute ohne Lohnausgleich nicht fünf Stunden mehr arbeiten wollen.
## Der sprichwörtliche Tellerwäscher
Die stärkste Szene ist der Besuch in einem Restaurant – in dessen Küche
Filipov vor 50 Jahren die ersten Dollars verdiente. Filipov war der
sprichwörtliche Tellerwäscher. Voller Begeisterung führt er vor, wo er
geschuftet hat – und ist nur darüber enttäuscht, dass er in der Küche
nichts Schmutziges steht, auf das er sich stürzen könnte. Der Millionär
wirbelt weiter, zurück bleibt ein verwirrter Latino, der aktuelle
Tellerwäscher. Unwahrscheinlich, dass ihm in 30 Jahren ebenfalls ein
norddeutsches Maschinenbau-Imperium gehört.
Einmal drüben, hat das Radio Bremen-Team auch US-Firmen besucht, die
Filipov saniert hat – oder sanieren wollte. Vor den verrosteten Hallen
eines geschlossenen Kranwerkes wünschen ihn zwei Ex-Mitarbeiter zur Hölle:
„Er hat uns kaputt gemacht, ganze Familien sind vor die Hunde gegangen!“
Ein anderer Standort hingegen produziert munter weiter – Filipov sei Dank,
wie der Werksleiter betont.
## 763 Verfahren vor dem Arbeitsgericht
Das hiesige Tarifsystem ist für Filipov Blödsinn: „Die deutschen Chefs
wollen immer mit den Gewerkschafen verhandeln – ich will das nicht“,
erklärt er. Die Folge: Bislang 793 Verfahren vor dem Oldenburger
Arbeitsgericht wegen Verletzung des Betriebsverfassungsgesetzes.
Mittlerweile hat Filipov dabei fast so etwas wie Kreativität entwickelt: 51
Mitarbeiter ernannte er gegen deren Willen zu Prokuristen. Für
„Führungspersonal“ ist der Betriebsrat nicht zuständig. Und: Es hat keine
festgelegten Arbeitszeiten.
Im neuen Ersatzteil-Lager in Delmenhorst hat Filipov eine Arbeitswelt nach
seien Wünschen geschaffen. Die Lageristen bekommen neun Euro die Stunde,
haben keinen Betriebsrat – aber Leistungszulagen und die Möglichkeit
ständiger Überstunden. „Die hatte der Betriebsrat oft nicht genehmigt“,
sagt ein zufriedener Lagerist in die Kamera.
## Selbstbild: "wohlwollender Diktator"
Filipov hält sich selbst für einen „wohlwollenden Diktator“. Wer auf
Einhaltung unbequemer Gesetze besteht oder gar streikt, weil die
Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich von 35 auf 40 Stunden angehoben und
das Urlaubsgeld gestrichen wurde, dem will Filipov nicht wohl. Drohanrufe
soll es gegeben haben, Kameraüberwachung und finanzielle Sanktionen.
Beim letzten Atlas-Streik, das lässt der Film aus, wurde es sogar Siemens
zu viel: Der Großkunde drohte, die Zusammenarbeit zu kündigen, da Filipovs
Methoden den eigenen Compliance-Regeln widersprächen. Die Drohung kam an –
schließlich war der Absender kein Betriebsrat.
25 Sep 2013
## AUTOREN
Henning Bleyl
## TAGS
Betriebsrat
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