# taz.de -- Ai Weiwei soll jetzt zahlen: Vorwurf Steuerhinterziehung | |
> Der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei soll unter dem Vorwand des | |
> Steuerbetrugs mundtot gemacht werden. Es droht ihm eine drastische | |
> Geldstrafe. | |
Bild: Keine Peanuts: Ai Weiwei bei seiner Installation "Sunflower Seeds" in Lon… | |
PEKING taz | Der regimekritische Künstler Ai Weiwei soll umgerechnet 1,8 | |
Millionen Euro Strafe zahlen, weil er laut Finanzbehörden Steuern | |
hinterzogen hat. Eine entsprechende Aufforderung erhielt er gestern in | |
seinem Atelier im Pekinger Vorort Caochangdi. | |
"Der Straferlass richtet sich nicht direkt an den Künstler selbst, sondern | |
an seine Firma, die von seiner Ehefrau Lu Qing geführt wird", erklärte Ais | |
Anwalt Pu Zhiqiang der taz. Die Meldung verbreitete sich in kürzester Zeit | |
per Twitter - vor allem im Ausland, da alle aktuellen Informationen über Ai | |
im chinesischen Internet blockiert werden. | |
Mit dem Strafbefehl wird ein neues Kapitel im Drama um den 54-jährigen | |
Künstler aufgeschlagen, der nicht nur für seine Kunstwerke, sondern auch | |
für soziale Aktionen und kritische Kommentare bekannt ist. Ai war am 3. | |
April von Polizisten auf Pekings Flughafen an der Ausreise gehindert und | |
verschleppt worden. Er blieb 81 Tage an einem unbekannten Ort in Haft. | |
Die Bedingungen, sagte er später, seien entwürdigend gewesen, da er selbst | |
auf der Toilette ständig von zwei Wärtern bewacht wurde. Nach Hause | |
zurückkehren durfte er nur unter der Bedingung, keine Interviews zu geben | |
und das Land nicht zu verlassen. | |
Während seiner Verschleppung durchsuchten Beamte sein Büro und Studio und | |
beschlagnahmten Rechnungsbücher und andere Dokumente. Einen Haftbefehl oder | |
eine Anklageschrift erhielten Ai, seine Frau oder sein Anwalt nie. Im | |
Gegenteil: Die Behörden verweigerten Auskunft darüber, wo und warum Ai | |
festgehalten wurde. Auch Mitarbeiter und seine Buchhalterin wurden | |
abgeholt. Sie kamen Monate später "verstört und verängstigt" wieder frei, | |
wie Freunde berichteten. | |
Juristen bezweifeln die Rechtmäßigkeit des Verfahrens. Sie verdächtigen die | |
Behörden, Ai unter dem Vorwand der Steuerhinterziehung mundtot machen zu | |
wollen. Während sich die Steuervorwürfe gegen die Firma "Fake" richteten, | |
wurde der Strafbescheid nicht an Firmenchefin Lu Qing, sondern an Ai | |
adressiert. Er sei "wegen seiner guten Haltung beim Gestehen seiner Taten" | |
freigelassen worden, berichtete die Staatsagentur Xinhua im Juni. | |
Ai hat dies mittlerweile bestritten. "Es ist nicht wahr, dass ich | |
Steuerhinterziehung zugegeben habe. Ich wurde nie formal verhaftet, mir | |
wurde nie etwas formal vorgeworfen." | |
Per Mikroblog berichtete Ai gestern: "Sie haben mir in ernster Form gesagt: | |
Wenn der Staat sagt, dass du Steuern hinterzogen hast, dann hast du das | |
gemacht. Wird der Staat je zurücknehmen, was er gesagt hat?" Er habe 15 | |
Tage Zeit zu zahlen. | |
Ob Ai zahlt, müsse er noch überdenken, sagt sein Anwalt. Die Polizei habe | |
die beschlagnahmten Unterlagen nicht zurückgegeben, daher seien die | |
Vorwürfe kaum zu prüfen. Er werde nur zahlen, wenn Steuerbetrug bewiesen | |
sei, so Ai. Das Strafmaß ist für China sehr hoch: "Das entspricht dem | |
jährlichen Profit der Eisenbahn", schrieb er ironisch in seinem Mikroblog. | |
1 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
## TAGS | |
China | |
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