# taz.de -- Nach dem Rechenfehler bei der HRE: Aufarbeitung einer Milliardenbla… | |
> Die Milliardenpanne bei der Hypo Real Estate bringt Finanzminister | |
> Wolfgang Schäuble unter Druck. Die Opposition wirft ihm vor, dass sein | |
> Ministerium deb Fehler zunächst verschwiegen habe. | |
Bild: Was wusste er? Finanzminister Wolfgang Schäuble. | |
BERLIN afp/rtr/taz | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gerät | |
wegen der milliardenschweren Fehlbuchung bei der Hypo Real Estate (HRE) | |
weiter unter Druck. Ein am Dienstag veröffentlichtes Schreiben von | |
Schäubles Ressort an Linkspartei-Chef Klaus Ernst lässt den Schluss zu, | |
dass das Ministerium entgegen anderen Bekundungen offenbar schon Mitte | |
September über den Fehler Bescheid wusste. | |
In dem nun bekannt gewordenen Schreiben listet der Parlamentarische | |
Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (CSU) die Anteile einzelner | |
Kreditinstitute an der gesamtstaatlichen Verschuldung auf. Den Beitrag der | |
HRE-Abwicklungsgesellschaft FMS beziffert er für 2010 auf 216,5 Milliarden | |
Euro, für 2011 nennt er nur noch 161 Milliarden Euro. Die Differenz beträgt | |
55,5 Milliarden Euro – das ist exakt das Volumen der Fehlbuchung. | |
Der Brief stammt vom 13. September. Demgegenüber hatte ein Sprecher des | |
Finanzministeriums am Montag gesagt, die ersten Hinweise auf den | |
Rechenfehler habe es erst am 4. Oktober erhalten. "Das Finanzministerium | |
belügt fortgesetzt Parlament und Öffentlichkeit", sagte Ernst. Für die HRE | |
trage der Bund die Verantwortung. "Wir haften am Ende für alle Risiken." | |
Ernst hält es "für denkbar, dass das Chaos bei der HRE zum Gegenstand einer | |
umfassenden Untersuchung im Bundestag wird". | |
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte zu sueddeutsche.de: | |
"Schäubles Ministerium täuscht die Öffentlichkeit." Entgegen der | |
öffentlichen Darstellung kenne das Bundesfinanzministerium seit mindestens | |
Mitte September 2011 den Korrekturbedarf in den Bilanzen der | |
HRE-Abwicklungsanstalt. | |
## Das Chaos mit den Finanzderivaten | |
Ende letzter Woche war bekannt geworden, dass die Schulden der | |
Abwicklungsbank der verstaatlichten HRE um 55 Milliarden Euro zu hoch | |
taxiert wurden, weil Verbindlichkeiten und Sicherheitsleistungen für diese | |
nicht korrekt verrechnet worden waren. | |
Die Fehlbuchung bei der Bad Bank kam unter anderem dadurch zustande, dass | |
Barsicherheiten nicht verrechnet wurden, die für Finanzderivate hinterlegt | |
wurden. Finanzderivate sind befristete Termingeschäfte, mit denen vor allem | |
Zins- und Währungsrisiken reduziert werden sollen. Um zu garantieren, dass | |
die jeweilige Gegenpartei auch zahlungsfähig ist, müssen für jedes | |
Derivatgeschäft Sicherheiten hinterlegt werden. | |
Oft machen die Banken jedoch mit anderen Instituten eine Vielzahl solcher | |
Derivatverträge – in ganz unterschiedlichen Rollen. Mal müssen sie | |
Sicherheiten stellen, mal verlangen sie eine Bareinlage. Normalerweise | |
werden diese geforderten und gewährten Sicherheiten gegeneinander | |
verrechnet, also "saldiert", wenn es sich um denselben Vertragspartner | |
handelt. Doch genau diese Verrechnung wurde bei der Bilanz der Bad Bank | |
unterlassen. | |
Die Folgen dieses korrigierten Buchungsfehlers sind enorm: Die deutschen | |
Staatsschulden sanken schlagartig um 2,6 Prozentpunkte auf nur noch 81,1 | |
Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allerdings hat die Bundesregierung nicht | |
mehr Geld zur Verfügung, nur weil ein Buchungsfehler korrigiert wurde. Es | |
gebe "keine Änderungen der Planungen in der Realwelt", stellte ein Sprecher | |
des Finanzministeriums klar. | |
Für Mittwoch hat Schäuble die Verantwortlichen der Bad Bank, der HRE, der | |
Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) und die zuständigen | |
Wirtschaftsprüfer von PwC zum Rapport ins Ministerium bestellt. Die FMSA | |
ist Nachfolgerin des staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin und für die | |
Kontrolle der Bad Bank zuständig. | |
1 Nov 2011 | |
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Greenpeace | |
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