# taz.de -- G-20-Gipfel mit alten Zielen: Kaum Erfolge an der Finanzmarktfront | |
> Die G-20-Staaten wollen seit 2008 eine stärkere Kontrolle. An der | |
> Umsetzung hapert es aber gewaltig. Warum dauert das so lange? | |
Bild: Wie eine Fahne im Wind? Die G20-Staaten haben bisher nur wenige Vorhaben … | |
BERLIN taz | Der Schock saß ihnen in den Knochen, als sich Obama, Merkel, | |
Sarkozy & Co im November 2008 in Washington zum Weltfinanzgipfel trafen. | |
Gerade waren Lehman Brothers kollabiert, man redete über die "größte | |
Weltfinanzkrise seit 1929" - Anlass für einige erstaunlich Schritte und | |
Fortschritte. | |
Indem sie als G-8-Staaten (USA, Japan, Kanada, Deutschland, Frankreich, | |
Italien, Großbritannien und Russland) mit den Regierungschefs der | |
wichtigsten Schwellenländer (China, Südkorea, Indien, Brasilien, | |
Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Mexiko, Südafrika, | |
Türkei und die EU als eigenständiger Akteur) die G-20-Gruppe in ihrer | |
heutigen Form gründeten, opferten die alten Industrieländer ihre Hegemonie. | |
Außerdem entsagte der Westen seiner Ideologie des Neoliberalismus, | |
jedenfalls rhetorisch. Die zwanzig mächtigsten Wirtschaftsnationen | |
formulierten: "Alle Finanzmärkte, Produkte und Teilnehmer sollen reguliert | |
oder beaufsichtigt werden." Kapitalismus ohne Schranken war plötzlich von | |
vorgestern. | |
Gute Sache, doch seltsamerweise wird dieses Ziel wieder als Botschaft des | |
bevorstehenden Gipfels genannt. Scheinbar müssen sich die Regierungen an | |
ihren eigenen Anspruch erinnern. Ist seit 2008 nichts passiert? | |
## Immerhin einige Erfolge | |
Einige Erfolge haben die Regierungen erzielt, beispielsweise müssen viele | |
Banken und Versicherungen jetzt mehr eigenes Geld in Reserve halten, um | |
Verluste abzudecken. Das entlastet die Staaten und ihre Geldgeber, die | |
Steuerzahler. Aber reicht das? Mittlerweile ist die zweite Runde der | |
Bankenrettung im Gange. Wieder stellen die Regierungen den Instituten | |
öffentliche Mittel zur Verfügung. Deshalb meinen inzwischen selbst liberale | |
Ökonomen, die Banken müssten ihr Reservekapital noch viel stärker erhöhen. | |
Die Regulierung der G 20 geht in die richtige Richtung, ist aber zu lahm. | |
Ähnlich sieht es bei der Aufsicht über Banken und Finanzinvestoren aus. | |
Einerseits hat sich Europa seit 2008 durchgerungen, drei neue Behörden zu | |
gründen, um die Geschäfte der Geldhändler zu kontrollieren. Andererseits | |
wusste man auch schon vor drei Jahren, dass die meisten Transaktionen "over | |
the counter" getätigt werden. Soll heißen unter vier Augen, dort, wo die | |
Bankenaufsicht nicht zuschaut. In Cannes will man einen neuen Versuch | |
starten, diesen Handel ans Licht zu holen. | |
Warum dauert das so lange? Unter dem Druck einer Krise machen die | |
Regierungen einen Lernprozess durch. Geht es dann an die Formulierung von | |
Gesetzen, fragt man sich in London, Peking und anderswo: Wollen wir das? | |
Dann rücken die nationalen Interessen der einheimischen Banken in den | |
Vordergrund. So hat die britische Regierung wenig Lust, die Profite der | |
Londoner City einzuschränken. | |
Und auch Finanzminister Schäuble mauert an manchen Stellen. Beispiel: Vor | |
dem G-20-Gipfel in Seoul 2010 beschwerten sich Paris und Washington über | |
die hohen deutschen Exporte. Ihre Kritik: Die Löhne in Deutschland seien in | |
den vergangenen zehn Jahren wenig gestiegen, deutsche Firmen würden deshalb | |
ihre ausländischen Wettbewerber niederkonkurrieren. Deutschland sei | |
mitverantwortlich für die Lage in verschuldeten Staaten wie Griechenland | |
und müsse diesen mehr Möglichkeiten geben, deren Waren hierzulande zu | |
verkaufen. | |
Mit Zustimmung der Bundesregierung beschlossen die G 20, ein | |
"ausbalanciertes Wachstum" ohne gefährliche Handelsüberschüsse anzustreben. | |
Ein Beobachtungsprozess wurde gestartet, seit einem Jahr diskutiert man. | |
Herausgekommen ist fast nichts. Deutschland hat seine Exportpolitik nicht | |
geändert und will es auch nicht tun. | |
2 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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