# taz.de -- Brüsseler Ängste: Das Kartenhaus droht einzustürzen | |
> Eine unkontrollierte Pleite in Athen hätte fatale Folgen für den gesamten | |
> Euroraum. Die Euro-Retter wurden von Papandreous Ankündigung kalt | |
> erwischt. | |
Bild: Der Druck auf die griechische Regierung wurde immer größer. | |
BRÜSSEL taz | Es dauerte lange, bis die Europäische Union die Sprache | |
wieder gefunden hatte. Erst am frühen Nachmittag, fast 24 Stunden nach der | |
Ankündigung aus Athen, reagierten die Brüsseler Berufseuropäer auf das | |
geplante Referendum in Griechenland. Man habe "vollstes Vertrauen", dass | |
Griechenland "seinen Verpflichtungen nachkommt", erklärten EU-Ratspräsident | |
Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Dienstag | |
in Brüssel. | |
Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, wollte sich anfangs ebenso | |
wenig äußern wie Barroso und Van Rompuy. Kein Wunder: Sie wurden von | |
Papandreous Entscheidung kalt erwischt. Beim Krisengipfel letzten Mittwoch | |
hatte der Grieche noch kein Wort zu seinem wohl größten politischen Coup | |
gesagt, sondern alle Entscheidungen höflich abgenickt. | |
Umso größer nun der Schock der Brüsseler Euroretter, die ihre | |
Rettungsaktionen bisher ohne Rücksicht auf das griechische Volk | |
durchgezogen haben. Sie fühlen sich nicht nur von Papandreou hintergangen, | |
sondern fürchten auch um das mühsam geschnürte Hilfspaket, das letzte Woche | |
auf den Weg gebracht wurde. Das Paket kann nämlich nur funktionieren, wenn | |
es zu 100 Prozent umgesetzt wird, wie Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen | |
nach dem Gipfel warnte. | |
Ohne Griechenland bricht das ganze Kartenhaus aus Schuldenschnitt, | |
Bankenrekapitalisierung und Aufstockung des Rettungsfonds EFSF zusammen. | |
Schlimmer noch: Sollten die Griechen den Euro-Hilfsplan ablehnen, wäre das | |
Land sofort bankrott und müsste womöglich sogar aus der Eurozone austreten. | |
Denn selbst Überbrückungskredite wie die zuletzt freigegebenen 7 Milliarden | |
Euro sind an "strikte Konditionalität" - sprich: Erfüllung aller Auflagen - | |
gebunden. Umso mehr gilt dies für den versprochenen zweiten Hilfsplan in | |
Höhe von 130 Milliarden Euro. | |
## Ein hoher Preis | |
Ein ungeordneter Bankrott in Athen hätte jedoch fatale Auswirkungen auf die | |
gesamte Eurozone, womöglich sogar auf die Weltwirtschaft. Er würde das | |
Vertrauen in die Währungsgemeinschaft und ihre Politiker untergraben und | |
die Spekulation gegen Italien und andere Wackelkandidaten anheizen. | |
Außerdem würde er zu Turbulenzen am hochspekulativen Markt für | |
Kreditausfallversicherungen (CDS) führen, was vor allem französische und | |
US-amerikanische Banken unter Druck setzen könnte. | |
All dies wird in Brüssel offen diskutiert - nach dem Motto: Ohne den | |
Euro-Rettungsplan droht der Weltuntergang. Weniger gern sprechen die | |
EU-Politiker über die Folgen, die ihr Rettungsplan für Griechenland selber | |
hat. Schuldenschnitt und Hilfsmilliarden haben nämlich einen hohen Preis: | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte in Brüssel durch, dass Griechenland | |
bis 2020 noch härter sparen und noch mehr privatisieren muss. Dabei steckt | |
das Land jetzt schon wegen der Sparauflagen tief in der Rezession. | |
## Fehlende Aufklärung | |
Auch der Schuldenschnitt, der gern als Erleichterung für Griechenland | |
dargestellt wird, ist problematisch. Der geplante 50-prozentige Abschlag | |
auf griechische Staatsanleihen trifft nämlich vor allem die griechischen | |
Banken, die Anleihen im Wert von rund 45 Milliarden Euro halten. | |
Auch Versicherungen und private Rentenfonds könnte der "Haircut" treffen. | |
Der "Rettungsplan" wird daher von vielen Griechen als schwere Hypothek | |
betrachtet. Bisher haben sich die Euro-Retter jedoch nicht einmal die Mühe | |
gemacht, ihre Vorhaben den Griechen zu erklären. Stattdessen schickte die | |
EU-Kommission eine "Taskforce" nach Athen, die die geforderten Auflagen | |
noch schneller umsetzen soll. | |
1 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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