Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Korruption in Indien: Die Rückkehr eines Heiligen
> Der mit Erfolg hungerstreikende Anna Hazare will in Delhi für die
> Verabschiedung eines Antikorruptionsgesetzes sorgen. Doch die Zahl seiner
> Gegner wächst.
Bild: Will sich auf den Weg in die Hauptstadt Delhi machen: Antikorruptionskäm…
DELHI taz | Anna Hazare erfindet sich immer wieder neu. Er macht einfach,
was andere nie tun würden. Seit Wochen hat er geschwiegen und nur durch
Briefe mit seinen Mitarbeitern kommuniziert. Monate schon sitzt er in
seinem Dorftempel in Westindien und bleibt der Hauptstadt Delhi fern.
Der 74-jährige Antikorruptionskämpfer, der im Sommer per Hungerstreik die
größte indische Protestbewegung seit Jahrzehnten entfachte, hält aber damit
die indische Öffentlichkeit in Schach. Das Rätselraten über ihn hört nie
auf. Nun hat er endlich seine Rückkehr nach Delhi angekündigt. Die
Hauptstadt, das steht fest, wird ihn wie einen Heiligen empfangen.
Dabei sah es zuletzt so aus, als könnte sich "Team Anna" im politischen
Kleinkrieg verzetteln. Team Anna ist eine neue Erscheinung: keine Partei,
keine Nichtregierungsorganisation, nur ein Kreis von Einzelkämpfern aus
allen politischen Lagern, die Hazare um sich gesammelt hat für ein einziges
Thema: die Korruptionsbekämpfung.
Das funktionierte prima, solange aus dem Hungerstreik Hazares eine spontane
Bewegung entstand, die keine Organisationsstruktur vertrug. Als der Streik
scheinbar erfolgreich endete und Regierung samt Parlament das von Hazare
geforderte Antikorruptionsgesetz versprachen, verfiel der Solidaritätszwang
der Bewegung. Team Anna stand wie eine Truppe fragwürdiger Individualisten
da.
Ihrem Chef, dessen asketische Lebensweise auf einem einzigen Linsenmahl pro
Tag beruht, war zwar mit nichts beizukommen. Aber die Übrigen standen im
Kreuzfeuer. Da stellte sich heraus, dass Kiran Bedi, eine Ex-Polizeichefin
Delhis, die Hazare vom Makel des potenziellen Chaosstifters befreite, 2009
ihre Flugkosten zu einer Veranstaltung zu hoch berechnet hatte. Einem
anderen Helfer Hazares, Arvind Kejriwal, schickte die Regierung die
Steuerprüfer ins Haus. Die fanden, er habe während eines
Freistellungsjahres nicht genug Steuern gezahlt. Kleinigkeiten vielleicht,
die jedoch die Helden der Antikorruptionsbewegung schnell auf menschliches
Maß zurückstuften. Zumal es im Team Anna Streit gab, ob und wie sich die
Bewegung an Wahlen beteiligen sollte.
## Druck auf die Regierung
Bei einer Provinzwahl im September entschied sich Team Anna,
Wahlempfehlungen nur für solche Kandidaten zu geben, die den eigenen
Gesetzentwurf zur Korruptionsbekämpfung billigten. Das kam den anders
gesinnten Regierungskandidaten teuer zu stehen. Er verlor die Wahl
haushoch.
Doch vorher hatten sich einige Prominente von Team Anna verabschiedet, die
jede Art von Wahleinmischung als zu leicht parteipolitisch ausnutzbar
kritisierten. Hazare selbst hielt sich bedeckt: "Ich werde weder bei Wahlen
kandidieren noch eine Partei aufstellen, aber ich werde, wenn ich gute
Leute finde, diese bitten, in ein paar Jahren in den Wahlkampf zu ziehen",
formulierte er mehrdeutig.
Damit will Hazare den Druck auf die Regierung aufrecht erhalten. Diese hat
versprochen, im Dezember das neue Antikorruptionsgesetz durchs Parlament zu
bringen. Team Anna fordert, dass es auch für Parlamentarier gilt. Die aber
wollen das nicht. Am Ende dürfte es ohne Übereinstimmung zwischen Regierung
und Opposition kaum zur Abstimmung kommen, weil zu viele kleine Parteien
aus Angst vor der Aufdeckung ihrer krummen Geschäfte dagegenhalten.
Team Anna muss den Normalbetrieb des Parlaments außer Kraft setzen. Dafür
braucht es außerdemokratische Kräfte: "Das Parlament ist der heilige Tempel
der Demokratie. Nur Heilige sollten ihn bewohnen", sagte Hazare. Nun kommt
er nach Delhi, um die Irdischen ihre Versprechen zu lehren. Damit die
Demokratie wieder heilig wird.
4 Nov 2011
## AUTOREN
Georg Blume
## TAGS
Indien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Partei in Indien: „Normalbürger“ wollen Delhi regieren
In Indiens Hauptstadt will die „Partei der Normalbürger“ nun doch die
Regierung bilden. Dies könnte die nationalen Wahlen wieder spannend machen.
Indischer Aktivist Anna Hazare: Weiterhungern gegen Korruption
Anna Hazare, der im Sommer mit einem Hungerstreik die größte
Protestbewegung seit Jahrzehnten in Indien initiierte, hungert wieder. Er
lehnt den Gesetzesvorschlag gegen Korruption ab.
Ureinwohner in Indien: Avatar in echt
Im ostindischen Dschungel wehren sich die Ureinwohner vom Volk der Dongria
Kondh gegen einen Rohstoffkonzern. Dank Hollywood haben sie Chancen.
Justiz in Indien: Lebenslang für 31 Hindu-Extremisten
33 Muslime wurden im März 2002 in Gujarat ermordet. Jetzt wurden die
Verantwortlichen verurteilt. Die Verwicklung von deren Ministerpräsidenten
Modi bleibt ungeklärt.
Quizsieger in Indien fürchtet Erpressung: Land der begrenzten Möglichkeiten
Bei der indischen TV-Serie "Wer wird Millionär?" hat erstmals ein Kandidat
alle Fragen richtig beantwortet. Nach Hause fährt er aber nicht - aus Angst
vor Entführung.
Hungerstreik in Indien: Modi fastet für die Führung
Gujarats Regierungschef Narendra Modi ging in einen dreitägigen
Hungerstreik. Er untermauert damit seinen Führungsanspruch bei den
Hindu-Nationalisten.
Kommentar Hungerstreikender Hazare: Indiens Kampf um Moral
Dass es die prosperierenden Mittelschichten in den Städten sind, die jetzt
Hazare folgen, zeigt nur, wie moralisch dieser Aufstand ist. Er gilt der
unmoralischen Kongresspartei.
Hungerstreik gegen Korruption in Indien: Parlament beugt sich Hazare
Der 74-jährige Anna Hazare beendet seinen zwölftägigen Hungerstreik. Zuvor
hatte das Parlament seinen Bedingungen für ein Anti-Korruptions-Gesetz
zugestimmt.
Hungerstreik in Indien: Der Triumph des Anna Hazare
Der gegen Korruption kämpfende Sozialaktivist Anna Hazare hat das Gefängnis
verlassen und lässt sich in Delhi feiern. Im ganzen Land gibt es
Kundgebungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.