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# taz.de -- Somalische Flüchtlinge in Kenia: Angst vorm langen Arm der Shabaab
> In Nairobi sind viele somalische Flüchtlinge gelandet. Doch der Konflikt
> in ihrer Heimat holt sie ein. Auch Kenia führt in Somalia Krieg gegen die
> Shabaab-Islamisten.
Bild: Shabaab-Milizen in der Nähe der somalischen Hauptstadt Mogadischu.
NAIROBI taz | Amran Mohamed und Katra Ahmed teilen denselben Schmerz. Beide
somalischen Flüchtlingsfrauen in Kenia haben Angehörige an die
radikalislamistische Miliz Al-Shabaab verloren.
Abdulrahman, Amrans 14-jähriger Sohn, verschwand vorigen Monat - mitten in
Nairobi. "Als er nicht heimkam und ich ihn suchen ging, erzählten seine
Freunde, dass Shabaab-Mitglieder versuchen, sie zu rekrutieren. Das geschah
in der Koranschule, wo mein Sohn mittags Unterricht bekam", erzählt sie.
Beide Frauen leben mit ihren Familien in Einzimmerwohnungen in Eastleigh,
einem Viertel von Nairobi, wo überwiegend Somalier oder Kenianer
somalischer Herkunft wohnen. Die Gegend wird auch "Klein-Somalia" genannt.
Nachdem Amrans Sohn verschwand, erstattete sie Anzeige. Der Eigentümer der
Koranschule wurde prompt verhaftet. "Einen Tag später war er schon wieder
auf freiem Fuß. Mir wurde erzählt, dass er die Polizei geschmiert hat."
Amran Mohamed fürchtet, ihren Sohn nie mehr wiederzusehen. Ihr Ehemann
wurde vor zwei Jahren in Somalias Hauptstadt Mogadischu von Shabaab-Milizen
ermordet. Damals floh sie nach Kenia. Aber der Arm der Shabaab reicht auch
bis dorthin.
## Der Sohn ist Teil der Miliz
Im Oktober marschierte Kenias Armee in das Shabaab-Gebiet im Süden Somalias
ein. Wichtigstes Ziel ist die Hafenstadt Kismayo, eine Hochburg der Shabaab
und eine wichtige Einnahmequelle. Dort kommen nicht nur Importgüter für
Somalia an, sondern es werden auch viele Waren über Kismayo nach Kenia
hineingeschmuggelt, die bei der regulären Einfuhr verzollt werden müssten.
Sie landen bei somalischen Händlern in Eastleigh. Dort kosten viele Dinge
daher nur halb so viel wie anderswo.
"Ich finde es gut, dass Kenia versucht, Shabaab anzugreifen", sagt Amran
Mohamed. "Aber gleichzeitig habe ich Angst, dass mein Sohn getötet wird,
weil er jetzt Teil dieser Miliz ist." Sie unterdrückt ihre Tränen. Sie
macht sich Vorwürfe, dass sie ihren Sohn nicht genug gewarnt hat.
Schuldgefühle hat auch Katra Ahmed. Ihr 18-jähriger Bruder Ali schloss sich
vor vier Monaten den Shabaab an. "Er besuchte regelmäßig Diskussionsabende
in der Moschee. Die sind oft wirklich interessant. Aber nachdem er spurlos
verschwand, hörte ich von seinen Freunden, dass auch Extremisten dorthin
kamen. Sie riefen die jungen Leute auf, sich am heiligen Krieg in Somalia
zu beteiligen."
So ist Somalias Bürgerkrieg längst in Kenia angekommen. Und seit der
kenianischen Militärintervention werden die Shabaab auch militärisch in
Kenia tätig. Kurz nach Beginn des Einmarsches explodierten in Nairobi zwei
Handgranaten. Ein Mann kam ums Leben, Dutzende wurden verwundet. Der Täter
ist ein junger Kenianer, zum Islam konvertiert. Er war nach Somalia
gegangen und von Shabaab trainiert worden.
## Die Infrastruktur ist zerfallen
"Es ist ein offenes Geheimnis, dass Shabaab nicht nur Somalis rekrutiert,
sondern Kenianer von anderen Volksgruppen", meint der somalische
Radiojournalist Suhaib Said in Eastleigh. "In Kenia gibt es so viele
arbeitslose junge Menschen. Die brauchen keine Ideologie, um sich zu
vermieten. Geld reicht."
Auf Eastleighs Straßen laviert man zwischen Händlern, hupenden Autos und
riesigen Pfützen. Die Infrastruktur ist zerfallen. Die Regierung macht
nichts. Seit Shabaab mit Vergeltung auf den kenianischen Einmarsch in
Somalia gedroht hat, gibt es immer wieder Razzien von Polizei und Armee.
Wer somalisch aussieht, wird in Nairobi schief angeguckt, sagt der
Journalist Said: "Die Menschen sind misstrauisch. Ich wohnte nicht in
Eastleigh, aber jetzt bin ich hergezogen, weil ich mich nicht mehr
wohlfühlte in meinem Viertel. Hier sehe ich aus wie jeder andere."
In Nairobi geht jetzt die Angst vor Bombenanschlägen um. Man hat Erfahrung
damit. 1998 sprengte al-Qaida die US-Botschaft in Nairobi in die Luft,
wobei weit über 200 Menschen um Leben kamen. 2002 gab es 13 Tote bei einem
Anschlag auf ein Hotel in Mombasa, wo vor allem israelische Gäste
verkehrten.
Jetzt stehen vor Ämtern Besucher Schlange, weil jeder gründlich durchsucht
wird. Bei Einkaufszentren stehen Autos im Stau, weil Spürhunde jeden Wagen
beschnuppern. Ein Brautpaar musste sich auf dem Weg zum Hochzeitsempfang
einer Leibesvisitation unterziehen. Said bezweifelt, dass all dies etwas
nützt: "Es weiß doch keiner, wie Shabaab aussieht."
8 Nov 2011
## AUTOREN
Ilona Eveleens
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