| # taz.de -- Umstrittenes Kunstwerk: Deutschland, deine Völker | |
| > Am Dienstag diskutierte Hans Haacke mit Politikern über sein Kunstwerk | |
| > "Der Bevölkerung". Das positive Fazit: Deutschland - das sind viele | |
| > Völker. | |
| Bild: Ausschnitt aus Hans Haackes Kunstwerk "Der Bevölkerung". | |
| Blut und Boden? Unübersehbar stand die Frage im Raum, als Hans Haacke 1999 | |
| sein Kunstwerk "Der Bevölkerung" vorschlug. Dass ausgerechnet der | |
| Kritischste der Politkünstler deutsche Erde im Reichstag aufschütten lassen | |
| wollte, um klarzumachen, dass die Deutschen mehr als nur ein Volk seien, | |
| befremdete viele. | |
| Haackes von innen beleuchteter Schriftzug "Der Bevölkerung" konterkarierte | |
| zwar die pathetische Widmung "Dem Deutschen Volke" am Frontgiebel des | |
| Parlaments. Aber warum, um Himmels willen, wollte er den Teufel Nation | |
| unbedingt mit dem Beelzebub Mythos austreiben? | |
| Seit elf Jahren schon wächst Haackes Hügelgrab im Hohen Haus. Und die | |
| positive Bilanz, die eine Runde von Politikern, Kunsthistorikern und dem | |
| Künstler selbst, der im August 75 Jahre alt geworden ist, am Dienstag bei | |
| einer Diskussion im Hamburger Bahnhof in Berlin zog, ist teilweise | |
| berechtigt. | |
| Die heftige Debatte über sein im Jahr 2000 mit der knappen Mehrheit von | |
| zwei Stimmen gebilligtes Projekt hatte sichtbar gemacht, wie viel | |
| nationalistische Untertöne bei der Selbstdefinition der Deutschen noch | |
| immer mitschwingen. Und einer Erkenntnis den Weg bereitet, die | |
| Konservativen heute noch weh tut: Deutschland - das sind viele Völker. | |
| Der Diskurserfolg ist das eine. Dass Haackes Biotop, das inzwischen um die | |
| 100 Pflanzen- und 20 Tierarten beherbergt, allerdings das Gefühl für "die | |
| Verantwortung des Menschen gegenüber der Umwelt" geschärft hätte, wie es in | |
| der Projektbeschreibung heißt, wird man angesichts der deutschen | |
| Umweltpolitik kaum behaupten können. | |
| ## Säckchen Erde entleert | |
| Wer während der Diskussion die Diashow mit den grinsenden Abgeordneten sah, | |
| die ihr Säckchen Erde aus dem heimischen Wahlkreis im Reichstag entleerten, | |
| erblickte eher Handelsreisende in Sachen Selbst-PR, denn Kunstliebhaber | |
| oder Ökorevolutionäre. | |
| Dass sie ideologisch nach rechts offen ist, bewies die ehemalige | |
| CSU-Abgeordnete Renate Blank aus Nürnberg, deren Stimme damals den | |
| Ausschlag für das Kunstwerk gab. Bei der Diskussion beharrte sie darauf, | |
| dass das Wort "Heimaterde nichts Negatives" sein dürfe. Das Argument Hans | |
| Haackes, des Anhängers der Französischen Revolution, auch die | |
| Nationalversammlung in Paris bewahre eine Sammlung von Steinen der Regionen | |
| in Frankreich auf, zieht nicht. Als ob in Deutschland das Wort Erde nicht | |
| durch die Nazis hinreichend kontaminiert worden wäre. | |
| Den unangenehmen Beigeschmack der Biologisierung von Politik hat Haackes | |
| Arbeit noch heute. Zu einem Wallfahrtsort der Reaktion ist sie aber auch | |
| nicht geworden. Als Andreas Kaernbach, der Kurator der Kunstsammlung des | |
| Deutschen Bundestags, aus einem Brief von Schülern der rheinischen | |
| Kleinstadt Wesseling vorlas, hatte man im Gegenteil das Gefühl, die vielen | |
| Aktionen, die Haackes Arbeit initiierte, könnten eine mythische Substanz | |
| womöglich doch transformieren: "Ist es nicht das Beste für uns", sinnierte | |
| da der Nachwuchs über den Sand aus "Deutschlands Strom", den sie nach | |
| Berlin geschickt hatten, "Grenzen zu vergessen"? | |
| 10 Nov 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arend | |
| Ingo Arend | |
| ## TAGS | |
| Bildende Kunst | |
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