# taz.de -- Werdegang der Rechtsterroristen: Irgendwann trug er Bomberjacke | |
> Als Jugendliche hatten die drei Rechtsterroristen aus Jena auch Freunde | |
> aus der linken Szene. Wie der Professorensohn Uwe Mundlos zum Neonazi | |
> wurde. | |
Bild: Demo 2001 in Jena mit schönstem Nazipop von Ernst Moritz Arndt (1769–1… | |
JENA taz | Er spricht als Erstes über die Haare. Als er Uwe Mundlos | |
kennenlernte, hatte der helle Locken, dann trug er sie immer kürzer. Stefan | |
Schmitt* spricht über Äußerlichkeiten, weil er die innere Wandlung seines | |
früheren Kumpels nicht verstehen kann. Wie konnte aus dem sympathischen | |
Jungen ein Bombenbauer werden, ein Terrorist und Mörder? | |
Als Thomas Grund das erste Mal Uwe Mundlos traf, hatte er schon eine | |
Kurzhaarfrisur. Es war im September 1991 bei der Eröffnung des | |
Jugendzentrums "Winzerclub", eingerichtet in einer renovierten FDJ-Baracke. | |
Fotos zeigen Mundlos lächelnd, er hat einen Seitenscheitel und trägt | |
Hosenträger in Schwarz-Rot-Gold. Thomas Grund, 58, genannt "Kaktus", grauer | |
Bart, schwarze Klamotten, ist Sozialarbeiter. Er erinnert sich an die drei, | |
sie haben ihm später ziemlich viel Ärger gemacht. | |
Jena, 100.000 Einwohner, das industrielle Zentrum Thüringens. Im Südwesten | |
der Stadt liegt die Plattenbausiedlung Winzerla. Das ist der Ort, an dem | |
sich zur Nachwendezeit Beate Z., heute 36, Uwe Böhnhardt, 34, und Uwe | |
Mundlos, 38, radikalisierten. Doch damals, in der ersten Hälfte der 90er | |
Jahre, ahnte keiner, welchen Weg sie einschlagen würden. | |
Uwe Mundlos war der Sohn eines Professors. Er wohnte in einem | |
sechsstöckigen Plattenbau, die Eltern unten, er hatte im zweiten Stock eine | |
eigene Wohnung. Als herzlich beschreiben ihn damalige Freunde, als | |
aufgeschlossen und ordentlich. Viel Zeit verbrachte er mit seinem Bruder, | |
der im Rollstuhl saß, nahm ihn mit auf Konzerte. Seine Lieblingsband war | |
AC/DC. "Ein netter Kerl", sagt Stefan Schmitt. | |
Sie waren zwischen 15 und Anfang 20 und hingen viel zusammen ab. Die Clique | |
um Uwe Mundlos und Beate Z. war eine bunte Mischung, keineswegs nur | |
rechtsgerichtete Jugendliche. Auf die politische Haltung kam es gar nicht | |
an - zunächst. Mundlos und Beate Z. wurden ein Paar, Uwe Böhnhardt stieß | |
erst später dazu. | |
## Mundlos war ein Intellektueller | |
"Uwe Mundlos war damals schon rechts, aber nicht extrem", sagt Heiko | |
Schulze*, der damals recht viel mit ihm zu tun hatte. Von den Nazis, die | |
betrunken vor der Kaufhalle rumpöbelten, habe er sich immer distanziert. | |
"Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg" - solche plumpen Parolen | |
waren nicht das Seine, er wollte kein Dummschwätzer sein, er war ein | |
Intellektueller. | |
Mundlos las viele Bücher über den Zweiten Weltkrieg und diskutierte mit | |
Kumpels darüber. Er habe sich mit der politischen Einstellung anderer | |
auseinandergesetzt und Gegenargumente gelten lassen, sagt Heiko Schulze. | |
"Er war konsequent und lebte nach seinen Überzeugungen." Irgendwann trug | |
Mundlos stets eine Bomberjacke und trank nicht mehr. | |
Wie früh sein damaliger Kumpel in rechtsextreme Kreise verstrickt war, fiel | |
Heiko Schulze erst später auf. Er erinnert sich daran, dass Uwe Mundlos ihm | |
schon 1992 davon erzählte, er sei auf einer Veranstaltung der | |
"Nationalistischen Front" gewesen, kurz bevor die militante | |
Neonazi-Organisation verboten wurde. | |
Beate Z. wird als nettes Mädel beschrieben, ein Foto aus dem Sommer 1993 | |
zeigt sie mit einer wilden Lockenfrisur. Sie wuchs nur mit ihrer Mutter | |
auf. Beate habe viel geklaut, heißt es, im Supermarkt und anderswo, auch | |
Dinge, die sie eigentlich gar nicht brauchte. Nach der Schule begann sie | |
eine Gärtnerlehre. | |
Wie kam es dazu, dass die Jugendlichen sich so radikalisierten? Wer hat sie | |
beeinflusst? Immer wieder fallen zwei Namen: André K. und Ralf W. Uwe | |
Mundlos und Beate Z. hatten sie Anfang der 90er Jahre kennen gelernt, noch | |
bevor sie führende Köpfe im "Thüringer Heimatschutz" wurden, jener | |
Neonazi-Kameradschaft, der sich das Trio anschloss. Heute stehen K. und W. | |
der NPD nahe. | |
## Der Jugendclub wollte neutral sein | |
"Man hat versucht, das Problem mit den Rechtsextremen totzuschweigen", sagt | |
Lothar König, seit 1990 evangelischer Stadtjugendpfarrer in Jena. Die Junge | |
Gemeinde Stadtmitte, wo sich bis heute vor allem linksalternative | |
Jugendliche treffen, wurde in den 90ern mehrfach von Nazis angegriffen. | |
Lothar König, heute 57, war schon immer überzeugt davon, dass man eindeutig | |
Position beziehen muss, gegen rechts. | |
Für das Jugendzentrum "Winzerclub", finanziert von der Stadt, war damals | |
hingegen eines wichtig: politische Neutralität. Man versuchte gar, Gruppen | |
rechter, gewaltbereiter Skinheads zu integrieren. Sozialarbeiter Thomas | |
Grund hat zunächst noch daran geglaubt, 1993 erlaubte er ein | |
Skinhead-Konzert. | |
Doch später tauchten die drei nur noch im Jugendzentrum auf, um zu | |
provozieren, erinnert sich Grund. Uwe Mundlos trug dabei eine schwarze | |
Uniform mit den Abzeichen der SS. Mit den "Zecken", wie sie die linken | |
Jugendlichen beschimpften, wollten sie nichts mehr zu tun haben. Stefan | |
Schmitt erinnert sich noch genau daran, wie ihm Uwe Mundlos die | |
Freundschaft kündigte. | |
Beate Z. war zwischenzeitlich mit Uwe Böhnhardt liiert, der als der | |
Handlanger von Mundlos galt. Mundlos ging aufs Ilmenau-Kolleg, um dort auf | |
dem zweiten Bildungsweg sein Abitur zu machen. Als 1998 die | |
Bombenbauwerkstatt aufflog und das Trio untertauchte, brach der direkte | |
Kontakt zu ihren einstigen Freunden aus der Plattenbausiedlung ganz ab. | |
Dafür widmete die Nazi-Band Eichenlaub dem Trio ein Lied. Der Titel: | |
"Warum". | |
* Namen geändert | |
15 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
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