# taz.de -- Kahlschlag bei Ein-Euro-Jobs: Armenküche in die Kita | |
> Sozialsenator Scheele hält Beschäftigungsprojekte wie Suppenküchen für | |
> ersetzbar. Die SPD will einen "Feuerwehrtopf", die Träger ein | |
> Quartiersprogramm. | |
Bild: Üben schon mal, für die Armen zu kochen: Kita-Kinder. | |
Durch die Kürzungen von 1-Euro-Jobs stehen zahlreiche Stadtteilprojekte in | |
ärmeren Quartieren wie Jenfeld, Wilhelmsburg oder der Veddel vor der | |
Schließung. In Dulsberg wollen heute früh Besucher und Jobber aus Protest | |
die Stadtteilküche "Pottkieker" besetzen. Gefragt, wie er diese Angebote | |
ersetzen wolle, verwies SPD-Sozialsenator Detlef Scheele am Mittwoch auf | |
Hamburgs "soziale Infrastruktur", die dies auffangen müsse. | |
Dabei denkt der Senator an die Küchen der 180 städtischen | |
Kindertagesstätten. Dort gebe es sozialversichert Beschäftigte, die könnten | |
auch "zehn Essen mehr kochen". Auch Räume seien meist zu finden. Die | |
Dulsberger zum Beispiel könnten auch in einem von der Hamburger Arbeit | |
(HAB) betriebenen Ausbildungshotel speisen. "Das liegt nur 500 Meter vom | |
Pottkieker entfernt." Seine Behörde werde bis zum Frühjahr einen | |
Angebote-Atlas erstellen. Denn es gebe einen "unkontrollierten Wildwuchs". | |
Zuvor hatte Scheele seinen "Paradigmenwechsel" in der Arbeitsmarktpolitik | |
verteidigt. Die für 2012 verbliebenen 3.900 1-Euro-Jobs entsprächen dem | |
Bedarf. Denn diese Arbeitsgelegenheiten (AGH) seien nur für eine kleine | |
Zielgruppe gut. Scheele hätte sie auch ohne Bundeskürzungen reduziert. Zwar | |
gibt es über 47.000 Langzeitarbeitslose mit "komplexen Problemlagen". Doch | |
Scheele will nur noch jene in AGH schicken, die eine solche Maßnahme noch | |
nie mitgemacht haben - und kommt so auf höchstens 6.000 berechtigte | |
Menschen. | |
Für die übrigen sind unter anderem drei- bis sechsmonatige | |
"Trainingsmaßnahmen" in Betrieben geplant, bei denen Scheele auf einen | |
"Klebeeffekt" hofft. Es komme darauf an, "was dem Menschen hilft", und erst | |
danach, was der Stadtteil brauche, so Scheele. Wer jetzt noch AGH mache, | |
benötige selber Beratung und sei nicht zu "anspruchsvollen | |
Dienstleistungen" in der Lage. | |
Doch solche gibt es durchaus unter den Projekten, die die Arbeitsverwaltung | |
im Interessenbekundungsverfahren für 2012 erwählt hat. Wie berichtet, | |
wurden 40 Prozent der Träger-Angebote, wie etwa der "Pottkieker", gar nicht | |
erst angenommen, weil Unterlagen fehlten oder das Projekt nicht mehr als | |
"zielkonform" gilt. Von 80 auf 200 Plätze aufgestockt wurde ein Angebot, | |
das unter anderem im Alster-Einkaufszentrum Senioren beim Einkaufen hilft. | |
Im Anwerbetext im Internet wird "ein Händchen für ältere Menschen" | |
gefordert. | |
Die Sprecherin der Beschäftigungsträger Petra Lafferentz wies Scheeles | |
Äußerungen zurück. Kitas seien kein Ersatz. Quartiersprojekte seien für | |
Langzeitarbeitslose wichtig, da sie dort etwas Sinnvolles täten. Die Träger | |
fordern ein Hamburger Programm für arme Stadtteile über 14 Millionen Euro | |
mit 220 festen Stellen und knapp 1.000 AGHs. "Es ginge, wenn der politische | |
Wille da wäre", so Lafferentz. Es müsse nur vorhandenes Geld anders | |
verteilt werden. Trainingsmaßnahmen würden viele nicht erreichen. Hier | |
drohe sogar, "Geld aus Berlin übrigzubleiben, das Arbeitslosen zusteht". | |
Auch die SPD-Fraktion sorgt sich in einem Antrag um die Existenz von | |
Bürgerzentren und fordert zur Rettung einen "Feuerwehrtopf". Dessen Umfang | |
wäre mit je 500.000 Euro für 2012 und 2013 bescheiden. | |
16 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
Kaija Kutter | |
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Hartz IV | |
Senioren | |
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